TE OGH 1991/4/11 8Ob531/91

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Veröffentlicht am 11.04.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Kinder Sonja F*****, geboren am 19. August 1973, und Thomas F*****, geboren am 3. November 1978, infolge Revisionsrekurses der durch ihren besonderen Sachwalter, die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn-Jugendabteilung, vertretenen Minderjährigen gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgerichtes vom 29. Jänner 1991, GZ 5 R 21/91-146, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hollabrunn vom 6. Dezember 1990, GZ P 81/86-142, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erhöhte die im Jahre 1985 mit je S 2.000 pro Monat festgesetzte Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die beiden Minderjährigen Sonja und Thomas antragsgemäß ab 1. Juli 1990 auf je S 2.500 monatlich. Es stellte fest, daß der Vater von Jänner bis Oktober 1990 ein der Unterhaltsbemessung zugrundezulegendes monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 15.770 erzielte, und folgerte daraus, daß die erhöhten Unterhaltsbeiträge dem Vater auch unter Berücksichtigung seiner weiteren, gerichtlich mit S 2.000 monatlich festgesetzten Unterhaltsverpflichtung für seine am 16. September 1981 geborene Tochter Michaela T***** zumutbar seien.

Das Rekursgericht setzte in teilweiser Stattgebung des vom Vater erhobenen Rekurses den Unterhalt mit je S 2.350 pro Monat fest und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil die Frage, wie ein titulierter Unterhaltsanspruch in einem anderen Unterhaltsbemessungsverfahren zu berücksichtigen sei - durch linearen Abzug von der Bemessungsgrundlage oder durch prozentuelle Berücksichtigung bei unverminderter Bemessungsgrundlage -, in der zweitinstanzlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet werde und über den konkreten Fall hinaus von erheblicher Bedeutung sei. Es führte aus: Entgegen der überwiegend vom Landesgericht für ZRS Wien (EFSlg. 43.045 uva) vertretenen Rechtsansicht, auch titulierte Unterhaltsverpflichtungen seien nur im Rahmen eines Prozentabzuges zu berücksichtigen, ziehe das Rekursgericht in ständiger Rechtsprechung solche, in einem anderen Verfahren titulierten Unterhaltspflichten linear von der Unterhaltsbemessungsgrundlage ab. Im vorliegenden Fall sei schon deshalb so zu verfahren, weil der Unterhaltstitel für das nicht verfahrensbeteiligte weitere Kind keineswegs als überhöht zu beurteilen sei. In Anbetracht der so auf S 13.770 verminderten Unterhaltsbemessungsgrundlage entspreche nur der monatliche Unterhaltsbetrag von je S 2.350 der Leistungsfähigkeit des Vaters und einer angemessenen Teilnahme der beiden Minderjährigen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Minderjährigen ist aus den zutreffenden Gründen des Zulassungsausspruches zulässig; er ist aber auch berechtigt.

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Hier steht außer Frage, daß den Vater die Geldunterhaltsverpflichtung für die beiden Minderjährigen trifft. Seine Lebensverhältnisse bestimmen sich nach seinem Stand, Vermögen, Einkommen, seinen familiären Verhältnissen, seinen gesetzlichen Sorgepflichten usf. Im Unterhaltsbemessungsverfahren müssen auch andere gesetzliche Unterhaltspflichten des in Anspruch genommenen Unterhaltsschuldners, gleichgültig, ob sie bereits tituliert sind oder nicht, derart berücksichtigt werden, daß zunächst zur Wahrung der Gleichmäßigkeit aller im Prinzip gleichberechtigten gesetzlichen Unterhaltsansprüche von der für alle Unterhaltspflichten zur Verfügung stehende gemeinsamen Unterhaltsbemessungsgrundlage auszugehen ist. Die Beteiligung der konkurrierenden Unterhaltsberechtigung an den - oft (wie auch hier) zur Deckung der Regelbedarfssätze nicht

ausreichenden - verfügbaren Unterhaltsmitteln richtet sich dann nach dem Stand der einzelnen Unterhaltsberechtigten (Ehegatte, Eltern, Kinder, Enkelkinder) und - bei gleichem Stand - nach Alter, Bedarf usw. Nur eine solche nach diesen Prinzipien gerechte Verteilung des für alle Unterhaltsverpflichtungen insgesamt zur Verfügung stehenden Betrages läßt eine angemessene Teilnahme aller Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen zu (Pichler in Rummel2 Rz 3 a zu § 94, Rz 5 a zu § 140). Vom Unterhaltspflichtigen in einem Verfahren für einen anderen Unterhaltsberechtigten freiwillig übernommenen Mehrleistungsverpflichtungen, zu denen er bei objektiver Anwendung des Gesetzes nicht hätte gegen seinen Willen verpflichtet werden dürfen, dürfen sich bei der gerichtlichen Bemessung des Unterhalts einem Verfahren zugunsten anderer Unterhaltsberechtigter nicht zu deren Lasten, sondern nur zu Lasten des Unterhaltspflichtigen auswirken.

Die vom Rekursgericht in seiner ständigen Rechtsprechung vertretene Auffassung, titulierte Unterhaltsverpflichtungen zugunsten dritter, im Bemessungsverfahren nicht beteiligter Unterhaltsberechtigter linear von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen, ist abzulehnen, weil sie zur ungleichen Behandlung gleichberechtigter Unterhaltsansprüche führen kann.

Diesfalls erweist sich das Unterhaltserhöhungsbegehren der beiden Minderjährigen Sonja und Thomas F***** als durchaus maßvoll und führt angesichts ihres Altersabstandes von 17 bzw. 12 Jahren zur neunjährigen Michaela T***** auch zu einer angemessenen Teilnahme an den Lebensverhältnissen des Vaters, zumal diesem nach Erfüllung dieser drei Kindesunterhaltspflichten noch rund 55 % seines Nettoeinkommens verbleiben. Die Entscheidung des Erstgerichtes ist daher in Stattgebung des Revisionsrekurses wiederherzustellen.

Anmerkung

E27146

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00531.91.0411.000

Dokumentnummer

JJT_19910411_OGH0002_0080OB00531_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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