TE OGH 1991/4/24 1Ob532/91

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Veröffentlicht am 24.04.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Kellner, Dr. Schiemer und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef T*****, vertreten durch Dr. Josef Peissl, Rechtsanwalt in Köflach, wider die beklagte Partei Maximilian T*****, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch, Dr. Klaus Kollmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 200.000,- samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 30. November 1990, GZ 4 R 75/90-71, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 6. März 1990, GZ 14 Cg 17/89-66, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung:

Die Streitteile, Elfriede O***** und Erna F*****, sind eheliche Kinder des am 7. 8. 1983 verstorbenen Josef T***** sen. Der Nachlaß, bestehend aus einem Bargeldbetrag von S 40.000,-, wurde Elfriede O***** zur Deckung der Begräbniskosten an Zahlungsstatt überlassen.

Mit Notariatsakt vom 27. 11. 1979 hatte der damals nahezu 87jährige Josef T***** sen. dem Beklagten die Liegenschaft EZ 41 KG T***** mit dem Haus M***** 15 im Gesamtausmaß von 25,74 ha, zum größten Teil Forstflächen, übergeben. Diese Liegenschaft war im Verlassenschaftsverfahren nach Leopoldine T*****, der Mutter der Streitteile, verstorben am 11. 8. 1957, zu A 145/57 des Bezirksgerichtes Stainz am 17. 1. 1958 auf S 701.452,08 geschätzt worden. Als Gegenleistung verpflichtete sich der Beklagte, dem Vater das Wohnungsrecht an der eingerichteten Wohnung im Haus samt Beleuchtung, Beheizung und Reinigung einzuräumen; er hatte ihm zuträgliche Kost zuzubereiten, Kleidung und Wäsche zu reinigen und auszubessern, Schuhe zu reinigen und ihn in gesunden und kranken Tagen zu warten und zu pflegen sowie allfällige Botengänge vorzunehmen. Mit Nachtrag zum Übergabsvertrag vom 6. 12. 1979 stellten die Vertragsteile fest, daß der Beklagte (Übernehmer) im väterlichen Betrieb in den Jahren 1970 bis 1979 insgesamt 1272 fm Holz für den Übergeber geschlägert und weiters 100 Arbeitsstunden für Wegebauten auf der Liegenschaft des Übergebers geleistet habe. Hiefür habe er keine Entschädigung erhalten. Als Entschädigungsleistung wurden einvernehmlich S 300,- pro fm Holz und S 50,- pro Arbeitsstunde für den Wegebau bestimmt. Der sich daraus errechnende Gesamtbetrag von S 386.000,- wurde als weitere Gegenleistung des Beklagten als Übernehmer in Anrechnung gebracht.

Der Kläger begehrt aus dem Titel der Verkürzung seines Pflichtteilsanspruches den Zuspruch des Betrages von S 200.000,-

samt Anhang bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft EZ 41 KG T*****. Er brachte, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, vor, es habe sich um eine schenkungsweise Zuwendung an den Beklagten gehandelt, die Übergabe der Liegenschaft EZ 41 KG T***** sei ausdrücklich in Schenkungsabsicht erfolgt. Den vertragschließenden Teilen sei bewußt gewesen, daß durch die Vermögensübergabe eine Benachteiligung des Klägers erfolge. Beim Übergabsnachtrag vom 6. 12. 1978 handle es sich um einen Scheinvertrag, die Leistungen seien schon früher abgegolten worden. Ausgedingsleistungen seien nicht erbracht worden.

Der Beklagte wendete ein, es liege weder Schenkungsabsicht vor, noch habe es sich beim Übergabsnachtrag vom 6. 12. 1979 um einen Scheinvertrag gehandelt. Motiv für den Abschluß des Übergabsvertrages sei gewesen, daß der Beklagte seinen Vater bereits jahrelang betreut habe und ihm zur Seite gestanden sei. So habe er die Liegenschaft des Vaters bearbeitet, Schlägerungsarbeiten verrichtet und den Wald aufgeforstet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, zum Zeitpunkt der Übergabe habe der Verkehrswert der Liegenschaft EZ 41 KG T***** S 2,310.000,-, bei Annahme einer bäuerlichen Hofübergabe S 1,630.000,- betragen. Die vom Beklagten übernommenen Ausgedingsleistungen hätten am Übergabstag unter Berücksichtigung der Lebenserwartung des Übergebers einen Wert von S 61.074,- gehabt. Etwa seit 1970 habe der Beklagte unter Mithilfe seiner Gattin sämtliche Forstarbeiten auf der Liegenschaft EZ 41 KG T***** verrichtet. Er habe auch das Brennholz für seinen Vater aufbereitet und gemeinsam mit ihm einen Forstaufschließungsweg gebaut. Die im Übergabsnachtrag vom 6. 12. 1979 angegebenen Beträge seien angemessen, die Leistungen des Beklagten seien damals noch nicht abgegolten gewesen. Insgesamt stelle der zwischen dem Erblasser und dem Beklagten geschlossene Übergabsvertrag eine bäuerliche Hofübergabe dar. Die vom Kläger behauptete Schenkungsabsicht habe nicht festgestellt werden können. Gegen eine solche spräche insbesondere der Umstand, daß die maßgeblichen Zeugen bekundet hätten, der Erblasser habe mehrfach erklärt, er werde alle Kinder gleich bedenken. Für dieses Motiv sprächen weiters die den Kindern bisher gewährten Zuwendungen. Da keine Schenkungsabsicht erwiesen sei, sei das Klagebegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Revision erklärte es für zulässig. Dem Kläger sei beizupflichten, wenn er die Feststellung des Erstgerichtes, der Übergabsvertrag stelle eine bäuerliche Hofübergabe dar, bekämpfe. Es hätten Feststellungen darüber getroffen werden müssen, ob die derzeit wohl nur forstwirtschaftlich genutzte Liegenschaft objektiv geeignet sei, als ein gemischter, sohin auch landwirtschaftlicher Betrieb eine Bewirtschaftung in der Art zu ermöglichen, daß die vom Gesetz bestimmte Anzahl von Personen daraus erhalten werden könne. Selbst im bejahenden Fall wäre eine analoge Anwendung des § 11 AnerbenG ausgeschlossen, wenn die Erträgnisse der betreffenden Liegenschaft gegenüber einem anderen Einkommen des Übernehmers in den Hintergrund träten. Wäre nach diesen Erwägungen vom Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes und von der Anwendbarkeit des Grundsatzes des Wohlbestehenkönnens auszugehen, so hätte zur Beurteilung der Frage, ob eine den klägerischen Anspruch begründende gemischte Schenkung vorliege, der Sachverständige sodann dazu Stellung nehmen müssen, ob nach der bestehenden bäuerlichen Lebensordnung die Gegenleistung des Hofübernehmers dem ortsüblichen Ausmaß entspreche. Die Feststellungen des Erstgerichtes übernahm das Berufungsgericht. Zur mangelnden Schenkungsabsicht führte es aus, die Ergebnisse des Beweisverfahrens legten den Schluß nahe, daß der Übergeber die Liegenschaft dem Beklagten als Gegenleistung dafür habe übereignen wollen, weil der Beklagte ihn über Jahrzehnte hinweg bei der Führung des zunächst land-, später dann nur mehr forstwirtschaftlichen Betriebes hilfreich zur Seite gestanden sei und er darüber hinaus seine Altersversorgung habe sichern wollen. Aus den Umständen bei der Errichtung des Notariatsaktes bzw. des Nachtrages hiezu und aus deren Inhalt sei eine allenfalls auch nur teilweise verdeckte Schenkung nicht abzuleiten. Die Schenkungsabsicht müsse derjenige behaupten und beweisen, der darauf seinen Anspruch oder seine Einwendungen gründe. Das Erstgericht habe sohin mangels Nachweises der subjektiven Voraussetzungen des Schenkungstatbestandes durch den Kläger das Klagebegehren zu Recht abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Eine gemischte Schenkung liegt dann vor, wenn die Parteien einen aus entgeltlichen und unentgeltlichen Elementen vermischten Vertrag schließen wollten. Wie sich aus § 935 ABGB ergibt, ist entscheidend, ob die Parteien einen Teil der Leistung als geschenkt ansehen wollten, sie sich also des doppelten Charakters des abgeschlossenen Geschäftes als entgeltlichen und unentgeltlichen bewußt gewesen sind (NZ 1989, 98; SZ 59/6 mwN;

Welser in Rummel2 Rz 10 zu § 785 ABGB; Schubert in Rummel2 Rz 9 zu § 938 ABGB; Eccher in Schwimann, ABGB, Rz 4 zu § 785;

Koziol-Welser8 I 193, II 350). Der Schenkungswille kann insbesondere aus einem krassen Mißverhältnis der beiderseitigen Leistungen geschlossen werden (SZ 59/6 mwN). Je größer die Differenz des Wertes der übergebenen Liegenschaft und der zu erbringenden oder, wie hier, bereits teilweise erbrachten Leistungen ist, umso eher wird auf die Schenkungsabsicht zu schließen sein (vgl. Koziol-Welser8 II 350; Schubert aaO). Soweit der Revisionswerber weiterhin behauptet, bei dem Nachtrag zum Übergabsvertrag vom 6. 12. 1979 handle es sich um einen Scheinvertrag, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Aber auch ausgehend von Gegenleistungen in der Höhe von insgesamt S 447.074,- kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob Schenkungsabsicht bestand oder nicht. Eine bäuerliche Hofübergabe, für die nicht der Verkehrswert, sondern ein solcher Wert des übergebenen Gutes anzusetzen wäre, bei dem der Übernehmer wohlbestehen kann, wird nur dann angenommen werden können, wenn den Intentionen des Anerbengesetzes folgend die übergebene Liegenschaft eine behauste, krisenfeste landwirtschaftliche Betriebseinheit darstellte, die im Erbweg daher nicht zersplittert werden soll (SZ 58/206 mwN). Daran mangelt es auf jeden Fall aber dann, wenn - dem Sachverständigengutachten folgend - festgestellt würde, daß ohne entsprechenden Zuerwerb die Betriebseinheit nicht hinlänglich lebensfähig wäre. Ginge man daher von einer Wertdiskrepanz von S 2,310.000,- zu S 447.074,- aus, erreichte der Übergabspreis nicht einmal 20 % des Verkehrswertes der übergebenen Liegenschaft. Die Frage, ob Schenkungsabsicht vorliegt, fällt zwar in das Gebiet der irrevisiblen Tatsachenfeststellungen (SZ 59/6 mwN; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1926), für einen solchen Schluß ist es aber von erheblicher Bedeutung, ob den vertragschließenden Teilen das krasse, objektiv bestehende Mißverhältnis zwischen Wert der übergebenen Liegenschaft und der vereinbarten Gegenleistung auch subjektiv bewußt war (vgl. Schubert aaO Rz 9). Ob der Vater der Streitteile und der Beklagte ein solches Bewußtsein hatten oder ob ein solches ungeachtet des schon im Jahre 1957 anläßlich eines Verlassenschaftsverfahrens geschätzten Verkehrswertes von rund S 700.000,- aus besonderen Gründen nicht vorlag, wurde weder erörtert noch festgestellt. Der Beklagte gesteht nunmehr in seiner Revisionsbeantwortung ausdrücklich zu, daß sich die Vertragspartner des Übergabsvertrages des objektiven Mißverhältnisses der ausgetauschten Werte bewußt waren. Ob unter diesen Voraussetzungen und unter möglichem Wegfall der vom Erstgericht angenommenen bäuerlichen Hofübergabe dennoch keine wohl nur aus besonderen Gründen zu verneinende Schenkungsabsicht vorliegt, werden die Tatsacheninstanzen zu prüfen haben.

Der Revision ist Folge zu geben, die Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 510 Abs.1 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E26432

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00532.91.0424.000

Dokumentnummer

JJT_19910424_OGH0002_0010OB00532_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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