TE OGH 1991/4/30 10ObS103/91

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Veröffentlicht am 30.04.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Pipin Henzl und Dr. Rudolf Oezelt (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei E***** W*****, vertreten durch den Sachwalter A***** H*****, Verein für Sachwalterschaft, ***** dieser vertreten durch Dr. Manfred Gründler u.a., Referenten der Handelskammer Niederösterreich, Herrengasse 10, 1014 Wien, diese vertreten durch Dr. Hans Pritz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vertreten durch Dr. Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Waisenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Dezember 1990, GZ 32 Rs 208/90-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Juli 1990, GZ 15 b Cgs 303/89-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.623,04,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Bei der am 26. Juni 1928 geborenen Klägerin besteht ein Zustand nach Wachstumsstillstand in der vorpubertären Zeit; sie ist 1,38 m groß. Am 25. Juni 1946 legte sie Matura ab und war in der Folge vom 7. November 1951 bis 30. Juni 1968 als Vertragsbedienstete bei der Finanzlandesdirektion Wien beschäftigt, wobei es im Rahmen des Dienstverhältnisses verschiedene Schwierigkeiten gab, weil die Klägerin nicht voll einsatzfähig war. Das Dienstverhältnis wurde von seiten des Dienstgebers gekündigt. Seither bezieht die Klägerin eine Berufsunfähigkeitspension. Der eheliche Vater der Klägerin, der bei der beklagten Partei versichert war, verstarb am, 28. August 1960. Am 24. August 1988 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Waisenpension. Sie sei niemals erwerbsfähig gewesen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht gab der von der Klägerin gegen diesen Bescheid erhobenen Klage statt und verpflichtete die beklagte Partei, der Klägerin die Waisenpension ab 1. September 1988 zu leisten, wobei es seiner Entscheidung über den eingangs festgestellten Sachverhalt hinaus zugrundelegte, daß der Klägerin schon seit der Pubertät keine geregelte Beschäftigung zugemutet werden konnte. Die Tätigkeit in der Finanzverwaltung habe sie nur auf Kosten ihrer Gesundheit und aufgrund des besonderen Entgegenkommens ihres Dienstgebers verrichten können. Daraus zog das Erstgericht den Schluß, daß die Klägerin bereits seit dem 18. Lebensjahr erwerbsunfähig sei, so daß die Voraussetzungen gemäß § 138 (§ 128 Abs 2 Z 2) GSVG erfüllt seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und erachtete die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für unbedenklich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand der Berufung war ausschließlich die Bekämpfung der Feststellung des Erstgerichtes, daß die Klägerin bereits seit dem 18. Lebensjahr nicht in der Lage gewesen sei, einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, wobei die beklagte Partei sich dagegen wendete, daß das Erstgericht dabei dem Gutachten des Sachverständigen für interne Medizin gefolgt war und die Ansicht vertrat, daß aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen für Neurologie und Psychiatrie die Feststellung zu treffen gewesen wäre und daß die Erwerbsunfähigkeit der Klägerin erst nach dem 18. Lebensjahr eingetreten sei. Ein Verfahrensmangel wurde darin erblickt, daß die Aufklärung der Widersprüche zwischen den Gutachten unterblieben sei und die Ausführungen der rechtlichen Beurteilung beschränkten sich auf die Rüge, daß das Erstgericht zu Unrecht einem unschlüssigen und widersprüchlichen Gutachten gefolgt sei. Die Anfechtung der Würdigung der tatsächlichen Feststellungen des Gutachtens und der zur Gewinnung der Tatsachenfeststellungen vom Sachverständigen angewandten Regeln der Wissenschaft, Sachkunde und Kunstfertigkeit, die ihrerseits Erfahrungsgrundsätze zur Gewinnung des Sachverhaltes darstellen, ist unter dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nur unter der Voraussetzung möglich, daß der Sachverständige bei seinen Schlußfolgerungen gegen zwingende Denkgesetze oder gegen die objektiv überprüfbaren zwingenden Gesetze des sprachlichen Ausdrucks verstoßen hat und dies die Unrichtigkeit des Gutachtens zur Folge haben muß (Fasching Kommentar IV, 336 mwN; SSV-NF 2/74). Solche Umstände wurden aber in der Berufung nicht geltend gemacht. Die Ausführungen beschränkten sich auf die Geltendmachung, daß das Gutachten des Sachverständigen für interne Medizin nicht ausreichend begründet sei. Damit wurde aber weder ein Verstoß gegen die Denkgesetze noch ein Widerspruch gegen zwingende Gesetze sprachlichen Ausdrucks aufgezeigt; die Ausführungen machten daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend, sondern stellten sich wie die übrigen Berufungsausführungen inhaltlich als Beweisrüge dar.

Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, daß der Klägerin die begehrte Leistung zustehe, wenn die Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 18. Lebensjahr eingetreten sei, wurde in der Berufung nicht bekämpft; die beklagte Partei hat dieses Ergebnis zu Beginn ihrer Rechtsmittelausführungen in der Berufung vielmehr ausdrücklich zugestanden. Die Berufung enthält daher keine ordnungsgemäß ausgeführte Rechtsrüge. Da eine in der Berufung unterlassene Rechtsrüge in der Revision nicht nachgetragen werden kann (SSV-NF 1/28 ua), ist es dem Revisionsgericht verwehrt, auf die nunmehr in der Revision erstatteten Ausführungen, mit denen die rechtliche Beurteilung der Sache bekämpft wird, einzugehen.

Die Frage, ob der Umstand, daß die Klägerin nach siebzehnjähriger Berufstätigkeit nunmehr im Bezug einer Alterspension steht, den Anspruch auf Waisenpension grundsätzlich auszuschließen vermag, hat daher unerörtert zu bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Anmerkung

E26077

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00103.91.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19910430_OGH0002_010OBS00103_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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