TE OGH 1991/5/17 5Ob24/91

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Veröffentlicht am 17.05.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwarz, Dr. Graf und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Urkundenhinterlegungssache der Antragstellerin Helga F*****, vertreten durch Mag. Robert Perschinka, öffentlicher Notar in Klosterneuburg, wegen Hinterlegung eines Kaufvertrages zum Zwecke der Vormerkung des Eigentums an einem Superädifikat ob der EZ ***** KG ***** infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 22.Jänner 1991, GZ 46 R 2097/90 (Uh 11/91), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 3. Oktober 1990, GZ Uh 55/90-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin hat am 11.9.1990 das auf den Grundstücken ***** der KG ***** errichtete Superädifikat vom Eigentümer gekauft und begehrt nunmehr die Hinterlegung des Kaufvertrages "zum Zweck der Vormerkung des Eigentumserwerbs". Für den unbedingten Rechtserwerb fehlt es nämlich an der Unbedenklichkeitsbescheinigung der Abgabenbehörde.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß im UHG (und zwar im Abschnitt mit den Vorschriften für nichtverbücherte Liegenschaften und Bauwerke) eine Urkundenhinterlegung für den bedingten Rechtserwerb nicht vorgesehen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit dem Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß das UHG eine Urkundenhinterlegung zum Zweck der Vormerkung des Eigentumserwerbs an einem Superädifikat nicht zulasse. Die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des GBG sei nur im Rahmen der ausdrücklichen Verweisungsbestimmungen des UHG (insbesondere §§ 17,34 leg.cit.) möglich. Mit § 24 UHG, der die Urkundenhinterlegung an Stelle einer Vormerkung kenne, lasse sich in diesem Zusammenhang nicht argumentieren, weil es sich dabei um eine Sondervorschrift für den Fall der Vernichtung von Grundbüchern handle. Durch den Ausschluß der Vormerkung im Urkundenhinterlegungsverfahren nach Abschnitt I des UHG sei der Erwerber eines Superädifikats gegenüber dem Erwerber einer verbücherten Liegenschaft zwar benachteiligt, weil er bei Nichtvorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung die Abweisung seines Hinterlegungsantrages riskiere, doch sei dies eine Konsequenz aus den unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen. Bei einer Stattgebung des Hinterlegungsgesuches bliebe auch fraglich, wie die bloße Vormerkung des Eigentumsrechtes "ersichtlich" zu machen wäre, zumal der Rechtserwerb nur durch die Hinterlegung des Kaufvertrages und nicht auch des Hinterlegungsgesuches zu geschehen hätte. Schließlich stehe der begehrten Urkundenhinterlegung entgegen, daß sich die Parteien des Kaufvertrages mit dessen Hinterlegung zum Zweck des Eigentumserwerbs der Käuferin, nicht jedoch zum Zweck der Vormerkung ihres Eigentumsrechtes einverstanden erklärt hätten.

Die Zulassung des Revisionsrekurses begründete das Gericht zweiter Instanz damit, daß eine höchstgerichtliche Judikatur zur Zulässigkeit einer Vormerkung des Eigentumserwerbs an nichtverbücherten Liegenschaften und Bauwerken fehle.

Gegen diesen Beschluß hat die Antragstellerin fristgerecht Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und ihr Hinterlegungsgesuch zu bewilligen.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Antragstellerin ist zuzugeben, daß sich das Argument des Rekursgerichtes, die bloße Vormerkung eines Rechtserwerbs scheitere im Urkundenhinterlegungsverfahren an der technischen Durchführbarkeit, nicht aufrechterhalten läßt. § 24 Abs 1 UHG sieht nämlich bei weitgehend gleichen Verfahrensvorschriften eine die grundbücherliche Vormerkung ersetzende Urkundenhinterlegung für den Fall der Vernichtung von Grundbüchern vor. Die diesbezügliche Anordnung in § 29 Abs 1 UHG, neben den sonstigen Geschäftsstücken auch die Eingaben und die Urschrift des Gerichtsbeschlusses zu hinterlegen, ist aber doch ein Indiz für die Schaffung und Handhabung spezifischer Provisorien bis zur Wiederherstellung vernichteter Grundbücher, weil sie im Abschnitt über den Rechtserwerb an nicht verbücherten Liegenschaften und Bauwerken (§§ 1 bis 20 UHG) fehlt. § 1 Abs 1 UHG begnügt sich vielmehr mit der Hinterlegung der den Rechtserwerb vermittelnden Urkunde, ohne besondere Instrumentarien für die "Ersichtlichmachung" weiterer Voraussetzungen des Übertragungsaktes zur Verfügung zu stellen. § 11 UHG schreibt in diesem Zusammenhang lediglich vor, auf der Urschrift der Urkunde einen Vermerk über den Vollzug der Hinterlegung anzubringen. Die Erwähnung der Vormerkung im zweiten Abschnitt des UHG, die dort - wie andere Hinterlegungsvorgänge nach dem Vorbild von Grundbuchseintragungen - als Provisorium bis zur Wiederherstellung des Grundbuchs gedacht ist, läßt daher keinen sicheren Schluß auf die Absicht des Gesetzgebers zu, die Möglichkeit der Urkundenhinterlegung auch auf Fälle des bedingten Rechtserwerbs an nichtverbücherten Liegenschaften und Bauwerken auszudehnen.

Ein weiteres Argument der Rekurswerberin wurde von der Judikatur schon einmal als unzutreffend erkannt. Sie meint, daß zur Wahrung des Rangprinzipes nicht darauf verzichtet werden könne, die Vormerkung - etwa in den Fällen des § 38 GBG - auch im Wege der Urkundenhinterlegung zuzulassen, übersieht jedoch, daß das UHG in seinem Abschnitt über den Rechtserwerb an nicht verbücherten Liegenschaften und Bauwerken keine generelle Verweisung auf die Vorschriften des GBG enthält. Die Rechtswirkungen einer Urkundenhinterlegung reichen auch nicht an jene einer Grundbuchseintragung heran. Für die Hinterlegung bedarf es nämlich nicht des Nachweises, daß der, gegen den sich der durch die Hinterlegung beabsichtigte Rechtserwerb richtet, Eigentümer der Liegenschaft oder sonst zur Bestellung des Rechtes befugt ist (§ 9 Abs 2 UHG). Das wiederum schließt jegliche positive Publizitätswirkung der Urkundenhinterlegung aus (Klang, Die neuste Regelung der Urkundenhinterlegung, JBl 1927,354). Wo die Grundbuchseintragung diesen Zweck verfolgt, ist die Urkundenhinterlegung kein Ersatz; sie ist daher auf die im Gesetz angeführten Anwendungsfälle beschränkt. Das von der Antragstellerin erwähnte Beispiel einer rangwahrenden Urkundenhinterlegung zur zwangsweisen Vormerkung dinglicher Rechte käme gar nicht in Frage, weil § 38 GBG nur auf verbücherte Liegenschaften Anwendung findet (SZ 6/411; vgl auch Klang II2, 367).

Auch mit dem Hinweis, daß nach der Rechtsmeinung der Vorinstanzen ein Mangel der Aufsandungserklärung oder das Fehlen der Unbedenklichkeitsbescheinigung im Urkundenhinterlegungsverfahren anders behandelt würde als im Grundbuchsverfahren, zeigt die Antragstellerin keine unsachliche Differenzierung auf. Die Schutzfunktion einer rangwahrenden Vormerkung setzt nämlich eine umfassende, die Berechtigung des Vormanns einschließende Überprüfungspflicht des Gerichtes voraus, die für die Bewilligung der Urkundenhinterlegung nicht besteht. Die Nichterwähnung der Vormerkung im ersten Abschnitt des UHG mag daher Nachteile haben und das finanzielle Risiko des Rechtssuchenden erhöhen, ist aber keineswegs system- oder gleichheitswidrig.

Das gewichtigste Argument der Antragstellerin besteht darin, daß § 1 Abs 2 letzter Satz und § 10 Abs 2 UHG (also Vorschriften des ersten Abschnittes über den Rechtserwerb an nichtverbücherten Liegenschaften und Bauwerken) die sinngemäße Anwendung von Bestimmungen des GBG anordnen, die direkt oder indirekt auf die Vormerkung Bezug nehmen (§§ 29,96 und 97 GBG). Auch damit ist jedoch die Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht zu widerlegen:

Schon aus der Einschränkung, die angeführten Vorschriften "sinngemäß" anzuwenden, folgt, daß nur die Übernahme adäquater Bestimmungen des GBG (vorwiegend verfahrensrechtlicher Natur) beabsichtigt war, nicht jedoch eine institutionelle Erweiterung der Hinterlegungsmöglichkeiten (vgl den AB zum UHG, 1145 BlgNR

13. GP, wonach in § 10 Abs 2 UHG nur die in Frage kommenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen hinsichtlich der Beschlußfassung und des Vollzugs der Eintragung ausdrücklich für sinngemäß anwendbar erklärt wurden; andere grundbuchsrechtliche Vorschriften seien allenfalls analog anwendbar). Darum ist etwa die Nichterwähnung des § 438 ABGB in § 1 Abs 1 Z 1 und § 4 Abs 3 UHG aussagekräftiger als die Verweisung des § 1 Abs 2 letzter Satz UHG auf § 29 GBG, in dessen Klammerzitat bei der Festlegung der Rangordnung von Eintragungen neben § 440 ABGB auch § 438 ABGB genannt ist. Auch die Verweisungen auf §§ 93, 95 bis 98, 102 Abs 1 sowie 103 und 104 GBG in § 10 Abs 2 UHG behalten ihren Sinn, wenn der (Mit-)Erwähnung der Vormerkung keine normative Aussage für den Bereich der Urkundenhinterlegung beigelegt wird. Die Antragstellerin erkennt selbst, daß letztlich nur ein Analogieschluß zur Anerkennung der Urkundenhinterlegung als Instrument der Vormerkung führen könnte (S 7 des Revisionsrekurses), doch fehlt es hiefür an der Voraussetzung einer planwidrigen Gesetzeslücke.

Die Gesetzesmaterialien zum UHG (RV in 1106 BlgNR 13.GP; AB 1145 der Beilagen) lassen keinen Zweifel, daß es - ohne wesentliche Rechtsänderungen - die Verordnungen des BMfJustiz vom 18.11.1927 (BGBl Nr.326) und vom 23.11.1927 (BGBl Nr.327) ersetzen sollte, wovon die erste wiederum ihr Vorbild in der Durchführungsverordnung zur 3.Teilnovelle zum ABGB vom 26.3.1916, RGBl Nr.87, hatte. Die beiden Verordnungen aus dem Jahr 1927 hatten durchaus verschiedene Regelungsbereiche: Während sich die erste mit dem Erwerb dinglicher Rechte an nichtverbücherten Liegenschaften und an Bauwerken befaßte, enthielt die zweite Vorschriften für den Fall der Vernichtung von Grundbüchern. Im UHG wurde diesem unterschiedlichen Regelungsbereich durch die Bildung von zwei Abschnitten Rechnung getragen. Die systematische Interpretation einzelner Vorschriften des UHG hat sich daher grundsätzlich im Rahmen des jeweiligen Abschnittes zu halten; die Zulassung der Urkundenhinterlegung an Stelle einer Vormerkung im vernichteten Grundbuch bedeutet nicht, daß die Vormerkung auch als Instrument eines bedingten Rechtserwerbs an nichtverbücherten Liegenschaften und Bauwerken anzuerkennen wäre.

Tatsächlich war ein bedingter Rechtserwerb durch gerichtliche Hinterlegung der Vertragsurkunde in der Verordnung vom 26.3.1916, RGBl Nr.87, nicht vorgesehen. Die Rechtslehre sah in der Zulassung einer die Vormerkung ersetzenden Urkundenhinterlegung durch die Verordnung vom 23.11.1927, BGBl Nr.327, ein völlig neues, auf die Zwecke eines Grundbuchsprovisoriums beschränktes Instrument (vgl Klang aaO, JBl 1927,354). Folgerichtig blieb die Zulassung einer Urkundenhinterlegung zur Vormerkung auf die in der Verordnung BGBl 1927/327 angeführten Fälle beschränkt. Die Möglichkeit einer dem § 438 ABGB entsprechenden Vormerkung nach den Hinterlegungsvorschriften der Verordnung RGBl 1916/87 und der sie ersetzenden Verordnung BGBl 1927/326 wurde zwar erwogen (vgl SZ 6/411), offensichtlich aber nicht praktiziert. Seither hat sich die Rechtslage nur insofern verändert, als weitere dingliche Rechte durch das Instrument der Urkundenhinterlegung erworben werden können (§ 1 Abs 1 Z 1 lit c bis e UHG) und weitere Möglichkeiten der (nicht rechtsbegründenden) Einreihung von Urkunden geschaffen wurden, etwa auch ein Ersatz für die dem Grundbuchsrecht bekannten Anmerkungen und Ersichtlichmachungen (1106 BlgNR 13.GP 7). Der bedingte Rechtserwerb durch eine Vormerkung iS des § 438 ABGB und der §§ 35 ff GBG erfuhr keine Regelung. Die literarischen Äußerungen zum "neuen" UHG gehen denn auch dahin, daß dessen erster Abschnitt Hinterlegungen nur mit den Folgen einer unbedingten Rechtsänderung zuläßt, nicht jedoch an Stelle von Vormerkungen (Hermann, Das neue Urkundenhinterlegungsgesetz, AnwBl 1975,283). Der erkennende Senat schließt sich aus den dargestellten Erwägungen dieser Meinung an.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden, wenngleich die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, die Abweisung des Hinterlegungsgesuches wäre auch durch die auf einen unbedingten statt bloß bedingten Rechtserwerb ausgerichtete Einwilligung zur Hinterlegung gerechtfertigt, nicht geteilt werden kann; die analoge Anwendung der Vorschriften über die grundbücherliche Vormerkung müßte nämlich über § 35 GBG zum Ergebnis führen, daß die Einwilligung zur Einverleibung (also zum unbedingten Rechtserwerb) auch die Vormerkung abdeckt.

Anmerkung

E25959

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00024.91.0517.000

Dokumentnummer

JJT_19910517_OGH0002_0050OB00024_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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