TE OGH 1991/6/4 14Os57/91

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Veröffentlicht am 04.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hubert O***** und Melitta O***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 10. Dezember 1990, GZ 29 Vr 870/87-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch der beiden Angeklagten laut den Punkten A und B des Urteilssatzes, demzufolge auch im Strafausspruch, ferner im Ausspruch über die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg sowie im Ausspruch über die Kostenersatzpflicht der Angeklagten Melitta O***** aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Hubert O***** und Melitta O***** der Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 2 StGB (A) und des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB (B), Hubert O***** darüber hinaus der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C/1) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (C/2) schuldig erkannt und zu (teilweise bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafen verurteilt. Die Privatbeteiligten Rosalia Z***** und D***** Allgemeine Versicherungs-AG wurden gemäß § 366 Abs 2 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Als die obbezeichneten Verbrechen liegt den beiden Angeklagten nach dem Inhalt des Schuldspruches zur Last, in Seitenstetten

A) am 4.März 1987 in Gesellschaft als Beteiligte

(§ 12 StGB) an einer eigenen Sache, nämlich an der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Liegenschaft Marktplatz 4 durch Entzünden brennbarer Gegenstände, wobei diese mit alkoholischen Getränken übergossen wurden, eine Feuersbrunst verursacht und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter, nämlich der Rosalia Z*****, des Roman Z*****, der Silke Z*****, der Helga R***** und der Claudia Ü***** (nunmehr G*****) herbeigeführt zu haben; und

B) am 4. und 5.März 1987 im bewußten und gewollten

Zusammenwirken mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, versucht zu haben, Angestellte der D***** Allgemeinen Versicherungs-AG durch Veranlassung der Meldung des Versicherungsfalles nach der zu Punkt A) angeführten Tathandlung, sohin durch Täuschung über die Tatsache der Brandentstehung, zu einer Handlung, nämlich zur Erbringung der Versicherungsleistung zu verleiten, welche die D***** Allgemeine Versicherungs-AG um 4,869.276 S an ihrem Vermögen schädigen sollte.

Diese Teile (A und B) des Schuldspruchs bekämpfen die beiden Angeklagten mit (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden aus den Gründen der Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO. Die übrigen Teile des Schuldspruchs (C/1 und 2) werden von dem davon allein betroffenen Angeklagten Hubert O***** nicht angefochten. Gegen den Strafausspruch haben sowohl die beiden Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ergriffen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden sind schon aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Als Verfahrensmangel (Z 4) machen die Angeklagten u.a. geltend, daß ihr Antrag auf Einvernahme der (Brand-) Sachverständigen Ing. Willibald B***** und Ing. Josef P***** (die der Hauptverhandlung nicht zugezogen worden sind) abgewiesen worden ist. Nach dem Inhalt dieses Antrages sollte damit unter Beweis gestellt werden, daß das Geständnis der Angeklagten Melitta O***** zum Erstbrand sich nicht mit den Wahrnehmungen der Zeugin Ingeborg H***** deckt und auch nicht mit dem Zustand des Barhockers, der vom Sachverständigen Ing. P***** laut seinem eigenen Gutachten besichtigt wurde; weiters, daß der zweite Brand höchstens mit 60 bis 80 % (igen) Alkoholika herbeigeführt worden sein konnte, solche aber im Diskothekenbereich nicht vorhanden waren (S 518). Der Schöffensenat lehnte diesen Beweisantrag mit der Begründung ab, daß die Frage, ob die Aussagen der Angeklagten Melitta O***** und der Zeugin Ingeborg H***** übereinstimmen und ob in der Diskothek Alkoholika mit 60 - 80 Vol.% Alkoholgehalt vorhanden waren, keine Sachverständigenfrage darstellt (S 521). In weiterer Folge wurden die schriftlichen Gutachten der genannten Sachverständigen (Ing. P*****: S 185 ff. in ON 2 und ON 32; Ing. B*****: ON 36) verlesen (S 522).

Dies wäre im gegebenen Fall aber nur mit - nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls auch nachträglich nicht erteilten - ausdrücklichem Einverständnis (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO) der Angeklagten zulässig gewesen, nachdem im Hinblick auf den zuvor gestellten Beweisantrag eine stillschweigende Zustimmung zur Verlesung dieser Gutachten nicht angenommen werden durfte (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 52 zu § 252). Zwar ist die Verletzung der Vorschrift des § 252 Abs 1 Z 4 StPO als solche nicht mit Nichtigkeit bedroht (a.a.O. E 96 zu § 281 Abs 1 Z 4), in Verbindung mit der vorangegangenen Ablehnung des Antrages auf Vernehmung der beiden Sachverständigen aber, deren schriftliche Gutachten als tragende Elemente der Entscheidung zugrunde gelegt worden sind (US 24 ff.), liegt jedoch darin ein Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit, wodurch die Angeklagten in ihrem fundamentalen Verteidigungsrecht verletzt worden sind, zwecks Erläuterung der sie belastenden Gutachten an die Sachverständigen Fragen zu stellen oder stellen zu lassen (EvBl 1967/319, Mayerhofer-Rieder StPO3 E 99 a zu § 281 Abs 1 Z 4; vgl auch Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit d MRK). Ein darauf abzielender Antrag bedarf übrigens im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Bestimmungen des § 252 Abs 1 StPO keiner besonderen Begründung (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 52 zu § 252), weshalb die Argumentation im ablehnenden Zwischenerkenntnis (S 521) ins Leere geht, im übrigen aber auch unzutreffend ist, weil es sich jedenfalls bei der von der Verteidigung im Beweisantrag ersichtlich dahin aufgeworfenen Frage, ob die Wahrnehmungen der Zeugin H***** vom brandtechnischen Standpunkt aus beurteilt mit dem Geständnis der Angeklagten Melitta O***** über die Verursachung des Erstbrandes in Einklang zu bringen sind, sehr wohl um eine Sachverständigenfrage handelt.

Da nicht unzweifelhaft erkennbar ist, daß die aufgezeigte Formverletzung auf die Entscheidung keinen den Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO), war - ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte - den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten sofort Folge zu geben und ein zweiter Rechtsgang anzuordnen (§ 285 e StPO).

Damit erübrigte sich auch eine Entscheidung über die Berufungen.

Anmerkung

E26142

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0140OS00057.91.0604.000

Dokumentnummer

JJT_19910604_OGH0002_0140OS00057_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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