TE OGH 1991/6/4 14Nds20/91

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Veröffentlicht am 04.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wolfgang K***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB, AZ 23 Vr 2.255/90 des Landesgerichtes Linz, über den verneinenden Zuständigkeitsstreit zwischen diesem Gerichtshof und dem Landesgericht für Strafsachen Wien nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Das Strafverfahren steht dem Landesgericht Linz zu.

Text

Gründe:

Wolfgang K***** wurde von der Bundespolizeidirektion Linz am 3. August 1990 bei der Staatsanwaltschaft Linz wegen des Verdachtes des Verbrechens des Betruges nach §§ 146 f. StGB und anderer strafbarer Handlungen angezeigt, weil er im Zusammenhang mit einer Firmengründung zahlreichen Personen Aktienkapital und Geldmittel für stille Beteiligungen herausgelockt habe. Die Staatsanwaltschaft veranlaßte zunächst ergänzende Erhebungen, die am 13.August 1990 bei der Staatsanwaltschaft Linz einlangten (ON 2).

Die Anzeige wurde sodann von der Staatsanwaltschaft Linz am 17. September 1990 der Staatsanwaltschaft Wien abgetreten, weil in bezug auf jenen Betrag, der die Zuständigkeit des Schöffengerichtes begründen könnte, der Tatort Wien sei (AS 3). Der Sachverhalt sei nämlich, soweit Handlungen zum Nachteil der Firma U.*****-AG angezeigt würden, nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB zu beurteilen. Über das Vermögen der Aktionäre habe Wolfgang K***** jedoch als Vorstandsvorsitzender in Wien verfügt. Auch sonst bestehe kein Anhaltspunkt für Linz als Tatort, weil sich der (weitere) Verdacht nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB auf die betrügerische Herauslockung eines Kredites in St.Pölten bezieht.

Die Anzeige geht davon aus, daß Wolfgang K***** als Geschäftsführer einer Filmfirma über eine Steuerberatungskanzlei in Linz an Gerd S*****, den Inhaber einer Finanz- und Anlageberatungs-GesmbH mit dem Plan herangetreten sei, in notleidende Filmproduktionen zu investieren, weil damit große Gewinne zu lukrieren wären. Dazu wurde in Linz die U.*****Filmaktiengesellschaft mit Sitz in Wien gegründet. K***** wurde Vorsitzender des Aufsichtsrats, sein Freund Lutz B***** Vorstand. Zunächst sei ein Aktienkapital von 3,5 Mio S aufgebracht worden, das aber bald wegen Kapitalmangels auch über stille Beteiligungen um 4,640.000 S habe aufgestockt werden müssen. Gegenwerte für das Kapital seien nicht vorhanden. Da noch 4,2 Mio S an Verbindlichkeiten bestünden, wäre von einem "Minuskapital" von 14 Mio S auszugehen.

Darüberhinaus habe K***** bei S***** die Übernahme einer Bürgschaft für einen Kredit der BAWAG St.Pölten von 150.000 S zur Anschaffung eines Computers erwirkt, das Geld jedoch anderweitig verwendet.

Über Antrag der Staatsanwaltschaft Wien hat das Landesgericht für Strafsachen Wien am 5.Oktober 1990 das Verfahren gemäß § 51 Abs. 1 StPO dem Landesgericht Linz abgetreten, weil der Verdacht bestehe, daß K***** schon die Verhandlungen in Linz mit Betrugsvorsatz geführt habe. Die Gespräche, mit denen er Anlegern der Firma F.***** Finanz- und Anlageberatungen in Linz Geld herausgelockt haben soll, hätten in Linz stattgefunden, wo auch die Satzungen der U.*****Filmaktiengesellschaft erstellt worden wären. Aus der späteren Verwendung der Anlagegelder sei auf einen bereits in Linz bestehenden Betrugsvorsatz zu schließen (AS 1).

Über Antrag der Staatsanwaltschaft Linz wurde daraufhin Gerd S***** am 3.Dezember 1990 vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz als Zeuge vernommen (ON 5).

Hierauf beantragte die Staatsanwaltschaft Linz, eine Entscheidung gemäß § 64 StPO durch den Obersten Gerichtshof herbeizuführen. Nach der Verdachtslage sei die Vorgangsweise des Wolfgang K***** in Linz nicht strafbar, weil sie über Vorbesprechungen und die Gründung der Aktiengesellschaft nicht hinausginge, bei der der Beschuldigte ursprünglich keine Organstellung innegehabt habe.

Das Oberlandesgericht Linz schloß sich im wesentlichen dieser (bereits vom Landesgericht Linz übernommenen, AS 3 b) Argumentation an und sprach die Unzuständigkeit des Landesgerichtes Linz aus (ON 6). Der Verdacht, daß schon beim Vorgehen des K***** in Linz Betrugsvorsatz vorgelegen sei, sei unbegründet.

Mit Beschluß vom 15.Feber 1991, 24 Ns 97/91, verneinte das Oberlandesgericht Wien seinerseits die Zuständigkeit des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Nach der Verdachtslage (auch unter Berücksichtigung der einschlägigen schweren strafrechtlichen Vorbelastung des Beschuldigten) seien maßgebliche Tathandlungen bereits im Zuständigkeitsbereich des Landesgerichtes Linz gesetzt worden. Wegen der ersten Untersuchungshandlung dieses Gerichtes (Vernehmung eines Zeugen durch den Untersuchungsrichter) sei dieses im Sinne des § 51 Abs. 2 StPO zuvorgekommen.

Rechtliche Beurteilung

Nach der zutreffenden Auffassung des Oberlandesgerichtes Wien ist bei der Lösung des negativen Kompetenzkonfliktes im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß der Verdacht maßgeblicher Tathandlungen im Zuständigkeitsbereich beider streitverfangenen Gerichtshöfe erster Instanz jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Durch die vorzunehmenden Erhebungen sollen Anhaltspunkte für die Veranlassung des Strafverfahrens wider eine bestimmte Person (oder für die Zurücklegung der Anzeige) erlangt werden. Der solcherart zu untersuchende Sachverhalt kann im derzeitigen Stadium der Kompetenzprüfung noch nicht nach Phasen strafloser Vorbereitungshandlungen und solcher strafbaren Verhaltens differenziert werden, weil die nötigen Anhaltspunkte für das weitere Vorgehen der Anklagebehörde im Sinne des § 88 Abs. 1 StPO erst gewonnen werden müssen. Ist aber nach der Verdachtslage nicht auszuschließen, daß die strafbare Handlung, die zu untersuchen ist, in mehreren Bezirken begangen wurde, oder ist es noch ungewiß, in welchem von mehreren bestimmten Gerichtsbezirken sie begangen worden sei, so entscheidet gemäß § 51 Abs. 2 StPO unter den dadurch in Frage kommenden Gerichten das Zuvorkommen. Zuvorgekommen ist im vorliegenden Fall aber das Landesgericht Linz, das durch die Vernehmung des Zeugen Gerd S***** die erste Untersuchungshandlung vorgenommen hat (vgl SSt 35/28). Das Landesgericht Linz hat also zu Unrecht seine Zuständigkeit abgelehnt, weshalb wie im Spruch zu erkennen war.

Anmerkung

E26136

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:014NDS00020.91.0604.000

Dokumentnummer

JJT_19910604_OGH0002_014NDS00020_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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