TE OGH 1991/6/6 15Os55/91

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Veröffentlicht am 06.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Springer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Verbrechens des durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 18. März 1991, GZ 37 Vr 168/91-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben; es werden das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I/1 und demzufolge auch im Strafausspruch, im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft und im Adhäsionserkenntnis, soweit es die Privatbeteiligte Petra L***** betrifft, sowie weiters der (mit dem Strafausspruch untrennbar verbundene) Beschluß auf Absehen vom Widerruf der bedingten Entlassung zum AZ 18 Vr 289/85 des Landesgerichtes Salzburg und auf Verlängerung der hiezu gewährten Probezeit auf fünf Jahre aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

III. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung wegen Strafe auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.

IV. Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der Olga U***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

V. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Karl S***** wurde mit dem bekämpften, auch eine Reihe unangefochten gebliebener Freisprüche enthaltenden Urteil des Verbrechens des durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; zwei Privatbeteiligten wurden Entschädigungsbeträge zuerkannt. Zugleich mit dem Urteil wurde vom Schöffengericht der Beschluß gefaßt, vom Widerruf einer bedingten Entlassung des Genannten aus einer Freiheitsstrafe abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Inhaltlich des Schuldspruches liegt dem Angeklagten Karl S***** zur Last, er habe

I. in der Nacht zum 20.Dezember 1990 in S***** fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert nachgenannten Personen durch gewaltsames Entfernen der Gummidichtungen von PKW-Fenstern und Ausheben der Glasfüllungen, sohin durch Einbruch, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. der Petra L***** ein Autoradio im Wert von 1.454 S und

2. der Olga U***** ein Paar Damenlederhandschuhe, Feuerzeuge, Handtücher und Alkoholika im Gesamtwert von ca 1.200 S.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Schuldspruch erhobenen, auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Unberechtigt ist die Verfahrensrüge (Z 4), mit welcher der Beschwerdeführer - nach einer (in diesem Zusammenhang unerheblichen) Polemik gegen die Sicherheitsbehörden und die Staatsanwaltschaft - die Abweisung seiner in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Durchführung eines Ortsaugenscheines und auf Beischaffung seines von der Polizei beschlagnahmten Parkas zu diesem Lokalaugenschein (S 29/II) releviert.

Der Antrag auf Durchführung eines Ortsaugenscheines wurde zum Beweis dafür gestellt, daß die Zeugen K***** und P***** den Angeklagten aus der Wohnung (der P*****) heraus auf Grund der Entfernung nicht hätten erkennen können.

Soweit der Angeklagte in der Nichtigkeitsbeschwerde vorbringt, er habe diesen Antrag zum Beweis dafür gestellt, "daß die Entfernung, in der die Zeugin den Täter gesehen haben will, wesentlich größer war und daß aus dem Suchbild der Zeugin der Täter keinesfalls so eindeutig beobachtet werden konnte, wie die Zeugen angegeben haben", verändert er in unbeachtlicher Weise das von ihm in erster Instanz vorgebrachte Beweisthema. Allein dieses, nämlich die im Zeitpunkt der Antragstellung vorgebrachten Gründe, sind bei Prüfung der Beachtlichkeit eines Beweisantrages maßgeblich (Mayerhofer/Rieder StPO3 E 40 f zu § 281 Abs. 1 Z 4).

Ausgehend von dem in erster Instanz bezeichneten Beweisthema wäre es aber angesichts des Umstandes, daß auf eine vom Zeugen K***** mit rund 6 m (S 119, 142/I, 20/II), oder auf eine von der Zeugin P***** mit 4 m (S 110/I) oder selbst auf eine von dieser Zeugin mit der Länge des erstgerichtlichen Verhandlungssaals geschätzte Entfernung (S 23/II) bei guter Sicht zufolge der Beleuchtung durch eine nahe Straßenlaterne (S 12, 110/I) nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Erkennen einer Person leicht möglich ist, erforderlich gewesen, im Beweisantrag jene besonderen Umstände darzulegen, aus welchen ein solches Erkennen "auf Grund der Entfernung" im speziellen Fall unmöglich gewesen sein sollte. Dies ist jedoch nicht geschehen.

Der Antrag auf Beischaffung des beschlagnahmten Parkas wurde vom Beschwerdeführer mit dem - wie aufgezeigt zu Recht abgewiesenen - Antrag auf Vornahme eines Ortsaugenscheins verknüpft, indem dessen Vorweisung bei diesem Augenschein begehrt wurde (S 29/II); schon deshalb konnte er abgewiesen werden. Abgesehen davon waren die beim Angeklagten vorläufig beschlagnahmten Kleidungsstücke, darunter der Parka (S 14, 125/I), ihm bereits vor der Hauptverhandlung wieder ausgefolgt worden (S 369/I), sodaß es ihm ohnedies freigestanden wäre, den Parka in der Hauptverhandlung vorzuweisen. Schließlich hatte außerdem die Zeugin P***** vor der Sicherheitsbehörde erklärt, daß der Angeklagte anläßlich der vorgenommenen Gegenüberstellung den selben Parka an hatte, den er bei der Tat trug (S 117/I). Wegen des demnach nebensächlichen Details eines aufgenähten Emblems, das der Zeugin nicht auffiel, war die Vorweisung des Parkas nicht notwendig, wie das Schöffengericht zutreffend erkannte (US 19).

Auch die Tatsachenrüge (Z 5 a) versagt hinsichtlich des Schuldspruchfaktums I/2:

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt nur dann vor, wenn gegen die Richtigkeit der wesentlichen Tatsachenfeststellungen erhebliche Bedenken bestehen, die entweder aus schwerwiegenden, die Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung (§§ 3, 232 Abs. 2, 254 StPO) ignorierenden Verfahrensmängeln resultieren oder auf das Außerachtlassen aktenkundiger Beweisergebnisse zurückzuführen sind, die sich bei einer lebensnahen, an den allgemeinen menschlichen Erfahrungen orientierten Beurteilung mit dem festgestellten Sachverhalt nicht oder nur schwer in Einklang bringen lassen. Eine Bekämpfung der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen in Form einer Schuldberufung ist aber nach wie vor unzulässig (EvBl 1988/108, 109, 116; RZ 1990/94 uvam).

Nichts anderes als eine derartige Bekämpfung der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen unternimmt aber der Beschwerdeführer, soweit er die Aussage der Zeugin P***** unter Hervorkehrung von Abweichungen in Details, die vom Schöffengericht ohnedies bei der Beweiswürdigung berücksichtigt wurden (US 14), als unverläßlich darzustellen sucht, wobei er im Bestreben, eine Divergenz zur Aussage des Zeugen K***** aufzuzeigen, außerdem übergeht, daß die Zeugin P***** den Angeklagten nicht nur zusammen mit K***** aus dessen Untermietzimmer beobachtete, sondern ihn zuvor schon allein aus ihrem Zimmer beobachtet und ihm jedenfalls dabei "mitten ins Gesicht" geblickt hatte (S 110, 117, 140/I) und der Täter die zuerst getragene Wollhaube abnahm (S 104/I), weshalb K***** diese nicht mehr wahrnahm.

Daß der Angeklagte bei früher verübten, zu Vorstrafen führenden Einbruchsdiebstählen eine beuteträchtigere Ausführungsweise gewählt hatte, vermag keine erheblichen Bedenken gegen die Konstatierung seiner Täterschaft beim Einbruch in das Auto der Olga U***** zu erwecken; desgleichen nicht der Hinweis auf von Oktay D***** verübte Autoeinbrüche (S 215 ff/I), denn die (eine) frische Fußspur im Schnee, die von Harald T***** und der Besatzung des Funkstreifenwagens L***** verfolgt wurde (S 103, 116/I), führte zum Haus T*****straße 11, in welchem der Beschwerdeführer bei seiner Mutter wohnte, nicht aber D*****, der selbst nach dem Vorbringen des Angeklagten in einem anderen Objekt wohnt (S 12/II).

Nicht auf den Akteninhalt gegründet, sondern diesem geradezu zuwiderlaufend ist die Vermutung des Beschwerdeführers, die Spur könne wegen des Schneefalles nicht "entsprechend erhalten" gewesen sein; denn diese Spur wurde vor dem Wohnhaus des Angeklagten von der Besatzung des Funkstreifenwagens L***** gesichert und abgedeckt sowie fotographiert und sodann genau nach den Einzelmerkmalen der Sohlenmuster beschrieben (S 103, 146/I).

Daß ein eingesetzter Suchhund nach Ende der Spur im Schnee im Haus selbst keine Spur aufnehmen konnte (S 103/I), vermag gleichfalls erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrundegelegten Tatsachenannahmen nicht zu erwecken; ist es doch kriminalistische Erfahrungstatsache, daß die Verfolgung von Spuren durch Suchhunde von der Bodenbeschaffenheit, und zwar vorwiegend von deren Durchsetzung mit organischen Substanzen, abhängig ist, und demnach bei trockenem Asphalt- oder Steinboden (etwa im Inneren eines Hauses wie hier) so gut wie niemals zu einem Erfolg führt und sich eine Fährte selbst auf nassem Asphalt- oder Steinboden nur kurze Zeit hält (Manfred Mülller,

Der leistungsstarke Fährtenhund3, 38 f; Konrad Most, Die Abrichtung des Hundes15, 184 f).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist zur Gänze nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Hiezu wäre nämlich ein Festhalten an dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und dessen Vergleich mit dem materiellen Strafrecht erforderlich (Mayerhofer-Rieder, StPO3, E 26 zu § 281).

Dieses Gebot verfehlt der Beschwerdeführer aber, indem er nach Art einer im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen und daher unzulässigen Schuldberufung erneut die Aussage der Zeugin P***** in Zweifel zu ziehen sucht, gegen die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörde und der Staatsanwaltschaft polemisiert, gegen die Abweisung seines Beweisantrages remonstriert, seine Identifizierung durch die Zeugen in Zweifel zu setzen sucht, Vermutungen darüber anstellt, daß der Schuldspruch eine Mehrheitsentscheidung des Schöffensenates sei, behauptet, daß die Verdachtsmomente für einen Schuldspruch nicht ausreichten, und einen Freispruch "im Zweifel" fordert.

Im Recht ist der Beschwerdeführer jedoch, soweit er seine Verurteilung im Schuldspruchfaktum I/1 - zum Teil zwar verfehlt in seiner Verfahrensrüge, der Sache nach jedoch als Mängelrüge (Z 5) - bekämpft.

Das Schöffengericht stellte hiezu lediglich fest, daß der Angeklagte den Einbruchsdiebstahl aus dem beim Haus G*****straße 7 abgestellt gewesenen PKW der Petra L***** "um diese Tatzeit (des Diebstahls aus dem PKW der U*****) herum" verübte, "wobei nicht festgestellt werden kann, ob kurz zuvor oder danach" (US 12).

Mit der Annahme der Begehung dieses Diebstahls kurz vor jenem aus dem PKW der U***** steht aber - was der Beschwerdeführer zwar nicht moniert, in diesem Zusammenhang aber aufgezeigt sei - schon die weitere Urteilsfeststellung nicht in Einklang, wonach die von Harald T***** und einer Funkstreifenbesatzung (L*****) verfolgte, beim Hauseingang T*****straße 11 endende Spur vom PKW der U***** wegführte und eine weitere Funkstreifenbesatzung (M*****) eine "ebenfalls" vom Tatort wegführende Spur in die G*****straße verfolgte, wo in den PKW der L***** eingebrochen worden war (US 12 f). Angesichts der Erkennbarkeit der Gehrichtung bei Schneespuren bleibt nach der derzeitigen Aktenlage demnach für die erste vom Schöffengericht als möglich gehaltene Variante kein Raum.

Hinsichtlich der zweiten Variante, nämlich daß der Angeklagte nach Verübung des Diebstahls aus dem PKW der U***** in die G*****straße gegangen wäre und dort den Diebstahl zum Nachteil der L***** begangen hätte, wird vom Beschwerdeführer aber zutreffend ein Begründungsmangel aufgezeigt, der darin liegt, daß sich das Schöffengericht überhaupt nicht mit dem Umstand befaßte, daß der nur im Vorverfahren vernommene, die Spur zum Wohnhaus des Angeklagten verfolgende Harald T***** nichts von Wahrnehmungen über einen Diebstahl in der G*****straße berichtete (ebensowenig - was vom Beschwerdeführer allerdings nicht ins Treffen geführt wird - die Besatzung des Funkstreifenwagens L*****).

Dazu kommt - was vom Beschwerdeführer gleichfalls nicht aufgegriffen wird, jedoch beachtlich erscheint -, daß die von der Besatzung des Funkstreifenwagens M***** verfolgte, in die G*****straße zum PKW der L***** führende Fußspur von dort in die B*****straße weiter verfolgt werden konnte, wo sie vor dem Haus Nummer 37 bei Reifenspuren eines (offenbar kurz zuvor von dort weggefahrenen) PKWs endete (S 103/I), was die erhebenden Polizeiorgane zur Vermutung veranlaßte, daß zwei Personen sich getrennt von der T*****gasse (dem Abstellort des PKWs der U*****) wegbegeben haben könnten (S 104/I).

Wenngleich dieser letztbezeichnete, sich aus den Akten ergebende Umstand, der auch Gegenstand der Verlesungen in der Hauptverhandlung war (S 30/II), vom Beschwerdeführer nicht speziell aufgezeigt wird, ergeben sich doch daraus im Verein mit den vom Beschwerdeführer immerhin relevierten Bekundungen des Harald T***** außerdem erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zum Schuldspruchfaktum I/1.

Aus den angeführten Gründen war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schon bei einer nichtöffentlichen Beratung hinsichtlich des Schuldspruchfaktums I/2 zum Teil als offenbar unbegründet, zum Teil als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt zurückzuweisen, während ihr hinsichtlich des Schuldspruchfaktums I/1 Folge zu geben, dieser Schuldspruch zu kassieren und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen war (§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2; § 285 e StPO).

Die Aufhebung des Strafausspruches, des davon abhängigen Ausspruches über die Vorhaftanrechnung, des damit im untrennbaren Sachzusammenhang stehenden Beschlusses über ein Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe und über die Verlängerung der hiefür bestimmten Probezeit (wobei im erneuerten Verfahren das Verbot der reformatio in peius zu beachten sein wird) und des vom Schuldspruch zu I/1 abhängigen Adhäsionserkenntnisses hinsichtlich der Privatbeteiligten L***** ist Folge der Teilkassation.

Zufolge der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde in nichtöffentlicher Sitzung fällt die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der Olga U***** in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E26145

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00055.91.0606.000

Dokumentnummer

JJT_19910606_OGH0002_0150OS00055_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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