TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/19 2001/03/0352

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Veröffentlicht am 19.12.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E07204030;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich AnhF;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich AnhG;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs2;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs3;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs1;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs2;
AVG §66 Abs4;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §51e Abs1 idF 1998/I/158;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des CK in K, Deutschland, vertreten durch Beck & Christ, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 2340 Mödling, Elisabethstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. Juni 2001, Zl. uvs-2001/K10/026-5, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Lkw samt Anhänger zu verantworten, dass er am 30. Jänner 2001 bis 14.38 Uhr auf der Autobahn A 12 bei der Abfahrt Imst vom Reschenpass kommend in Richtung der beabsichtigen Grenzaustrittsstelle Vils fahrend, eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich, nämlich von Italien nach Deutschland durchgeführt und dabei kein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine auf die konkrete Fahrt bezughabende österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt (genannt Ökokarte) und auch kein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermögliche (Ecotag), mitgeführt habe, wie dies anlässlich einer Kontrolle durch ein Kontrollorgan der Zollwacheabteilung Reutte/MÜG, festgestellt worden sei, weil der Umweltdatenträger nicht ordnungsgemäß im Lkw angebracht gewesen sei, weil er im Fahrzeug lose mitgeführt und nicht vorschriftsmäßig an der Windschutzscheibe angebracht gewesen sei, somit für die Abbuchung von Ökopunkten nicht habe benutzt werden können.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 sowie Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) 3298/94 in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96, Nr. 609/2000 und Nr. 2012/2000 begangen; über ihn wurde eine Geldstrafe von S 20.000,-- (EUR 1.453,46), im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Tagen, verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei im Zuge der aus dem Spruch ersichtlichen Transitfahrt angehalten und einer Zollkontrolle unterzogen worden. Dabei sei auch der nach dem Ökopunktesystem erforderliche Umweltdatenträger überprüft und festgestellt worden, dass der Ecotag nicht vorschriftsmäßig an der Windschutzscheibe angebracht, sondern lose im Fahrerhaus mitgeführt worden sei. Nach Überprüfung des Ecotag mittels Kontrollgerät habe ermittelt werden können, dass keine Ökopunkte entrichtet worden seien. Der Beschwerdeführer habe sich den Dienst habenden Beamten gegenüber dahin gerechtfertigt, dass er nicht wisse, warum der Ecotag lose im Führerhaus gelegen und nicht aufgeklebt gewesen sei, er sei nur Aushilfsfahrer und ihm sei von seinem Kollegen das Auto so übergeben worden. Selbst bei einer erstmaligen Fahrt könne vom Lenker eine Lastkraftwagens im grenzüberschreitenden Güterverkehr erwartet werden, sich eingehend und umfassend über die bestehenden Rechtsvorschriften Kenntnis zu verschaffen. Gleiches gelte auch für Springer. Wenn sich der Beschwerdeführer darauf berufe, er habe keine Möglichkeit gehabt, den aktuellen Ökopunktestand abzufragen, so sei dies nicht richtig. Es sei amtsbekannt, dass bei der Firma S. von Sonntag 8.00 Uhr durchgehend bis Samstag 16.00 Uhr 24 Stunden am Tag angefragt werden könne, ob das Fahrzeug oder der Frächter im elektronischen Ökopunktesystem gesperrt seien oder nicht. Die Abfrage könne telefonisch oder persönlich erfolgen. Der Frächter sei zum fraglichen Zeitpunkt nicht gesperrt gewesen. Am 30. Jänner 2001 sei keine Einreise des vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeuges erfasst, deshalb seien auch keine Punkte abgebucht worden. Von keiner Ökopunktestation sei an diesem Tag eine Störung bekannt gewesen, die es verhindert hätte, dass eine Fahrt erfasst worden wäre. Die Tatsache, dass der Ecotag nicht an der Scheibe montiert gewesen sei, stelle eine Erklärung dar, warum keine Kommunikation stattgefunden habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer lässt unbestritten, dass er eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durchgeführt habe, und wendet sich auch nicht gegen die maßgebliche Feststellung der belangten Behörde, wonach sich das Ecotag lose am Armaturenbrett befunden habe. Er bringt jedoch vor, dass er in Kenntnis der geltenden Vorschriften gewesen sei und es auf Grund dieser Vorschriften unterlassen habe, das Ecotag anzubringen, weil die Montage autorisierten Stellen vorbehalten sei.

Dem ist entgegenzuhalten, dass von der "Benutzung" eines Umweltdatenträgers im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission nur dann gesprochen werden kann, wenn das Gerät die in den Art. 1 Abs. 2 und 3 sowie in den Anhängen F und G normierten Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehört insbesondere auch die vorschriftsmäßige Montage an der Innenseite der Windschutzscheibe untrennbar mit dem Fahrzeug verbunden, soweit letzteres mit vertretbarem technischem Aufwand realisierbar ist. Diesen Anforderungen hat das Gerät im Beschwerdefall nicht entsprochen. Weder auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach es ihm nicht zuzumuten gewesen sei, vor Eintritt in das Staatsgebiet zu veranlassen, dass ein Vertreter der für die Montage autorisierten Stelle das Bundesgebiet verlasse und zu ihm reise, um das Ecotag zu befestigen, und die autorisierten Stellen solche Kommissionen nicht durchführten, noch sonst ist ein Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die untrennbare Anbringung wie oben beschrieben nur mit einem unvertretbaren technischen Aufwand (vgl. Anhang F der Verordnung) realisierbar gewesen wäre. Es hätte daher gemäß Art. 2 Abs. 1 der genannten Verordnung die erforderliche Anzahl an Ökopunkten auf die Ökokarte aufgeklebt und entwertet werden müssen und der Beschwerdeführer hätte die ihn treffende Verpflichtung gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung erfüllen müssen, was er jedoch nach seinem eigenen Vorbringen nicht getan hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2002, Zl. 2001/03/0016).

Ein zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens an der vorliegenden, als Ungehorsamsdelikt zu qualifizierenden Verwaltungsübertretung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. August 1999, Zl. 99/03/0309) im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG geeignetes Vorbringen hat der Beschwerdeführer nicht erstattet, hat er doch - wie er selbst behauptet - trotz Kenntnis der geltenden Rechtsvorschriften mit einem nicht ordnungsgemäß angebrachten Ecotag die Transitfahrt durchgeführt. Dass der Beschwerdeführer auf die automatische Abbuchungsmöglichkeit vertraut hat, weil bei dem vergleichbaren italienischen System "Telepass" eine Abbuchung sogar dann möglich sein soll, wenn sich das Ecotag im Handschuhfach befindet, vermag nichts daran zu ändern, dass er den Umweltdatenträger nicht iSd. Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission "benutzt" hat. Ausgehend davon erübrigt es sich, auf die weitwendigen Ausführungen einzugehen, ob der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt hätte, den aktuellen Ökopunktestand bei der Firma S. abzufragen.

Vor diesem Hintergrund war die belangte Behörde auch nicht gehalten, die vom Beschwerdeführer verlangten Beweise dazu einzuholen, dass das Ecotag-Gerät, trotz einer der genannten Verordnung nicht entsprechenden Montage korrekt funktioniert habe und die Nichtabbuchung der Ökopunkte "möglicherweise" in den technischen Unzulänglichkeiten des Ecotag-Systems zu suchen sei, weil der Beschwerdeführer damit keinen relevanten Verfahrensmangel aufzeigt.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers geht aus dem Spruch des Berufungsbescheides auch eindeutig hervor, dass das angefochtene erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt, jedoch insoweit konkretisiert wurde, als die Wendung "und dabei kein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine auf die konkrete Fahrt bezughabende österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt (genannt Ökokarte) mitgeführt und auch kein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht (Ecotag), mitgeführt, ....." angefügt wurde. Die Begründung zur Ergänzung des Spruches um den Vorwurf des Fehlens der Ökokarte findet sich bereits in der Anzeige vom 30. Jänner 2001, die in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2001 von der belangten Behörde erörtert wurde. Der Beschwerdeführer ist daher nicht im Recht, wenn er meint, die im Spruch des angefochtenen Bescheides vorgenommene Tatumschreibung verstoße gegen § 44a Z. 1 VStG. Der Verwaltungsgerichtshof vermag keinen derartigen Mangel, der im Übrigen vom Beschwerdeführer nicht näher konkretisiert wurde, zu erkennen. Gleiches gilt für den vom Beschwerdeführer behaupteten, aber ebenfalls nicht näher ausgeführten Begründungsmangel hinsichtlich des von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhaltes.

Der belangten Behörde kann somit nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangte, dass der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Übertretung in subjektiver und objektiver Hinsicht zu verantworten hat.

In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z. 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:

"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z. 8 bezieht."

Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der auf dem Boden dieser Bestimmung getroffene Ausspruch über die im Beschwerdefall verhängte Strafe als inhaltlich rechtswidrig.

Von daher war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. Dezember 2005

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 Spruch der Berufungsbehörde Ergänzungen des Spruches der ersten Instanz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001030352.X00

Im RIS seit

13.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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