TE OGH 1991/4/30 5Ob47/91

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Veröffentlicht am 30.04.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 27. Oktober 1982 verstorbenen, zuletzt in *****M*****, wohnhaft gewesenen Ernestine H***** infolge Revisionsrekurses der Dr. Elfriede T*****, vertreten durch Dr. Manfred Opperer, Rechtsanwalt in Telfs, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 7. September 1990, GZ 3 b R 133/90-111, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Telfs vom 17. Juli 1990, GZ A 212/83-107, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der letzte Satz des Punktes VIII. der Versteigerungsbedingungen zu lauten hat:

"Zwischen den Erben ist strittig, ob dem Sohn der Erblasserin ein Mietrecht an dieser Eigentumswohnung zusteht."

Text

Begründung:

Der Nachlaß nach der am 27. Oktober 1982 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Ernestine H***** wurde mit dem erstgerichtlichen Beschluß vom 1. Oktober 1987 dem erblasserischen Sohn Prof. Dipl.Ing. Dr. Walter H***** und der erblasserischen Tochter Dr. Elfriede T*****, die sich auf Grund des Gesetzes je zur Hälfte als Erben erklärt hatten, rechtskräftig eingeantwortet. Mangels Einigung der Erben über die Übernahme der 191/16189-Anteile an der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches L*****, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung W 12 verbunden ist, hat die schon vor der Einantwortung von den Erben beantragte Versteigerung dieser Liegenschaftsanteile gemäß § 8 Abs. 2 WEG (trotz inzwischen erfolgter Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens) schon auf Grund des rechtskräftigen Beschlusses des Landesgerichtes Innsbruck vom 11. August 1989 (ON 95) das Erstgericht als Verlassenschaftsgericht durchzuführen.

Das Erstgericht setzte die Versteigerungsbedingungen für die öffentliche Feilbietung dieser Liegenschaftsanteile dergestalt fest, daß es in Punkt VIII. letzter Satz aussprach, daß Mietrechte an der gegenständlichen Wohnung nicht bestünden. Der erblasserische Sohn hatte nämlich Mietrechte zu seinen Gunsten behauptet, deren Bestehen von der Tochter der Erblasserin bestritten worden war.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Sohnes der Erblasserin, der nur den seine behaupteten Mietrechte betreffenden Satz in den Versteigerungsbedingungen bekämpfte, diese Versteigerungsbedingungen dahin ab, daß der Satz "Mietrechte an der gegenständlichen Wohnung bestehen nicht" ersatzlos zu entfallen habe. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt, daß aber der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

§ 8 Abs 2 WEG sehe für den Fall, daß nach dem Tod des Wohnungseigentümers nach den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens der mit dem Wohnungseigentum verbundene Mindestanteil mehreren Personen, die nicht Ehegatten sind, zufallen würde, vor, daß das Verlassenschaftsgericht eine öffentliche Feilbietung des Mindestanteils und des damit verbundenen Wohnungseigentums durch Versteigerung vorzunehmen habe. Diesem Gesetzesbefehl könne das Verlassenschaftsgericht nur dadurch nachkommen, daß es für sachgerechte Versteigerungsbedingungen sorge, die den Vorstellungen der Beteiligten soweit als möglich Rechnung tragen.

Wenn die Frage des Bestehens eines Bestandrechtes an einer gemäß § 8 Abs 2 WEG zu versteigernden Wohnung zwischen den Erben strittig sei, obliege es nicht dem Verlassenschaftsgericht, diese Frage abschließend zu klären und das Bestehen oder Nichtbestehen eines solchen Bestandrechtes in die Versteigerungsbedingungen aufzunehmen. Grundsätzlich blieben alle Bestimmungen eines Bestandvertrages, soweit sie nicht dessen Dauer betreffen, ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Erwerbers aufrecht, möge es sich um ein verbüchertes oder ein nicht verbüchertes Bestandrecht, um eine freiwillige oder eine zwangsweise gerichtliche Veräußerung des Bestandstückes handeln. Es wäre Sache des Erwerbers der Wohnung, ein vom Erben behauptetes Bestandrecht entweder zu akzeptieren oder im streitigen Verfahren zu bekämpfen. Ein Ausspruch über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Bestandrechtes in den Versteigerungsbedingungen wäre nur dann denkbar, wenn darüber zwischen den gesetzlichen Erben Einigkeit bestünde. Es sei jedoch nicht Aufgabe des Außerstreitgerichtes, einen zwischen den Erben bestehenden Streit über ein solches Mietrecht durch amtswegige Klärung der Frage und Aufnahme des Ergebnisses in die Versteigerungsbedingungen zu beenden.

Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil dieser Entscheidung Bedeutung über den Einzelfall hinaus nicht zukomme.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Tochter der Erblasserin mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß wieder hergestellt wird.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zur Zulässigkeit:

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu der hier zu beantwortenden Frage, ob bei der Versteigerung nach § 8 Abs 2 WEG in die Versteigerungsbedingungen über das Bestehen von Bestandrechten etwas aufzunehmen ist, eine Rechtsprechung fehlt. Es handelt sich keinesfalls bloß um einen Einzelfall, von dem kaum anzunehmen ist, daß er in dieser Form auch weiteren Rechtsstreitigkeiten zugrunde liegen wird.

2.) Zur Sachentscheidung:

§ 8 Abs 2 WEG ordnet die Durchführung der öffentlichen Feilbietung des Mindestanteils an der Liegenschaft und des damit verbundenen Wohnungseigentums unter den in dieser Gesetzesstelle geregelten Voraussetzungen zwingend an. Die Feilbietung hat nach den Vorschriften der §§ 269 ff AußStrG zu erfolgen (Faistenberger-Barta-Call, Kommentar zum WEG 1975, § 8 Rz 19). Die Vorschriften der freiwilligen Feilbietung kommen für dieses Verfahren deswegen in Betracht, weil es sich dabei um die im außerstreitigen Verfahren geregelte Durchführung von Feilbietungen handelt und überdies bei der Versteigerung des Mindestanteils nach § 8 Abs 2 WEG keine Exekution zur Durchsetzung eines Exekutionstitels erfolgt. Das Verlassenschaftsgericht, das die Versteigerung durchführt, tritt gewissermaßen an die Stelle der sonst die Versteigerung freiwillig bewirkenden Miteigentümer. Diese Besonderheit folgt aus der zwingenden Anordnung der Feilbietung, die nicht vom Willen der Betroffenen abhängt. Die Anwendung der §§ 269 ff AußStrG auf die Feilbietung nach § 8 Abs 2 WEG entspricht auch der ausdrücklich erklärten Absicht des Gesetzgebers (240 BlgNR 13. GP, Erläuterungen zu § 8, abgedruckt bei Meinhart, Das Wohnungseigentumsgesetz 1975, 81).

Nach § 277 Abs 1 AußStrG hat daher das Gericht unter anderem insbesondere darüber zu wachen, daß die Bedingungen des Verkaufes bestimmt und deutlich ausgedrückt werden. Daraus folgt, daß in den Versteigerungsbedingungen der für die Kaufinteressenten wesentliche Umstand zum Ausdruck kommen soll, ob die Wohnung vermietet ist oder nicht. Diesbezüglich besteht dann keine Schwierigkeit, wenn diejenigen, in deren Interesse die Versteigerung erfolgt - hier: die Erben - über diesen Umstand eine bestimmte einheitliche Rechtsmeinung haben. Selbst in diesem Fall würde es sich aber immer nur um die Ansicht der Personen handeln, für die die Versteigerung durchgeführt wird, wodurch die Rechte Dritter, die Mietrechte an der Wohnung geltend machen, nicht berührt würden. Der Kaufinteressent müßte daher immer mit der - gegebenenfalls auch erfolgreichen - Geltendmachung von Bestandrechten seitens einer dritten Person rechnen. Solche Bestandrechte müßte er im Falle des Nachweises ihres Bestehens gegen sich gelten lassen. Kann aber über Bestandrechte Dritter an dem nach § 8 Abs 2 WEG zu versteigernden Liegenschaftsanteil im Verlassenschaftsverfahren gewiß nicht bindend entschieden werden, so folgt daraus, daß dies auch im Falle des Streites der Erben selbst über das Bestehen solcher Bestandrechte zu Gunsten eines von ihnen zu gelten hat. Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung GlUNF 1219 hat keinen im wesentlichen gleichartigen Sachverhalt zum Gegenstand. Dort handelt es sich um eine Exekution nach § 352 EO, wobei bei Festsetzung der Versteigerungsbedingungen über die Zubehörseigenschaft bestimmter Gegenstände zu entscheiden war, also über den Gegenstand der Versteigerung selbst, ferner über die Übernahme von dinglichen Rechten durch den Ersteher, die Räumungsfrist der Miteigentümer etc.

Die Bestimmung des § 277 Abs 1 AußStrG erfordert in einem solchen Fall den Hinweis in den Versteigerungsbedingungen, daß das Bestehen eines Bestandrechtes zwischen den Erben strittig ist. Nur so wird nämlich ein Kaufinteressent in die Lage versetzt, nach Einziehung von Erkundigungen entsprechend den Aussichten, in der Bekämpfung des behaupteten Bestandrechtes erfolgreich zu sein, über das von ihm in Erwägung zu ziehende höchste Gebot zu disponieren. Demgemäß ist in die Versteigerungsbedingungen der im Spruch angeführte Satz aufzunehmen.

Dem Revisionsrekurs war daher teilweise Folge zu geben.

Anmerkung

E25993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00047.91.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19910430_OGH0002_0050OB00047_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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