TE OGH 1991/5/16 6Ob543/91

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Veröffentlicht am 16.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Viktoria H*****, vertreten durch Dr.***** Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Helene M*****, wegen 110.000 S, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 7.Februar 1991, GZ 41 R 49/91-5, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 6.Dezember 1990, GZ 44 C 683/90-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin als Mieterin einer Wohnung im Hause der Beklagten in W*****, erhob mit ihrer am 6.12.1990 beim Erstgericht eingelangten Klage folgende Begehren:

1.) Es wird der Beklagten gegenüber festgestellt, daß sie schuldig sei, die Elektroinstallation in der Wohnung der Klägerin in einem dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Zustand und entsprechend den ÖVE-Sicherheitsvorschriften auf eigene Kosten durchführen zu lassen;

2.) es wird der Beklagten gegenüber weiters festgestellt, daß diese schuldig sei, nach Durchführung der Elektroinstallation die von der Klägerin im September/Oktober 1990 neu hergestellte Malerei bzw Tapeziererarbeiten ebenfalls auf eigene Kosten neu herzustellen;

3.) in eventu, die Beklagte ist schuldig, der Klägerin einen Betrag von 110.000 S samt 4 % Zinsen seit Klagstag zu bezahlen.

Zur Begründung führte die Klägerin an, daß sie auf Grund der unrichtigen Angaben der Beklagten im Mietvertrag vom 24.8.1990 über die "sehr gute Ausstattung" der Wohnung und deren "Brauchbarkeit" in sämtlichen Räumen die Malerei bzw die Tapeten erneuert habe. Tatsächlich habe sich aber schon nach wenigen Wochen anläßlich eines Stromausfalles herausgestellt, daß die gesamte Elektroinstallation der Wohnung den heutigen technischen Vorschriften bzw Sicherheitsvorschriften in keiner Weise entspreche, da die stromführenden Drähte unverrohrt in den Wänden verlegt worden seien. Da die Beklagte gemäß § 3 MRG zur Erhaltung des Hauses und des Mietgegenstandes im jeweils ortsüblichen Standard verpflichtet sei und eine standardgemäße Neuherstellung der Elektroinstallation rund 80.000 S koste, wozu noch 30.000 S für die Wiederherstellung der mit den Installationsarbeiten zwangsläufig verbundenen Beschädigungen an der neuen Malerei und den Tapeten kämen, die Beklagte aber bisher die Arbeiten trotz Aufforderung noch nicht durchführen lassen habe, werde der ausdrücklich als Hauptbegehren bezeichnete Urteilsantrag zu 1.) und 2.) gestellt sowie das Eventualbegehren zu 3.). Zu letzterem behalte sich die Klägerin das Recht vor, nach Vorliegen eines Sachverständigengutachtens und Durchführung der Arbeiten (offenbar gemeint: zunächst auf Veranlassung der Klägerin selbst und auf deren Kosten) das Hauptbegehren fallen zu lassen und es durch das Eventualbegehren zu ersetzen.

Das Erstgericht wies die Klage gemäß § 42 JN von Amts wegen noch vor Ausschreibung einer Verhandlung wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges mit der Begründung zurück, daß die Durchsetzung der gesetzlichen Erhaltungspflicht (§ 3 MRG) des Vermieters gemäß § 37 Abs 1 Z 2 MRG dem Außerstreitverfahren zugewiesen sei. Der Zurückweisungsbeschluß erwuchs hinsichtlich des Hauptbegehrens zu 1.) und 2.) in Rechtskraft.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem von der Klägerin gegen die Zurückweisung auch des Eventualbegehrens zu

3.) erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 603/88 unter Hinweis auf Fasching (Komm III, 19) und Holzhammer (Österreichisches Zivilprozeßrecht2, 180) sowie auf die Entscheidung 5 Ob 695/82 vertretenen Auffassung, daß über ein Eventualbegehren inhaltlich auch dann abzusprechen sei, wenn das Hauptbegehren zurückgewiesen werde, könne das Rekursgericht in dieser Allgemeinheit nicht folgen. Ein Eventualbegehren als bedingte Prozeßhandlung sei von der innerprozessualen Bedingung abhängig, daß es erst behandelt werden solle, wenn dem Hauptbegehren nicht stattgegeben wird. Als Fall einer objektiven Klagenhäufung könne ein Eventualbegehren mit einem Hauptbegehren nur dann verbunden werden, wenn für beide Ansprüche dieselbe Art des Verfahrens zulässig sei. Werde daher das Hauptbegehren - wie im vorliegenden Fall - rechtskräftig wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges zurückgewiesen, so folge bereits aus dem Grundsatz der prozessualen Akzessorietät des Eventualbegehrens, daß auch dieses als unzulässig zurückzuweisen sei.

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Falle der vom Rekursgericht angesprochenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24.11.1988, 8 Ob 603/88 (teilweise veröffentlicht in MietSlg 40.500) hatte das Erstgericht das auf die Durchführung von Erhaltungsarbeiten des Vermieters gerichtete Hauptbegehren des Mieters und dessen auf Übergabe der Wohnung samt Schlüssel gerichtetes Eventualbegehren abgewiesen, das Berufungsgericht aber aus Anlaß der Berufung des Mieters das Ersturteil und das vorausgegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, daß hier schon über das Hauptbegehren im streitigen Rechtsweg zu entscheiden sei, weshalb auch auf die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes über die Akzessorietät des Eventualbegehrens, womit dessen Zurückweisung begründet worden war, nicht mehr weiter einzugehen sei (insoweit von der Veröffentlichung in MietSlg 40.500 nicht umfaßt). Dennoch bezeichnete der dort erkennende Senat in einem obiter dictum diese Rechtsansicht des Berufungsgerichtes als "mit Lehre (Fasching, Komm III, 19; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2, 180) und Rechtsprechung (5 Ob 695/82) in Widerspruch stehend". Entgegen der Meinung des Klägers kann aber eine derartige Auffassung in dieser Allgemeinheit nicht aufrechterhalten werden. Sie bedarf vielmehr aus folgenden Gründen noch einer näheren Differenzierung:

Auszugehen ist davon, daß die ZPO selbst keine ausdrücklichen Vorschriften über die Zulässigkeit und die Behandlung von Eventualbegehren enthält. Dennoch besteht in Lehre und Rechtsprechung (Fasching, Komm III, 32 ff und Zivilprozeßrecht2 Rz 1133; Holzhammer aaO; EvBl 1964/476; MietSlg 39.750 ua) an der Zulässigkeit einer Eventualklagenhäufung, also der Erhebung mehrerer Klagen gegen dieselbe Person in der Weise, daß ein Klageanspruch (Hauptbegehren) unbedingt und erstrangig erhoben wird und über die weiteren Klageansprüche nur für den Fall des Eintrittes einer oder mehrerer bestimmter Bedingungen verhandelt und entschieden werden soll, kein Zweifel. Es darf aber stets nur eine innerprozessuale Bedingung sein, von deren Eintritt es abhängen soll, ob das Eventualbegehren überhaupt Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung wird. Als solche kommt in erster Linie und praktisch am häufigsten der Fall der Abweisung des Hauptbegehrens in Betracht, doch kann das Eventualbegehren auch (oder nur) für den Fall der Zurückweisung des Hauptbegehrens erhoben werden oder - seltener - sogar für den Fall der Stattgebung des Hauptbegehrens (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1133). In diesem Sinne hat nunmehr auch der Gesetzgeber in § 82 Abs 5 ASGG für bestimmte Sozialleistungsansprüche, nämlich für auf Arbeits-(Dienst-)unfälle oder Berufskrankheiten gestützte Leistungsbegehren, ein gesetzliches Eventualbegehren geschaffen, indem er aussprach, daß ein solches Leistungsbegehren für den Fall seiner Abweisung das Eventualbegehren auf Feststellung einschließt, daß die geltend gemachte Gesundheitsstörung Folge eines Arbeits-(Dienst-)unfalls oder der Berufskrankheit ist (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 2309). Daraus ergibt sich aber bereits, daß die in der Entscheidung 8 Ob 603/88 zitierten Belegstellen anläßlich der Definition des Begriffes "Eventualbegehren" die "Zurück- oder Abweisung des Hauptbegehrens" nur als Beispiele von innerprozessualen Bedingungen nennen, an deren Eintritt der Kläger die Behandlung des von ihm erhobenen Eventualbegehrens knüpfen kann; es wird damit aber keineswegs zum Ausdruck gebracht, daß jedes Eventualbegehren schon per definitionem auch für beide hier genannten Fälle gestellt sein muß. Vielmehr obliegt es dem Kläger, im Einzelfall in der Klage die Bedingung oder diejenigen Bedingungen zu nennen, mit deren - kumulativem oder alternativem - Eintritt er erst die Behandlung seines Eventualbegehrens verknüpft wissen will. Tut er dies nicht, sondern bringt er die Bedingtheit eines weiteren Begehrens nur durch dessen ausdrückliche Bezeichnung als "Eventualbegehren" oder die Worte "in eventu" zum Ausdruck, so folgt daraus, daß es dann nur für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens erhoben ist. Durch eine solche Antragstellung hat der Kläger nämlich bereits klar zum Ausdruck gebracht, daß er primär die aufrechte sachliche Erledigung des Hauptbegehrens wünscht. Eine solche wird aber durch eine Zurückweisung des Hauptbegehrens etwa wegen Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs oder des Rechtswegs schlechthin noch keineswegs endgültig verhindert, weil der Hauptanspruch vom Kläger ja immer noch vor dem zuständigen Gericht, in der richtigen Verfahrensart oder vor der Verwaltungsbehörde durchgesetzt werden kann. Ein in diesem Sinne nur durch seine Bezeichnung als solches erkennbare Eventualbegehren ist daher im Zweifel nicht auch für den Fall der Zurückweisung des Hauptbegehrens gestellt. Im vorliegenden Fall kommt dazu, daß die Klägerin deutlich zu erkennen gegeben hat, daß sie das Eventualbegehren erst dann behandelt wissen will, wenn die Arbeiten, deren Kostenersatz der Gegenstand des Eventualleistungsbegehrens ist, durchgeführt worden sind. Damit hat sie eine ausnahmslos unzulässige außerprozessuale Bedingung (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 758) angesprochen. Der erforderliche innerprozessuale Bedingungszusammenhang wurde aber jedenfalls durch die Zurückweisung des Haupbegehrens wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges endgültig zerrissen, weil die Abweisung eines dem Hauptbegehren entsprechenden Antrages im Außerstreitverfahren eine für das im Prozeßweg geltend gemachte Eventualbegehren außerprozessuale Bedingung darstellt. Es ist daher auch ein für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens gestelltes Eventualbegehren mit der Zurückweisung der Hauptklage als unzulässig zurückzuweisen, weil es ab diesem Augenblick nur mehr mit einer außerprozessualen Bedingung verknüpft wäre.

Dem Revisionsrekurs mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf §§ 40, 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E25995

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00543.91.0516.000

Dokumentnummer

JJT_19910516_OGH0002_0060OB00543_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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