TE OGH 1991/5/23 8Ob543/91

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Veröffentlicht am 23.05.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Johann S*****, vertreten durch Dr. Manfred Trentinaglia und Dr. Clemens Winkler, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die Gegner der gefährdeten Partei 1.) Michael H*****, 2.) Hermann R*****, beide vertreten durch Dr. Herwig Grosch, Dr. Günter Harasser und Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in Kitzbühel, 3.) Anna S*****, 4.) Christian S*****,

5.) Margarethe H*****, 6.) Maria S*****, diese (3.-6.) vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel,

7.) Leonhard G*****, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 15. Februar 1991, GZ 3 b R 13/91-11, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 18. Februar 1990, GZ 2 Nc 45/90-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch K*****, bestehend aus dem Grundstück Nr. *****, auf dem sich das Gasthaus "E*****" befindet. Für diese Liegenschaft ist die Dienstbarkeit der Errichtung und Benützung eines 3 m breiten Fahrweges über den "Güterweg K*****" grundbücherlich einverleibt. Die Antragsgegner sind Eigentümer der Grundstücke, über welche dieser Weg führt. Dieser Weg stellt die einzige Verbindung des Grundstückes der gefährdeten Partei zum öffentlichen Wegenetz dar. Die Gastwirtschaft "E*****" wird vom Antragsteller betrieben. Der Antragsteller und seine Familie wohnen zumindest teilweise in dem Haus, in dem diese Gastwirtschaft betrieben wird.

Im Verfahren zur AZ 4 C 1715/88f des Bezirksgerichtes Kitzbühel wurde rechtskräftig festgestellt, daß die Dienstbarkeit des Antragstellers lediglich zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken besteht. Eine derartige Nutzung des Grundstückes des Antragstellers erfolgt jedoch nicht mehr.

Der Erstantragsgegner widerspricht der Benützung des Güterweges durch den Antragsteller zu anderen als landwirtschaftlichen Zwecken. Bei jedem Zuwiderhandeln setzt er den im Verfahren zur AZ 4 C 1715/88f des Bezirksgerichtes Kitzbühel erwirkten Unterlassungstitel exekutiv durch.

Der Antragsteller beantragte die Einräumung eines Notweges über die Grundstücke der Antragsgegner in Form des Servituts der uneingeschränkten Benützung jenes 3 m breiten, als "Güterweg K*****" bezeichneten, Geh- und Fahrweges, so wie er bereits in der Natur existiert. Zugleich beantragte er die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, daß ihm bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens ein provisorischer Notweg eingeräumt werde. Er brachte vor, eine Erweiterung der bereits bestehenden Wegerechte anzustreben: Der Güterweg solle nicht nur für landwirtschaftliche Bringungen, sondern generell für die Benützung und Bewirtschaftung der Liegenschaft, insbesondere des Gewerbebetriebes, genützt werden dürfen. Da eine landwirtschaftliche Benützugn seiner Liegenschaft nicht mehr in Frage komme, seien ihm und seiner Familie eine Zufahrt nicht möglich. Die Gefährdung sei darin zu erblicken, daß dem Antragsteller und seiner Familie jeder Zugang und jede Zufahrt zu ihrem ordentlichen Wohnsitz von den Antragsgegnern untersagt werden könne. So wären Schulbesuche der Kinder ebensowenig möglich wie etwa auch die Zufahrt eines Arztes; auch der Gasthausbetrieb könne nicht mehr aufrechterhalten werden, falls den Lieferanten eine Zufahrt zum Gasthaus "E*****" verwehrt werde.

Mit Ausnahme des Siebtantragsgegners sprachen sich die Gegner der gefährdeten Partei gegen die Einräumung eines Notweges aus und wendeten unter anderem ein, der Antragsteller habe in K***** ein Haus errichtet, in dem er mit seiner Familie ständig wohne; der Gasthof "E*****" befinde sich in unmittelbarer Nähe der Bergstation des S*****sesselliftes und sei auch früher ausschließlich über diesen Lift versorgt worden.

Unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts räumte das Erstgericht mittels einstweiliger Verfügung der gefährdeten Partei für die Dauer bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über den Notwegeantrag einen provisorischen Notweg über den als "Güterweg K*****" führenden Weg ein, soweit dies zur Bewirtschaftung des auf dem Grundstück ***** in EZ ***** Grundbuch K***** stehenden Gasthauses "E*****" erforderlich ist. Den Gegnern der gefährdeten Partei wurde aufgetragen, die Ausübung dieses Notwegerechtes im genannten Umfang zu dulden. Der gefährdeten Partei wurde der Erlag einer Sicherheit von S 15.000 aufgetragen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, zur Sicherung des Anspruches auf Einräumung eines Notweges könne eine einstweilige Verfügung erlassen werden. Es sei auch evident, daß eine Bewirtschaftung des Gasthausbetriebes ohne Benützung der einzigen Wegeverbindung unmöglich sei; durch den gänzlichen Entfall dieser Erwerbsquelle drohe die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens. Bei einem Anspruch nach § 381 Z 2 EO schade es auch nicht, daß sich die einstweilige Verfügung mit dem im Hauptverfahren angestrebten Ziel decke.

Aufgrund von Rekursen der Erst- bis Sechstantragsgegner wies das Rekursgericht den Sicherungsantrag ab. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Meinung, daß der Antragsteller einen Rechtsgestaltungsanspruch geltend gemacht habe. Zur Sicherung eines derartigen Anspruches könne aber eine einstweilige Verfügung nicht erlassen werden. Der Antragsteller habe auch die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens nicht bescheinigt. Das Gasthaus des Antragstellers könne nicht nur über den Güterweg, sondern auch mittels seines Sesselliftes erreicht werden. Mit einer solchen Aufstiegshilfe könnten die für einen Gastbetrieb benötigten Waren befördert werden. Dies gelte auch für die potentiellen Besucher des Gasthauses "E*****". Eine gewisse Erschwernis könne allenfalls eine Umsatzeinbuße bewirken, Vermögensschäden könnten jedoch grundsätzlich in angemessener Weise durch Geldersatz abgegolten werden.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht mit der Begründung zugelassen, daß mit der Rechtsansicht, bei einem Rechtsgestaltungsanspruch könne keine einstweilige Verfügung begehrt werden, zum Teil von der oberstgerichtlichen Judikatur abgewichen worden sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und dem Sicherungsantrag stattzugeben.

Die Erst- bis Sechstantragsgegner haben Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Antragsteller macht in seinem Rechtsmittel geltend, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch zur Sicherung eines Anspruches auf Einräumung eines Notweges eine einstweilige Verfügung erlassen werden könne. Es sei unrichtig, daß seine Liegenschaft mittels eines Sesselliftes erreichbar ist. Der Sessellift sei nur während der Wintersaison in Betrieb und auch dann nur während eingeschränkter Zeiten für reine Personenbeförderung. Die Kinder seiner Familie könnten den Sessellift zum notwendigen Schulbesuch nicht benützen, da er morgens nicht rechtzeitig in Betrieb genommen werde. Auf die Beförderung von Gütern habe er keinen Rechtsanspruch, in der Zeit vom 15.4. bis 15.12.1991 sei der Lift überhaupt nicht in Betrieb. Dazu komme, daß die Ausstiegsstelle ca 200 bis 300 m vom Gasthaus entfernt sei. Aufgrund des Beschlusses des Rekursgerichtes sei er gezwungen gewesen, unverzüglich den Gasthausbetrieb zu schließen und das Haus mit seiner Familie zu verlassen.

Der Revisionsrekurs ist im Sinne seines im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages (EvBl 1955/188) berechtigt.

Auch zur Sicherung von Ansprüchen, die im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen und dann nach den Grundsätzen der Exekutionsordnung vollstreckbar sind, können einstweilige Verfügungen nach den Verfahrensvorschriften der Exekutionsordnung erlassen werden (EvBl 1971/107; MietSlg 19.036/28; SZ 34/105; JBl 1960, 302; 5 Ob 591/85; Heller-Berger-Stix 2696 f; Rintelen, EV 29 f; Ott Rechtsfürsorgeverfahren 125, 273). Zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung eines Notweges ist daher unter den Voraussetzungen des § 381 EO die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zulässig (JBl 1960, 302, 1 Ob 719/86, Petrasch in Rummel2, Rz 11 zu § 480; Ehrenzweig2 I/2, 348 FN 50; Rintelen aaO 30; Ott aaO 273).

Mit einer einstweiligen Verfügung nach § 381 Z 2 EO kann selbst der endgültigen Entscheidung inhaltlich vorgegriffen werden (JBl 1985, 423; EvBl 1983/144; SZ 55/78; 1 Ob 719/86 ua).

Das Notwegegesetz bezweckt die Ermöglichung oder die Erleichterung der Benützung von Grund und Boden. Dabei kommt nicht nur landwirtschaftliche Benützung in Betracht (JBl 1967, 529; SZ 33/4), sondern jede nach öffentlichrechtlichen Vorschriften zulässige Bewirtschaftungsart (EvBl 1964/181), zB Gewerbebetrieb, sofern der Bedarf für die Liegenschaft und nicht bloß für den einzelnen Eigentümer besteht (JBl 1967, 529) und die Liegenschaft für den Betrieb eingerichtet ist, dieser also nicht ebensogut auf einem anderen Grundstück erfolgen könnte (SZ 33/4). Dient ein Haus der Befriedigung der Wohnbedürfnisse der Antragsteller, steht die für Wohnzwecke erforderliche Zubringung von Lebensmitteln, Haushaltsgegenständen und Brennmaterial sowie die Ermöglichung der Zufahrt für Feuerwehr und Rettung im Zusammenhang mit der ordentlichen Benützung der Liegenschaft (5 Ob 634/76; 1 Ob 40/86; Petrasch, aaO, Rz 6).

Auf der Grundlage der Tatsachen-Feststellungen des Erstgerichtes ist der Anspruch des Antragstellers auf Einräumung eines Notweges bescheinigt. Dies gilt hinsichtlich der Benützung des Gasthauses "E*****" sowohl für private Wohnzwecke als auch für gewerbliche Zwecke (Gasthausbetrieb). Der Bedarf des Antragstellers ist kein bloß bei ihm zutreffender zufälliger, er wird auch für jeden späteren Benützer des Hauses bestehen (JBl 1967, 529); es kann auch der Betrieb der Gastwirtschaft nicht ebenso gut auf einem anderen Grundstück erfolgen (SZ 33/4).

Deckt sich - wie im vorliegenden Fall - der Inhalt der angestrebten einstweiligen Verfügung mit dem Urteilsbegehren, sodaß damit der endgültigen Entscheidung vorgegriffen werden würde, so darf sie nur nach Maßgabe des § 381 Z 2 EO erlassen werde (Heller-Berger-Stix, 2692 f und 2723; MietSlg 30.861;

35.880 uva), wenn sie zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheint. Diese Voraussetzungen müssen von der gefährdeten Partei konkret behauptet und bescheinigt werden (MietSlg 30.862, 34.865, 35.880). Ein unwiederbringlicher Schaden liegt nur dann vor, wenn ein Nachteil an Vermögen, Rechten oder Personen eintritt, die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Schadenersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem verursachten Schaden nicht völlig adäquat ist (Heller-Berger-Stix, 2724; MietSlg 25.618; JBl 1955, 72; MietSlg 35.880; 1 Ob 719/86; 7 Ob 711/87).

Soweit der Antragsteller das Gasthaus "E*****" für Wohnzwecke benützt, ist die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens evident. Schon allein die fehlende Zufahrtsmöglichkeit für Rettung und Feuerwehr hat zur Folge, daß Schäden drohen, die durch Geldersatz nicht adäquat ausgeglichen werden können. Insoweit sind daher die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung bereits gegeben.

Der Sicherungsanspruch des Antragstellers geht jedoch darüber hinaus und richtet sich auf Einräumung eines Notweges auch soweit, als dies zur Bewirtschaftung des Gasthauses "E*****" erforderlich ist. Diesbezüglich liegt die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens nach Ansicht des Antragstellers darin, daß er ohne Einräumung eines Notweges seine einzige, Erwerbsquelle verlöre. Das Rekursgericht hat hingegen die Meinung vertreten, das Gasthaus des Antragstellers könne auch noch mittels eines Sesselliftes erreicht werden und mit diesem sei auch die Beförderung der nötigen Waren und Lieferungen möglich; gleiches gelte auch für potentielle Besucher. Eine allfällige Umsatzeinbuße stelle einen Vermögensschaden dar und könne grundsätzlich in angemessener Weise durch Geldersatz abgegolten werden.

In der Rechtsprechung wurde auch die drohende Gefahr des Verlustes von Kunden als unwiederbringlicher Schaden im Sinne des § 381 Z 2 EO angesehen (vgl SZ 51/20; ÖBl 1974, 14). Die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens muß sich aber aus dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ergeben oder es müssen konkrete Umstände vorliegen, die den Eintritt dieses Nachteiles als wahrscheinlich erscheinen lassen (MietSlg 35.880; 7 *****; 6 Ob 545/88).

Um die Gefahr eines drohenden Kundenverlustes beurteilen zu können, reichen jedoch die Feststellungen dees Erstgerichtes nicht aus. Während der Antragsteller behauptete, der Gasthausbetrieb könne nicht aufrechterhalten werden, falls den Lieferanten die Zufahrt verwehrt werde, brachten die Antragsgegner vor, die Versorgung sei auch durch den Sessellift möglich. Feststellungen darüber wurden nicht getroffen. Wenn auch der Antragsteller schon im Antrag auf Einräumung eines Notweges zugestanden hat, daß sich das Gasthaus in unmittelbarer Nähe der Bergstation des S*****sesselliftes befindet, so ergibt sich daraus - entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht - nicht schon, daß auch eine ausreichende Versorgung möglich ist. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren zu klären haben, ob und inwieweit eine Versorgung über den Sessellift möglich ist und ob der Antragsteller bei Fehlen einer ausreichenden Zufahrtsmöglichkeit den Betrieb sperren oder erheblich einschränken müßte. Sollte dies notwendig sein, so wäre die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens gegeben und die beantragte einstweilige Verfügung zur Gänze zu erlassen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 78 EO, § 52 ZPO.

Anmerkung

E26289

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00543.91.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19910523_OGH0002_0080OB00543_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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