TE OGH 1991/4/9 4Ob510/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Sophia Mae H*****, geboren am 14.Oktober 1977, und Melissa Elizabeth H*****, geboren am 6. Juli 1983, infolge Revisionsrekurses des Vaters Russell John H*****, vertreten durch Dr.Eugen Salpius, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 24.Jänner 1991, GZ 22 a R 191/90-48, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hallein vom 15.November 1990, GZ P 174/90-45, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Entscheidung des Court of Common Pleas, Cincinnati, Ohio, Zl.A-83-09325, wurde ausgesprochen, daß die zwischen Eva H***** und Russell H***** - den Eltern der Minderjährigen - bestehende Ehe aufgelöst sei (S 5); das Bundesministerium für Justiz hat mit Bescheid vom 30.6.1988 gemäß § 24 Abs 1 der 4.DVEheG festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Entscheidung gegeben sind (S 3). Die Minderjährigen sind sowohl Staatsbürger der USA als auch Österreichs; ihr Vater ist US-Bürger, ihre Mutter Österreicherin. Seit der Scheidung befinden sich die Kinder in der Obhut ihrer Mutter; seit 24.6.1988 leben sie in Österreich. Mit Beschluß vom 18.10.1988 (ON 10), wurde der Mutter die Obsorge für die Minderjährigen eingeräumt.

Am 17.3.1989 schlossen die Eltern mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung einen Vergleich über die Regelung des dem Vater zustehenden Besuchsrechtes; danach sollten die Kinder während eines Besuchszeitraumes dem Sachverständigen aus dem Fach der Jugendpsychologie Dr.J***** vorgestellt werden, um klären zu können, ob aus psychologischer Sicht in Hinkunft die Ausübung des Besuchsrechtes am Wohnsitz des Vaters in den USA ohne Gefährdung des Wohles der Kinder möglich ist (ON 24).

Am 15.10.1989 kam folgender neuer Vergleich über das Besuchsrecht des Vaters zustande:

"1.) Dem Vater Russell H***** wird a) im Jahre 1991 das Recht zum Besuch seiner mj.Töchter Sophia und Melissa H***** im folgenden Umfang eingeräumt:

Während der Sommerschulferien der Kinder für die Dauer von 6 zusammenhängenden Wochen am Wohnsitz des Vaters in den USA; wobei der Flug (auf Kosten des Vaters) der beiden Minderjährigen in die USA und zurück so einzurichten ist, daß die beiden Kinder ab München mit einem Direktflug zu einem Zielflughafen in den USA befördert werden, wo sie der Vater abholt, und überdies von einer Begleitperson der entsprechenden Fluglinie durchgehend bis zur Abholung durch den jeweiligen Elternteil betreut werden (also mittels UAM-Service hin und zurück). Sollte bis dahin der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder in Wien sein, so kann als Abflughafen bzw Zielort für den Rückflug auch Wien sein, wobei in diesem Fall - sofern kein Direktflug besteht - der Flughafen Frankfurt oder Zürich als Umsteigstelle (jeweils unter Benützung des UAM-Service) in Anspruch genommen werden kann.

Der Beginn dieses Besuchsrechtes soll nach Absicht der Parteien während der nachfolgenden Besuchszeit einvernehmlich festgelegt werden; im Fall der Nichteinigung wird eine gesonderte diesbezügliche Antragstellung bei Gericht erfolgen.

b) vom 23.12.1990 10 Uhr bis 30.12.1990 18 Uhr mit Ausnahme der Zeit vom 24.12., 15 Uhr, bis 25.12.1990, 18 Uhr, wobei die Kinder jeweils vom Vater von der Wohnung und von ihm dorthin wieder zurückzubringen sind.

2.) Für die Jahre ab 1992 wird dem Vater Russell H***** das Recht zum Besuch seiner Mj.Töchter Melissa und Sophia H***** für die Dauer von insgesamt 7 Wochen eingeräumt, wobei hievon jedenfalls 6 Wochen in die Zeit der Sommerschulferien zu fallen haben. Während dieser 6 Wochen ist der Vater berechtigt die Kinder entsprechend der Regelung gemäß Punkt 1. lit a dieses Vergleiches in die USA mitzunehmen, soweit bis dahin eine derartige Regelung nicht dem Wohl der Kinder entgegensteht.

Die jeweiligen konkreten Besuchszeiten sollen nach Absicht der Parteien im Einvernehmen geregelt werden; im Fall der Nichteinigung wird eine diesbezügliche Antragstellung bei Gericht erfolgen.

3.) Die Mutter verpflichtet sich, den Rechtsbeistand des Vaters, Herrn Dr.S*****, von der Tatsache der Änderung ihres Wohnsitzes bzw oder jenes der Kinder längstens innerhalb von 14 Tagen in Kenntnis zu setzen.

4.) Sämtliche mit der Ausübung des väterlichen Besuchsrechtes verbundenen Kosten für die Kinder und die Mutter (Bahnfahrt

2. Klasse Salzburg - München und retour bzw gleichartige Kosten für die Fahrt zum Abflughafen und retour) hat der Vater allein zu tragen."

Auch diesen Vergleich hat das Erstgericht pflegschaftsbehördlich genehmigt (ON 39).

Mit der Behauptung, daß sie mittlerweile bei verschiedenen Behörden in Erfahrung gebracht habe, daß der Vater ohne weiters amerikanische Pässe für die Minderjährigen ausstellen lassen könnte, beantragte die Mutter am 24.10.1990, das Besuchsrecht des Vaters zu Weihnachten 1990 und generell bis zum Erreichen der Volljährigkeit der Kinder zu suspendieren (ON 42). Die den Vater betreffende Sachlage sei ihr zwar beim Abschluß des Vergleiches vom 15.10.1990 schon bekannt gewesen, und sie habe sich seither nicht geändert; erst nachträglich sei ihr aber bei ihren Erkundigungen die Ernstlichkeit der Gefahr einer möglichen Entführung der Kinder durch den Vater so richtig vor Augen geführt worden. Bei einem Telefonat kurz vor dem 31.10.1990 habe er im übrigen zur Tochter Melissa gesagt "I'll take you!" (ON 43).

Der Erstrichter wies diesen Antrag ab. Laut Auskunft des Generalkonsuls der USA in Salzburg bestehe nach der gegenwärtigen Rechtslage keine Möglichkeit, daß das Außenministerium in Washington einem Ansuchen des Vaters auf Ausstellung von US-Reisepässen für die beiden Minderjährigen stattgibt; sämtliche Paßansuchen müßten aber vom Außenministerium unabhängig davon genehmigt werden, ob das Ansuchen bei einem Paßamt innerhalb der USA oder bei einer US-Vertretungsbehörde im Ausland gestellt wird. Im übrigen habe der Generalkonsul darauf hingewiesen, daß sowohl die Republik Österreich als auch die USA Mitglieder des Haager Abkommens (von 1980) über zivilrechtliche Aspekte internationaler Kindesentführung seien. Der Vater habe zwar im Sommer 1989 für die beiden Kinder Paßbilder anfertigen lassen, doch bestünden keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er tatsächlich versucht hätte, bei den zuständigen Stellen die Ausstellung von US-Reisepässen für seine beiden Töchter zu beantragen. Auch sonst fehlten konkrete Hinweise dafür, daß der Vater beabsichtige, seine Töchter Sophia und Melissa nach Ausübung des Besuchsrechtes nicht mehr zurückzubringen, also der Mutter auf Dauer vorzuenthalten. Der Sachverständige Dr.J***** habe ausgeführt, daß eine Vertrauensbildung zwischen der minderjährigen Sophia und dem Vater in Gang gekommen sei und sie einem allfälligen Flug nach Amerika gemeinsam mit ihrer Schwester in Begleitung des Vaters anders gegenüberstehe als noch vor einem Jahr. Da sich also die Verhältnisse seit dem Abschluß des Vergleiches vom 15.10.1990 nicht wesentlich geändert hätten und die Mutter keine Gründe dafür darzulegen vermocht habe, daß die Ausübung des Besuchsrechtes durch den Vater das Wohl der Minderjährigen gefährden könnte, sei der Antrag nicht berechtigt.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf, trug dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Da die beiden Minderjährigen (auch) österreichische Staatsbürger sind, sei österreichisches Recht anzuwenden (§ 27 IPRG). Oberster Grundsatz jeder Regelung des Besuchsrechtes (§ 148 ABGB) sei das Wohl und das Interesse des Kindes. Soweit die Mutter hier die gänzliche Untersagung eines Besuchsrechtes des Vaters anstrebe, sei dies - zumindest nach der derzeitigen Aktenlage - nicht gerechtfertigt, weil eine Entziehung oder Einschränkung des Besuchsrechtes grundsätzlich nur aus solchen triftigen Gründen erfolgen könne, die eine Bedrohung der psychischen oder physischen Integrität des Kindes bedeuteten; solche Gründe lägen aber hier nicht vor, zumal die bisherige Ausübung dieses Rechtes durch den Vater in Österreich zu einer Verbesserung seiner Beziehung zu den Kindern geführt habe. Der Grund für den Antrag der Mutter sei nur ihre Befürchtung, daß der Vater die Kinder nach ihrem Besuch in den USA nicht wieder nach Österreich zurückschicken könnte. Der Ansicht des Erstgerichtes, daß keine konkreten Hinweise auf eine solche Gefahr bestünden, könne aber das Rekursgericht nicht folgen. Der Vater habe Paßbilder für die Minderjährigen anfertigen lassen und laut Auskunft des Generalkonsuls der USA in Salzburg schon 1988 die Ausstellung amerikanischer Reisepässe für die Kinder beantragt. In diesem Zusammenhang scheine auch seine Bemerkung "I'll take you" eine besondere Bedeutung in dem Sinn zu bekommen, daß er die Kinder zu sich holen wolle. Berücksichtige man noch, daß eine allfällige Rückholung der Kinder unter Mithilfe US-amerikanischer Behörden mehr als fraglich erscheine - die Kinder seien amerikanische Staatsbürger; die Mutter habe sich offenbar durch die Verbringung der Kinder nach Europa nach amerikanischem Recht strafbar gemacht -, dann habe das Rekursgericht erhebliche Bedenken, daß der Vater die Kinder tatsächlich wieder herausgäbe, wenn sie dem Einflußbereich österreichischer Behörden entzogen wären, insbesondere auch im Hinblick darauf, daß in den USA keine allgemeine Meldepflicht bestehe und die Kinder daher nicht aufgespürt werden könnten. Bei dieser Sachlage könne nicht von bloß abstrakten Befürchtungen gesprochen werden; vielmehr lägen triftige Gründe vor, die eine Beeinträchtigung des Kindeswohles befürchten ließen. Auch aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr.J***** gehe hervor, daß die minderjährige Sophia vor einem Flug zu ihrem Vater in die USA (noch immer) Angst habe und den Flug ohne Zustimmung der Mutter nicht antreten möchte. Ein Amerikaflug gegen den Willen der Mutter könnte aber geeignet sein, die Beziehung zur Mutter erheblich zu stören. Auch für die minderjährige Melissa sei die Zustimmung der Mutter maßgeblich; Sophia habe ausdrücklich erklärt, nicht zu ihrem Vater in die USA fliegen zu wollen. In diesem Zusammenhang behaupte die Mutter im Rekurs noch, beide Kinder hätten auf die Mitteilung, daß sie im Sommer für 6 Wochen zum Vater fahren sollten, äußerst ängstlich reagiert und sie gebeten, sie nicht wegzulassen. Besonders bei Sophia seien Angstvorstellungen gegenüber dem Vater vehement zum Ausbruch gekommen. Damit drohten aber seelische Schäden für die Kinder. Diese fürchteten, daß sie der Vater in den USA festhalten werde. Sie müßten alleine einen Transatlantikflug antreten und wären ihrem Vater sechs Wochen lang in einer ihnen - infolge Wohnungswechsels des Vaters - völlig unbekannten Umgebung ausgesetzt. Unterstelle man dieses Vorbringen als richtig, dann erscheine es keinesfalls zwingend, daß ein allfälliger Amerikaaufenthalt der beiden Kinder deren Wohl dienen könnte. Habe die feindliche Einstellung der Eltern zueinander die Einstellung des Kindes zu seinem Vater geprägt und es zur Parteinahme gezwungen, so sei der Kontakt zum Vater gänzlich zu unterbinden. Die Mutter wäre zwar grundsätzlich verpflichtet, die Minderjährigen positiv auf Besuche beim Vater vorzubereiten, doch könne es dem Wohl der Minderjährigen widersprechen, wenn diese entgegen ihrer eigenen Überzeugung dazu gezwungen werden sollten. Mündige Kinder dürften nicht gegen ihren Willen zur Duldung des Besuchsrechtes gezwungen werden; ihrer Stellungnahme komme bei der Gewährung des Besuchsrechtes erhebliche Bedeutung zu. Sophia H***** erreiche die Mündigkeit in einigen Monaten. Die gänzliche Verbringung der Kinder in die USA und ihre dauernde Trennung von der Mutter könne dem Wohl der Minderjährigen nicht entsprechen. Eine zusammenhängende Zeitdauer von sechs Monaten sei im übrigen zu lang; für die Kontaktpflege in den Sommerferien reiche ein Besuchsrecht in der Dauer von drei Wochen. Es widerspräche auch der Judikatur, die Kinder allein in die USA zu schicken. Das Besuchsrecht umfasse seinem Wesen nach die Pflicht des Berechtigten, das Kind von seinem ständigen Wohnort abzuholen und wieder dorthin zurückzubringen, und zwar auch dann, wenn sich das Kind in einem anderen Staat als der Vater aufhält. Die von der Mutter offensichtlich angestrebte Beschränkung des Besuchsrechtes auf das Inland sei zulässig.

Dennoch habe in der Sache selbst noch nicht erkannt werden können, weil konkrete Anhaltspunkte dafür fehlten, wie das Besuchsrecht im Inland am zweckmäßigsten zu regeln wäre. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren die Parteien zu einer entsprechenden Antragstellung anzuleiten und darüber zu entscheiden haben. Dieser Entscheidung stehe der pflegschaftsbehördlich genehmigte Vergleich vom 15.10.1990 nicht entgegen, weil zu jedem Zeitpunkt das Kindeswohl im Vordergrund zu stehen habe und auch insofern eine Änderung der Sachlage eingetreten sei, als im Rekurs behauptet werde, die beiden Minderjährigen hätten einen Besuch bei ihrem Vater abgelehnt, und es seien Angstvorstellungen vehement zum Ausdruck gekommen; auch die Tatsache der versuchten Paßanträge des Vaters sei erst im nachhinein aktenkundig geworden.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachten Aktenwidrigkeiten liegen nicht vor. Daß nach der Auskunft des amerikanischen Generalkonsulates in Salzburg vom 8.11.1990 (ON 44) einem Ansuchen des Vaters auf Ausstellung von Pässen für die Minderjährigen nicht stattgegeben werden könnte, steht nicht im Widerspruch zur Annahme des Rekursgerichtes, daß eine allfällige Rückholung der Kinder unter Mithilfe US-amerikanischer Behörden "mehr als fraglich erscheine". Ob für die Kinder ein amerikanischer Paß ausgestellt wird, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Für die Einreise der Kinder in die USA, um den Vater im Sinn des Vergleiches vom 15.10.1990 zu besuchen, genügt der österreichische Reisepaß; um die beiden Minderjährigen, welche amerikanische Staatsbürger sind, in den USA zurückzubehalten, bedarf es aber keines amerikanischen Reisepasses. Daß die Mutter die Rückkehr der Kinder erzwingen könnte, hat gerade das amerikanische Generalkonsulat in Salzburg unter Hinweis darauf in Zweifel gezogen, daß die Mutter zwar mit Hilfe eines amerikanischen Anwaltes in dem betreffenden US-Bundesstaat, in dem sich die Kinder befinden, das ihr zustehende Recht als Vormund auf Rückstellung der Kinder geltend machen könnte, daß aber de facto die Einhaltung eines ausländischen Bescheides im Ermessen der US-Gerichte liege; es wäre daher empfehlenswert, durch Rücksprache im Bundesminsterium für Justiz in Wien zu erfahren, wie weit amerikanische Gerichte einschlägige österreichische Urteile bisher respektiert hätten. Im gegebenen Fall sei auch der Kostenfaktor einer Rechtsvertretung durch einen amerikanischen Anwalt zu bedenken (ON 44). Ganz abgesehen von der - nicht näher untersuchten - Frage der Bereitschaft amerikanischer Behörden, einem Rückstellungsbegehren der Mutter zum Erfolg zu verhelfen, bleibt, wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, jedenfalls die tatsächliche Schwierigkeit, gegebenenfalls den Aufenthalt der Minderjährigen zu ermitteln.

Die Mutter hat zwar schon vor dem Vergleich vom 15.10.1990 des öfteren die Befürchtung geäußert, der Vater werde die Kinder aus den USA nicht mehr zurückbringen oder -schicken (S 83, 169); erst mit dem Schreiben des Generalkonsulates in Salzburg vom 8.11.1990 wurde aber aktenkundig, daß der Vater tatsächlich US-Reisepässe für die Minderjährigen beantragt habe (ON 44). Auch insoweit stehen die Ausführungen des Gerichtes zweiter Instanz im Einklang mit den Akten.

In seiner Rechtsrüge meint der Vater, das Erstgericht habe schon deshalb mit Recht den Antrag der Mutter abgewiesen, weil seit dem Abschluß des Vergleiches vom 15.10.1990 keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Dem ist zu erwidern, daß es der Grundsatz der Bedachtnahme auf das Kindeswohl (§ 178 a ABGB) - der oberste Grundsatz jeder Besuchsregelung (EFSlg 51.147, 53.880 uva) - erfordert, daß - auch noch vom Obersten Gerichtshof - alle während des Verfahrens eingetretenen Entwicklungen voll zu berücksichtigen sind (EFSlg 45.904, 51.213; Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 148). Schon aus diesem Grund können die erst nach dem 15.10.1990 von der Mutter näher konkretisierten Befürchtungen, der Vater könnte das ihm zugestandene Besuchsrecht dahin mißbrauchen, daß er die Kinder in den USA zurückbehält, nicht mit dem bloßen Hinweis auf den Vergleich und den ihn genehmigenden rechtskräftigen Gerichtsbeschluß abgetan werden. Ebenso ist auf die im Rekurs zulässigerweise (§ 10 AußStrG) aufgestellten Behauptungen Bedacht zu nehmen, daß die Kinder Angst davor hätten, im Sommer für sechs Wochen zum Vater zu fahren, und daß ihnen auch der Flug ohne Begleitung einer Vertrauensperson nicht zumutbar sei. Sollte die Ausübung des im Vergleich vorgesehenen Besuchsrechtes tatsächlich zu einer schweren psychischen Belastung der Kinder führen, dann würde das die damit möglicherweise verbundenen Vorteile - den Kontakt mit ihrem Geburtsland, insbesondere die Pflege der amerikanischen Sprache - so sehr überwiegen, daß diese Besuchsrechtsregelung im Widerspruch zum Kindeswohl stünde.

Entgegen der Vorgangsweise des Rekursgerichtes genügt es allerdings nicht, dieses Rekursvorbringen als richtig zu unterstellen; vielmehr bedarf es dazu weiterer Feststellungen, die erst nach einer ergänzenden Beweisaufnahme - insbesondere auch unter Beiziehung des Sachverständigen Dr.J***** - getroffen werden können. Erst wenn sich daraus ergeben sollte, daß der vorgesehene Besuch der Kinder in den USA, insbesondere auch der Flug ohne Begleitung einer Vertrauensperson, den beiden Mädchen psychisch schaden könnte, wäre eine konkrete Regelung des dem Vater zustehenden Rechtes, die Kinder in Österreich zu besuchen, erforderlich. Sofern aber den Kindern der vorgesehene Flug in die USA zumutbar und der verhältnismäßig lange Aufenthalt in den USA für ihre Entwicklung und die Entfaltung der Beziehung zu ihrem Vater von Vorteil sein sollte, käme es nur noch auf die Frage an, ob tatsächlich die Gefahr besteht, der Vater werde die Kinder nicht mehr zurückfahren lassen. Als Verdachtsgründe hat das Rekursgericht in Übereinstimmung mit der Mutter nur herangezogen, daß der Vater versucht habe, amerikanische Pässe für die Kinder ausstellen zu lassen, und gesagt habe "I'll take you". Ob dieses Mißtrauen gerechtfertigt ist, läßt sich aber nach der derzeitigen Aktenlage noch nicht abschließend beurteilen; es wird zumindest erforderlich sein, den Vater dazu zu befragen, zu welchem Zweck er die Pässe beantragt hat. Sollten danach noch Bedenken, daß der Vater die Absicht haben könnte, die Kinder in den USA zurückzubehalten, bestehen bleiben, dann wird ein Auslandsbesuchsrecht nicht in Frage kommen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Beschluß zu bestätigen. Das Erstgericht wird aber im fortgesetzten Verfahren entgegen dem Auftrag des Rekursgerichtes nicht schon davon auszugehen haben, daß ein Auslandsbesuch der Kinder keinesfalls in Frage kommt; vielmehr werden die als erforderlich aufgezeigten Feststellungen noch zu treffen sein.

Anmerkung

E25660

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00510.91.0409.000

Dokumentnummer

JJT_19910409_OGH0002_0040OB00510_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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