TE OGH 1991/4/23 14Os43/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.April 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.-Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred T***** und einen anderen wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Peter S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.Juli 1990, GZ 3 a Vr 10156/89-59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich des den Angeklagten Peter S***** betreffenden Schuldspruchs wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB (Punkt II des Urteilssatzes) sowie demzufolge auch in dem den Angeklagten Peter S***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich des ihn betreffenden Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung nach § 38 StGB) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) der 39-jährige Peter S***** (zu I) des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB und (zu II) des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

I. am 17.Oktober 1989 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit (dem im selben Verfahren bereits rechtskräftig abgeurteilten) Manfred T***** fremde bewegliche Sachen, nämlich drei Autoradiokassettenrekorder und verschiedene Gebrauchsgegenstände im Gesamtwert von rund 18.000 S durch Einbruch in Transportmittel, nämlich in die PKW der Gertrude H***** (Kennzeichen N 612.812), der Barbara W***** (Kennzeichen W 659.540), der Christine G***** (Kennzeichen W 277.775) und des Erich Z***** (bzw. der Firma A*****, Kennzeichen W 89.198) mit Bereicherungsvorsatz weggenommen, und

II. in der Zeit vom 14.August 1986 bis 1.Mai 1987 und vom 1. September 1988 bis 17.Oktober 1989 dadurch, daß er es unterließ, einem "Gewerbe" (ersichtlich gemeint: Erwerb) nachzugehen, der ihm die Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber seinen minderjährigen Kindern Peter S***** (geboren am 17. März 1973) und Julia S***** (geboren am 22.November 1974) ermöglicht hätte, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer (nominell) auf die Z 4, 5, 9 lit. a und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Unbegründet ist die Beschwerde soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen Diebstahls wendet.

In der Mängelrüge (Z 5) reklamiert der Beschwerdeführer eine offenbar unzureichende Begründung mit der Argumentation, daß der als Zeuge vernommene Taxifahrer Josef K*****, der das Einschreiten der Polizei über den Taxifunk veranlaßte, die Vorgänge aus der Ferne nur undeutlich gesehen habe, weshalb das Schöffengericht angesichts der "dürftigen Beweisergebnisse" hätte zum Schluß kommen müssen, daß er an den Einbrüchen nicht beteiligt gewesen sei. Dabei übersieht die Beschwerde jedoch, daß das Erstgericht die den Schuldspruch tragenden Feststellungen nicht nur auf die als glaubwürdig beurteilte Aussage des genannten Zeugen gestützt hat, sondern auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse zur Überzeugung (§ 258 Abs. 2 StPO) von der Täterschaft des Angeklagten gelangt ist, wobei es auch berücksichtigt hat, daß der Angeklagte unmittelbar vor der Anhaltung durch die Polizeibeamten B***** und S***** in der Nähe des Tatortes eine Plastiktasche zwischen zwei geparkte Kraftfahrzeuge warf, in der sich ua aus den Fahrzeugen der Gertrude H***** und der Christine G***** stammende Gegenstände befanden (US 7 ff iVm S 23, 49, 67, 109 ff, 324). Im Kern stellt das bezügliche Beschwerdevorbringen eine Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer (im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nach wie vor unzulässigen) Schuldberufung dar; ein formaler Begründungsmangel (Z 5) wird damit nicht aufgezeigt.

Die Feststellung hinwieder, daß sich der, wenngleich seit Jahren drogenabhängige Angeklagte zur Tatzeit nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befunden hat (US 12), konnte das Erstgericht im Einklang mit den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung daraus ableiten, daß er im Rahmen seiner (leugnenden) Verantwortung den Ablauf der Ereignisse hinsichtlich des Verhaltens des Mitangeklagten Manfred T***** sowie der Vorgänge bei seiner Anhaltung und Festnahme durch die Polizei detailliert schildern konnte (vgl. insbesondere S 308 ff, 432 ff) und auch vom Polizeiamtsarzt nach der am 17.Oktober 1989 (23.15 Uhr) erfolgten Untersuchung Anhaltspunkte in Richtung eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes verneint wurden (S 59). Im übrigen hat der Angeklagte den in der Hauptverhandlung vom 7.März 1990 zu diesem Thema gestellten Antrag auf Beiziehung eines "medizinischen Sachverständigen" (S 328) in der Folge sowohl selbst als auch durch seinen Verteidiger ausdrücklich zurückgezogen und erklärt, daß er zur Tatzeit sowohl physisch als auch psychisch im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen sei (S 337, 398, 432). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang der Sache nach (auch) einen Verfahrensmangel (Z 4) releviert, fehlen daher schon die prozessualen Voraussetzungen.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit. a, der Sache nach Z 9 lit. b) wendet der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) ein, daß dem Urteil abgesehen von der "mangelnden Begründung der getroffenen (die Voraussetzungen des § 287 Abs. 1 StGB negierenden) falschen Feststellung", die "wesentliche Feststellung" fehle, "Peter S***** befand sich zum Tatzeitpunkt in einem die Zurechnungsfähigkeit fahrlässig herbeigeführten Rauschzustand". Da das Schöffengericht aber das Vorliegen eines derartigen Zustandes ausdrücklich verneint hat, geht die Rechtsrüge nicht von den Urteilsfeststellungen aus; sie bringt daher diesen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. In Wahrheit wird vielmehr abermals nur in unzulässiger Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung bekämpft.

Im bisher erörterten Umfang war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Berechtigt ist die Beschwerde jedoch, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB (Punkt II) Begründungs- und Feststellungsmängel ins Treffen führt.

Das Schöffengericht stützte den bezüglichen Schuldspruch darauf (US 12 f), daß der Angeklagte Sorgepflichten gegenüber seinen beiden eingangs genannten minderjährigen Kindern hat, keiner Beschäftigung nachgeht und daß er sich seiner Unterhaltspflicht, die er seit Jahren gröblich verletzt, bewußt ist, wodurch der Unterhalt der Kinder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet war. Demgegenüber wurde jedoch im Ersturteil an anderer Stelle mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß der Angeklagte unterstands- und mittellos war, lediglich Sozialhilfe bezogen hat und sich die Mittel zur Befriedigung seines Suchtgift- und Tablettenkonsums ua durch die Begehung von Straftaten verschafft hat (US 7, 10, 11, 12). Ob der Angeklagte, der behauptete, er sei regelmäßig beim "Arbeitsamt Chemie in der Pasettistraße" gemeldet gewesen, habe jedoch trotz Bemühens keine Arbeit zugewiesen bekommen (vgl. S 137 verso, 329, 433), überhaupt auf einen entsprechenden Arbeitsplatz zu vermitteln gewesen wäre (vgl. SSt. 46/29), wurde vom Erstgericht allerdings nicht festgestellt.

Bei nicht nachgewiesener Vermittelbarkeit bliebe zu prüfen, ob dem Angeklagten in einzelnen Monaten des inkriminierten Zeitraumes Unterhaltsleistungen allenfalls schon aus der bezogenen Sozialhilfe möglich und zumutbar gewesen wären. Obwohl in diese Richtung weisende Anhaltspunkte der Aktenlage zu entnehmen wären (S 83, 312, 436), wurden tragfähige Feststellungen hierüber vom Erstgericht nicht getroffen und auch nicht konstatiert, in welchen Monaten die Sozialhilfe "3.500 S" betragen haben soll.

Da ein Unterhaltsschuldner, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht einmal dazu ausreicht, ohne Verzicht auf die Befriedigung der dringendsten eigenen Lebensbedürfnisse Unterhalt zu erbringen, nicht tatbildlich im Sinn des § 198 Abs. 1 StGB handelt (ÖJZ-LSK 1985/10; Leukauf-Steininger2 § 198 RN 19-21 und 25), hindern schon die bezeichneten - die Leistungsfähigkeit des Angeklagten

berührenden - Feststellungsmängel eine erschöpfende rechtliche Beurteilung.

Da die aufgezeigten Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war der zuletzt erörterte Schuldspruch (II) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zu kassieren (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf das darauf bezughabende Beschwerdevorbringen weiter einzugehen.

Mit der durch die Aufhebung (auch) des Strafausspruches gegenstandlos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Im fortgesetzten Verfahren wird hinsichtlich der Tatzeiten zu beachten sein, daß der Angeklagte - wie sich aus dem vom Obersten Gerichtshof gemäß § 285 f StPO beigeschafften Akt 6 e Vr 6500/88 (insbesondere ON 26, 64, 68) des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt - vom 4.Dezember 1986 bis 1.September 1988 in Haft war. In diesem Zusammenhang könnte zudem die Frage aktuell werden, ob und in welcher Dauer dem Angeklagten ein Zeitraum für die Arbeitssuche nach der Entlassung aus der Haft zuzubilligen wäre (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB3 E 48 a zu § 198).

Anmerkung

E25880

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0140OS00043.91.0423.000

Dokumentnummer

JJT_19910423_OGH0002_0140OS00043_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten