TE OGH 1991/4/30 5Ob14/91

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Veröffentlicht am 30.04.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann in der außerstreitigen Rechtssache der Antragsteller Erich M*****, Madeleine M*****, Manfred L*****, Erika W*****, Alfred S*****, Peter W*****, Rajko D*****, Siegbert K*****, Gerfried M*****, Erika J*****, Johann U*****, Maria U*****, alle ***** L*****, S*****-Straße 14, sämtliche vertreten durch Dr. Reinhold Wolf, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, wider die Antragsgegner Otto G*****, Franz Helmuth K*****, Anton B*****, Hildegard T*****, Irenka R*****, Herbert M*****, Anneliese M*****, Hannelore S*****, Anneliese C*****, Regina M*****, Walter R*****, alle ***** L*****, S*****-Straße 12, Renate B*****, Peter W*****, Gemeinde L*****, Dieter Z*****, Dr. Helmuth P*****, Sieglinde R*****, Edith W*****, Josef W*****, Maria W*****, Ferdinand L*****, Waltraud L***** und Klara T*****, alle ***** L*****, S*****-Straße 13, diese vertreten durch Dr. Dieter Außerladscheider, Rechtsanwalt in Reutte, wegen Feststellung der Zulässigkeit einer geschlossenen Vereinbarung gemäß § 19 Abs 2 Z 1 WEG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 9. Oktober 1990, GZ 1 a R 437/90-9, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Reutte vom 23. Mai 1990, GZ Msch 3/90-3, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Sachbeschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Text

Begründung:

Die Parteien dieses Verfahrens sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** der KG L*****, auf der die Wohnhäuser S*****-Straße 12, 13 und 14 mit insgesamt 30 Wohnungen stehen. Mit denjeweiligen Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum verbunden, das sich in 29 Fällen auch auf die Nutzung von Garagen bzw. Pkw-Abstellplätzen erstreckt.

Die Antragsteller bewohnen das Haus Nr. 14 und benützen die dazugehörigen 10 Garagen; die Antragsgegner haben in den Häusern 12 und 13 eine Tiefgarage mit 19 Pkw-Abstellplätzen zur Verfügung, deren Nutzung ausschließlich ihnen zusteht.

Am 17.11.1987 fand eine Versammlung der Miteigentümer statt, bei der Miteigentümer mit insgesamt 2330/2633-stel Anteilen anwesend waren. Bei dieser Versammlung wurde darüber abgestimmt, ob eine Aufteilung der Betriebs- und Instandhaltunskosten in drei Teilbereiche, und zwar a) sämtliche Wohnungen, b) Tiefgarage und

c) Garagenboxen erfolgen soll. Für eine solche Aufteilung stimmten Eigentümer mit 1780/2633-stel Anteilen, dagegen stimmten Miteigentümer mit 550/2633-stel Anteilen.

Die Antragsteller begehren nunmehr die Feststellung, daß diese mehrheitlich getroffene Vereinbarung zulässig sei, die Antragsgegner sprechen sich dagegen aus, weil ohnehin alle Betriebs- und Instandhaltungskosten, auch jene für die Garagenboxen aus einem einheitlichen Fonds getragen würden.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es vertrat den Standpunkt, daß Garagen keine "Anlagen" iS des § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 seien, für deren Betriebs- und Instandhaltungskosten wegen der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten der Miteigentümer durch Mehrheitsbeschluß ein besonderer Verteilungsschlüssel festgesetzt werden könne. Dazu bedürfte es gemäß § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 einer schriftlichen Vereinbarung aller Miteigentümer.

Infolge Rekurses der Antragsteller hob das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluß auf und verwies die Sache zur allfälligen Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Dabei wurde der Rekurs an den Obersten Grichtshof für zulässig erklärt.

Das Rekursgericht teilte nicht die Ansicht jener Rechtsprechung, die Verwaltungskosten für Abstellplätze und Garagen den nach § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 zu behandelnden Aufwendungen für die Liegenschaft unterstellt (MietSlg 35.640). Zu den in § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 genannten Anlagen, die (fallweise) nicht allen Miteigentümern verhältnismäßig zugute kommen - beispielsweise Personenaufzüge und zentrale Wärmeeversorgungsanlagen - seien nämlich auch Pkw-Abstellplätze und Garagenboxen zu zählen. Sie seien durchaus den "technischen Einrichtungen" der genannten Beispiele vergleichbar, weil etwa Tiefgaragen häufig über eine besondere technische Ausstattung, etwa elektrische Garagentore mit Fernbedienung, Kfz-Hebebühnen und Überwachungsanlagen verfügen. Einer sofortigen Stattgebung des Feststellungsbegehrens stehe jedoch der Umstand entgegen, daß noch geklärt werden müsse, ob die gegenständliche Tiefgarage und die Garagenboxen nicht doch allen Miteigentümern verhältnismäßig zugute kommen. Es fehlten Feststellungen über die bauliche Beschaffenheit der Tiefgarage, insbesondere ob sie einen Zugang zum Haus Nr. 14 eröffne.

Rechtliche Beurteilung

Die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof wurde damit begründet, daß die Judikatur bei der Behandlung der Verwaltungskosten von Garagenanlagen nicht einheitlich sei.

Gegen diesen Beschluß haben die Antragsgegner fristgerecht Rekurs mit der Begründung erhoben, daß es sich bei der Tiefgarage um einen baulichen Teil der Wohnungsanlage handle, die Aufwendungen hiefür also von allen Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu tragen seien. Allenfalls könne für technische Einrichtungen, etwa eine Hebebühne, eine besondere Kostenbeteiligung nach Maßgabe der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten iS des § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 beschlossen werden, doch stehe gar nicht fest (und sei nicht einmal behauptet worden), daß die gegenständliche Tiefgarage über eine derartige Ausstattung verfügt. Der Rekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Antragsteller haben sich an diesem Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.

Der Rekurs ist mangels höchstgerichtlicher Judikatur zur angesprochenen Rechtsfrage zulässig und auch berechtigt.

§ 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 eröffnet die Möglichkeit, für die Betriebs- und Instandhaltungskosten jener Anlagen, die nicht allen Miteigentümern verhältnismäßig zugute kommen, durch einen Beschluß der Mehrheit der Miteigentümer einen besonderen Verteilungsschlüssel nach Maßgabe der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten festzulegen. Die dort angeführten Beispiele (Personenaufzüge und Zentralheizungsanlagen) haben zur verbreiteten Ansicht geführt, darunter seien "technische Einrichtungen" zu verstehen. Tatsächlich besteht das Wesensmerkmal einer "Anlage" iS des § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 nach der Regierungsvorlage und dem Ausschußbericht zum WEG 1975 darin, daß sie bei objektiver Betrachtung nicht für alle Miteigentümer in gleicher Weise benützbar ist (vgl. AB 1681 BlgNR 13. GP mit der Hervorhebung "besonderer" Anlagen). Auf die subjektive Nutzungsmöglichkeit oder gar die tatsächliche Nutzung kommt es daher nicht an (Würth in Rummel II, Rz 3 zu § 19 WEG; MietSlg 33.484 uva, zuletzt 5 Ob 1/89). In der Regel tritt die unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit nach außen hin durch eine spezifische technische Ausstattung in Erscheinung, die auf einen bestimmten Benutzerkreis zugeschnitten ist, weshalb sich die bisher praktizierten oder diskutierten Fallbeispiele vorwiegend mit elektrischen Geräten wie Wasch- und Bügelmaschinen sowie Solarien, Schwimmbädern, Fitnessräumen oder einer beheizbaren Privatzufahrt beschäftigt haben (vgl. Faistenberger-Barta-Call, Kommentar zum WEG 1975, Rz 65 zu § 19; MietSlg 35.639; ImmZ 1986, 82). Das Besondere einer "Anlage" iS des § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 ist jedoch nicht in der technischen Ausstattung an sich, sondern darin zu sehen, daß sie sich für jedermann erkennbar von jenem Liegenschaftszubehör unterscheidet, das allen Miteigentümern in gleicher Weise nützt oder zur Benützung freisteht. Darum sind Teile des auf der Liegenschaft aufgeführten Bauwerks, etwa das Dach einer Tiefgarage, regelmäßig keine Anlagen iS des § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 (WoBl 1991/35 mit zustimmender Anmerkung von Call), ebensowenig die in jedem Haus vorhandenen Ausgestaltungen für die Wasserversorgung, die Rauchgasabführung, die Müllentsorgung und die Stiegenhausbeleuchtung (5 Ob 1/89, NRsp 1989/123); andererseits kann eine Waschküche dazugehören, die einzelne Miteigentümer bei widmungsgemäßer Nutzung der ihnen vorbehaltenen Liegenschaftsteile (Garagen- oder Lagerräume) objektiv gar nicht verwenden können (vgl. MietSlg XXXVIII/20).

Übertragen auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, daß die Festsetzung eines besonderen Verteilungsschlüssels für die Betriebs- und Instandhaltungskosten der Tiefgarage mit den daraus resultierenden Kostenfolgen für die Garagenboxen und Wohnungen gemäß § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 eine schriftliche Vereinbarung aller Miteigentümer erfordert hätte, weil die Tiefgarage als Teil der gemeinsamen Baulichkeit keine Anlage iS des § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 ist. Gleiches gilt folgerichtig für die Garagenboxen. Eine besondere Kostenaufteilung nach der letztgenannten Gesetzesstelle käme allenfalls für Einrichtungen der Tiefgarage in Frage, die bei objektiver Betrachtung nur deren Benützern zugute kommen (etwa die vom Rekursgericht in Erwägung gezogene Hebebühne), doch geht es um derartige Anlagen gar nicht.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Anmerkung

E25986

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00014.91.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19910430_OGH0002_0050OB00014_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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