TE OGH 1991/5/7 11Os39/91

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Veröffentlicht am 07.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zacek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael K***** wegen des (Finanz-)Vergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 28. November 1990, GZ 8 Vr 125/89-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner (unzulässigen) Berufung wegen Schuld und der Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael K***** des (Finanz-)Vergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt, weil er in den Jahren 1982 bis 1984 in Eisenstadt vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen eine Verkürzung an bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben bewirkte, und zwar an Umsatzsteuer 906.000 S, an Einkommensteuer 787.208 S und an Gewerbesteuer

292.232 S.

Nach den wesentlichen (Urteils-)Feststellungen war der Angeklagte ab dem Jahr 1981 allein verantwortlicher Inhaber eines Gebäudereinigungsbetriebes mit einem Jahresumsatz von 13 bis 14 Millionen S, dessen finanzielle Lage aber als angespannt galt. Als im Jahr 1986 für den Zeitraum 1982 bis 1984 eine Betriebsprüfung stattfand, stellte der Prüfer fest, daß die Bücher und Aufzeichnungen des Gewerbebetriebes sehr mangelhaft waren und daß für behauptete Privatdarlehen Nachweise fehlten. Da der Angeklagte trotz wiederholter Aufforderungen, die Bücher und Belege vorzulegen und bei der Behörde Aufklärungen zu geben, keine Kooperationsbereitschaft zeigte, wurden die Umsätze geschätzt und den Gewinnen der Jahre 1982 bis 1984 jeweils 10 % der erklärten Erlöse hinzugerechnet, woraus sich nach Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303 Abs. 4 BAO) die oben (pauschal) angeführten Rückstände ergaben. Die Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Diese Feststellungen stützten die Tatrichter, "was den Schuldspruch anlangt, auf die rechtskräftigen Bescheide des Finanzamtes Eisenstadt und, was den Vorsatz anlangt, auf das Verhalten des Angeklagten zu den finanzbehördlichen Verfügungen, worüber der Zeuge G***** (der Prüfer) glaubwürdig Aufschluß gab" (S 87).

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützten Berufung "punkto Nichtigkeit" und einer Berufung "punkto Schuld" an, die sich beide inhaltlich als Nichtigkeitsbeschwerde wegen erheblicher Verfahrensmängel (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO) darstellen und auch zu behandeln sind, weil es nicht auf die richtige ziffermäßige, sondern auf eine deutliche und bestimmte sachliche Bezeichnung des geltendgemachten Nichtigkeitsgrundes ankommt (Mayerhofer-Rieder3 E 52 bis 54 zu § 285 a StPO).

Den Strafausspruch bekämpft der Angeklagte überdies mit Berufung.

Der Verteidiger wies in der Hauptverhandlung darauf hin, daß der Angeklagte für die Jahre 1982 bis 1984 Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen gelegt habe; es sei nur dem Umstand, daß er dem Betriebsprüfer keine Unterlagen vorwies, zuzuschreiben, daß infolge Einschätzung gemäß dem § 184 BAO erst nachträglich Steuerrückstände entstanden; der Angeklagte habe aber keine falschen Erklärungen abgegeben. Zu diesem Beweisthema beantragte er die Einvernahme der Steuerberater Mag. Gerhard M***** und Mag. Walter H***** unter Beiziehung eines Sachverständigen, wozu der Angeklagte die Urkundensammlung, soweit noch vorhanden, vorlegen werde (S 78). Diesen Beweisantrag lehnte das Schöffengericht "im Hinblick auf die ausreichende Beweislage durch die niederschriftliche Aussage des Mag. H*****, welche verlesen wurde", ab (S 80).

Zu Recht erblickt die Verteidigung in dieser Vorgangsweise eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Rechte, weil dem Angeklagten dadurch die Beweisführung verwehrt wurde, daß das Finanzamt zwar auf Grund der Rechtslage (§ 184 BAO) eine Zuschätzung vornahm, daß er aber subjektiv keine unrichtigen Abgabenerklärungen abgegeben hatte.

Wenn sich das Erstgericht (offensichtlich unter Anlehnung an die Judikatur des OGH - EvBl. 1977/166 (verst. Senat),

EvBl. 1979/225, RZ 1989/10 uva) mit dem Hinweis auf die rechtskräftigen Abgabenbescheide begnügt, übersieht es, daß selbst nach diesen (in Lehre und Rechtsprechung nicht unbestrittenen - siehe zB AnwBl. 1989, 687) Entscheidungen die Frage der Zurechnung der strafbaren Handlung in subjektiver Richtung, also die Frage, ob hier die Abgabenhinterziehung unter vorsätzlicher Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht vor sich ging, vom Strafgericht ohne Bindung an die Ergebnisse des Abgabenverfahrens zu entscheiden ist. Daraus erhellt bereits, daß das - tatsächlich Verdacht erregende - Verhalten des Angeklagten Jahre später im Prüfungs- und Abgabenverfahren nicht die alleinige Grundlage für die Beurteilung der subjektiven Tatseite in bezug auf das Finanzvergehen des § 33 Abs. 1 FinStrG bilden kann. Das Schöffengericht durfte daher dem Angeklagten nicht verweigern, daß der Steuerberater M*****, der nach dem Einkommensteuerakt die fraglichen Abgabenerklärungen im Auftrag des Angeklagten erstellt hatte, als Zeuge befragt wird, und es durfte sich auch nicht gegen den Widerspruch des Verteidigers (S 81) mit der Verlesung der Aussage des Steuerberaters H***** im Vorverfahren (ON 8) begnügen. Die in der Hauptverhandlung für die Ablehnung dieser Beweisanträge gegebene und protokollierte Begründung (§ 238 Abs. 1 StPO), die im Urteil selbst keinerlei Niederschlag fand, stellt sich als eklatanter Verstoß gegen das Prinzip der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit des Verfahrens dar, welcher Verstoß auch im Licht des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3

lit. d MRK - ganz unabhängig davon, ob sonst gewichtige Indizien für die Schuld des Angeklagten sprechen - zur Verfahrenserneuerung führen mußte.

Es war daher das angefochtene Urteil - abweichend von der Antragstellung der Generalprokuratur - schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als nichtig zu kassieren und dem Erstgericht die Neudurchführung der Hauptverhandlung aufzutragen (§ 285 e StPO).

Mit seiner - an sich unzulässigen, inhaltlich aber auch die erörterten Verfahrensmängel aufgreifenden - Schuldberufung und der Berufung wegen Strafe war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E26104

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00039.91.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19910507_OGH0002_0110OS00039_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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