TE OGH 1991/6/11 10ObS136/91

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Veröffentlicht am 11.06.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner und Hon.Prof. Dr. Gottfried Winkler (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mariana (Marianne) R*****, Landwirtin, ***** vertreten durch Dr. Peter S. Borowan und Dr. Erich Roppatsch, Rechtsanwälte in Spittal/Drau, wider die beklagte Partei SOZIALVERSICHERUNGSANSTALT DER BAUERN (Landesstelle Kärnten), 1031 Wien, Ghegastraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Feber 1991, GZ 7 Rs 119/90-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 8. August 1990, GZ 32 Cgs 137/90-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 1.2.1929 geborene Klägerin ist seit 19.4.1949 mit dem am 20.10.1919 geborenen Hubert R***** sen. verheiratet. Dieser bewirtschaftete bis Oktober 1979 einen landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Alleineigentümer er war und der zu seiner Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG führte. Mit Pachtvertrag vom 29.10.1979 verpachtete er seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb an seinen Sohn Hubert R***** jun. Er bezieht seit 1.11.1979 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (in den Urteilen der Vorinstanzen unrichtig Erwerbsunfähigkeitspension). Das genannte Pachtverhältnis wurde mit 28.2.1981 wieder aufgelöst; mit 1.3.1981 verpachtete Hubert R***** sen. seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb an die Klägerin.

Mit Bescheid vom 20.3.1989 stellte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Bauern gemäß § 124 a BSVG fest, daß die Klägerin iS des § 124 Abs. 1 BSVG erwerbsunfähig ist. Mit Bescheid vom 25.5.1990 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 16.5.1990 auf Gewährung einer Pension aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit mit folgender Begründung ab: Die Wartezeit gemäß § 111 Abs 3 Z 1 lit. b BSVG zum Stichtag 1.6.1990 sei nicht erfüllt, da in dem unmittelbar vor dem Stichtag liegenden Zeitraum von 316 Kalendermonaten statt den erforderlichen 156 nur 111 (richtig: 110) Versicherungsmonate nachgewiesen werden. Ebenso sei die Wartezeit gemäß § 111 Abs 6 BSVG iVm Art. II Abs. 5 der 8. BSVG-Novelle (ewige Anwartschaft) nicht erfüllt, da am Stichtag anstatt der erforderlichen 180 Beitragsmonate nur 121 Beitragsmonate vorliegen. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Übergangsbestimmungen des Art. II Abs. 7 und 8 der 8. BSVG-Nov. idF der 9. BSVG-Nov. seien nicht erfüllt, da die Betriebsführung durch die Klägerin nicht auf Grund der Inanspruchnahme einer Erwerbsunfähigkeits- oder Alterspension ihres Ehegatten begründet gewesen sei. Pensionsbeginn des Ehegatten sei der 1.11.1979 gewesen. Die Betriebsführung durch die Klägerin sei erst mit 1.3.1981 aufgenommen worden. In der Zeit vom 1.11.1979 bis 28.2.1981 sei der Betrieb von ihrem Sohn auf Grund des mit dem Ehegatten abgeschlossenen Pachtvertrages geführt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage mit dem Begehren, der Klägerin ab 1.6.1990 die Erwerbsunfähigkeitspension gemäß § 124 Abs. 2 BSVG im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für die Wartezeit zu erfüllen. Nach Art. II Abs. 7 der 8. BSVG-Nov. würde die Wartezeit von 96 Versicherungsmonaten ausreichen, wenn der land- und forstwirtschaftliche Betrieb an den Ehegatten vor dem 1.1.1985 verpachtet worden sei. Dem Geetz sei nicht zu entnehmen, daß die Wirtschaftsführung unmittelbar nach der Pensionierung des Ehegatten aufgenommen werden müßte. Außerdem habe die Klägerin die Wirtschaftsführung am 1.1.1990 aufgegeben und den Betrieb ihrem Sohn übergeben.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und trug der beklagten Partei die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von monatlich S 2.200,-- ab 1.6.1990 auf. Es teilte die Rechtsansicht der Klägerin, wonach es im Sinne der zitierten Übergangsbestimmungen genüge, daß ihr der Betrieb vor dem 1.1.1985 übergeben worden sei. Da sie mehr als 96 Versicherungsmonate erworben habe, sei die Wartezeit erfüllt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung der beklagten Partei im Sinne einer Abweisung der Klage ab. Nach ausführlicher Darlegung der historischen Rechtsentwicklung gelangte das Berufungsgericht zu dem Schluß, daß sich die Klägerin nur dann auf die alte Rechtslage (vor dem 1.1.1985) berufen könnte, wenn ihr Ehegatte zur Erfüllung der Voraussetzung des § 121 Abs. 2 BSVG (keine Ausübung einer die Pflichtversicherung in der Sozialversicherung der Bauern begründeten Erwerbstätigkeit am Stichtag) für den Anspruch einer Erwerbsunfähigkeitspension seinen Betrieb an sie vor dem 1.1.1985 verpachtet hätte. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung wäre es daher erforderlich gewesen, daß er ihr die Liegenschaft vor dem 1.11.1979 übergeben, verpachtet oder auf andere Weise zur Bewirtschaftung überlassen hätte. Nur dadurch hätte die Klägerin eine Erwerbsunfähigkeitspension gemäß § 124 Abs. 2 BSVG in Anspruch nehmen können. Die Fristbestimmung "vor dem 1.1.1985" sei eine erforderliche Zäsur gewesen, da die Pensionsreform mit 1.1.1986 in Kraft getreten sei und die Ehegatten nicht mehr im Vertrauen auf die alte Rechtslage disponieren hätten können.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin rügt ausschließlich die Nichtanwendung der Übergangsbestimmung des Art II Abs 7 der 8. BSVG Nov.

Gemäß § 60 Abs. 1 B-PVG (Stammfassung) war für eine Leistung aus dem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit die Wartezeit erfüllt, wenn am Stichtag 60 Versicherungsmonate vorlagen; bei Personen, die erstmalig nach dem vollendeten 50. Lebensjahr und nach dem 31. Dezember 1957 in der landwirtschaftlichen Zuschußrentenversicherung oder in der Pensionsversicherung nach dem B-PVG versicherungspflichtig worden sind, 96 Versicherungsmonate. Im Zusammenhang mit der aus der gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherung übernommenen Erleichterung der Anspruchsvoraussetzungen für die Erwerbsunfähigkeitspension bei Versicherten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und deren persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, ließ sich im Bereich der bäuerlichen Pensionsversicherung, bedingt durch die anders gelagerten Besitz- und Betriebsverhältnisse in der Landwirtschaft eine Entwicklung beobachten, die der vom Gesetzgeber seinerzeit mit dieser Maßnahme verfolgten Zweckbestimmung nicht mehr gerecht wurde. Immer mehr griff in den größenmäßig geeigneten Betrieben die Übung um sich, daß Betriebsführer mit Erreichung des 55. Lebensjahres den landwirtschaftlichen Betrieb an die Ehegattin verpachteten und die begünstigte Erwerbsunfähigkeitspension in Anspruch nahmen. Die Ehegattin wurde damit Betriebsführer, erwarb Versicherungszeiten und hatte, ohne daß sich an den tatsächlichen Arbeitsverhältnissen am Hof etwas geändert hätte, oftmals nach fünf Jahren die Wartezeit für eine eigene Erwerbsunfähigkeitspension erfüllt. Um eine solche Entwicklung einzudämmen, sollte nach der RV zur 6. B-PVG-Novelle nach der in der Neufassung des § 60 Abs. 3 vorgesehenen Regelung solche durch Pachtverhältnisse zwischen Verwandten und Ehegatten zustande gekommenen Versicherungszeiten für die Erfüllung der Wartezeit für die Erwerbsunfähigkeitspension nur zur Hälfte zählen, so daß für die Erlangung einer solchen Pension eine Wartezeit von mindestens 10 Versicherungsjahren erforderlich sein sollte (643 BlgNR 14. GP 7). Nach dem Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung ergab eine neuerliche Überprüfung der in der RV vorgesehenen Regelung, daß sie einerseits der damit verfolgten Absicht, eine ungerechtfertigte Mehrbelastung der Versichertengemeinschaft zu verhindern, nicht voll gerecht werde, andererseits aber auch Fälle erfaßte, bei denen ihre Anwendung eine echte Härte bedeute. Die Neufassung dieser Bestimmung sollte den aufgetretenen Bedenken Rechnung tragen und daher nicht nur bei der vom Versicherten in Anspruch genommenen Erwerbsunfähigkeitspension, sondern auch bei der vorzeitigen Alterspension Anwendung finden, weil auch hier die Möglichkeit besteht, durch eine formelle Betriebsübergabe einerseits die Anspruchsvoraussetzungen in der eigenen Person zu erfüllen und gleichzeitig die Anspruchsvoraussetzungen für eine Erwerbsunfähigkeitspension der Ehegattin zu schaffen, ohne daß sich an den tatsächlichen Betriebsverhältnissen etwas ändert. Sie sollte allerdings nur in den Fällen wirksam werden, in denen für die Ehegattin eine Leistung aus dem Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit iS des § 70 Abs. 1 zweiter Satz B-PVG in Betracht kam. Weiters sollte die Regelung nicht nur auf die Verpachtung beschränkt, sondern auf jede Art der Überlassung des Betriebes zur Bewirtschaftung ausgedehnt werden. Die Regelung sollte überdies zur Vermeidung echter Härtefälle auf die Ehegattin des Versicherten eingeschränkt bleiben. Abweichend von der Fassung der RV wurde schließlich die Sonderregelung nicht mehr in Form einer Minderbewertung der erworbenen Versicherungszeiten in zeitlicher Hinsicht, sondern in Form der Einführung einer besonderen Wartezeit für diese Fälle getroffen (716 BlgNR 14. GP). Die Bestimmung des § 60 Abs. 3 B-PVG idF der 6. Novelle wurde im wesentlichen in die Stammfassung des BSVG (§ 111 Abs 3) übernommen. Die hier wesentliche Passage aus § 111 Abs. 3 BSVG idF der 1. Novelle lautete: "Hat ein Versicherter zur Erfüllung der Voraussetzung a) des § 121 Abs. 2 für den Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitspension auf Grund einer Erwerbsunfähigkeit iS des § 124 Abs. 2 oder b) des § 122 Abs. 1 lit. d seinen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb an seinen Ehegatten übergeben, verpachtet oder auf andere Weise zur Bewirtschaftung überlassen, so beträgt die Wartezeit für eine für den Ehegatten in Betracht kommende Leistung aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit iS des § 124 Abs. 2 96 Versicherungsmonate". Dieses System der Wartezeit wurde durch die 8. BSVG-Novelle grundlegend geändert. Dabei hatte die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer Österreichs im Begutachtungsverfahren darauf hingewiesen, daß die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der Wartezeit besondere Härten, vor allem in jenen Fällen mit sich brächten, in denen schon bisher im Zusammenhang mit der Übergabe des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes an den Ehegatten strengere Voraussetzungen bezüglich der Wartezeit für eine Leistung aus dem Versicherungsfall der dauernden Erwerbsunfähigkeit iS des § 124 Abs. 2 BSVG an den Ehegatten bestanden haben. Die Übernahme und Fortführung des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes durch den Ehegatten ist in der Regel im Vertrauen auf die geltende Rechtslage erfolgt, eine allfällige Leistung gemäß § 124 Abs. 2 BSVG nach Erfüllung der Wartezeit von 96 Versicherungsmonaten in Anspruch nehmen zu können. Dem begründeten Vorbringen, das einen Sonderfall der Wartezeitregelung in der bäuerlichen Pensionsversicherung berührte, sollte im Übergangsrecht der Novelle dadurch Rechnung getragen werden, daß eine Weitergeltung der alten Rechtslage hinsichtlich des Ausmaßes der Wartezeit in allen jenen Fällen vorgesehen wurde, in denen der land(forst)wirtschaftliche Betrieb vor dem 1.1.1985 an den Ehegatten übergeben worden ist (329 BlgNR 16. GP, 11). Die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 7 der 8. BSVG-Novelle entspricht daher im wesentlichen der Rechtslage des § 111 BSVG idF der 1. Novelle. Sie würde im Fall der Klägerin eine Erleichterung der Erfüllung der Wartezeit bedeuten, weil sie nur 96 Versicherungsmonate nachweisen müßte (vgl. 12.2.1991, 10 Ob S 47/91).

Die Anwendung des Art. II Abs. 7 der 8. BSVG-Novelle auf die Klägerin scheitert aber daran, daß der land(forst)wirtschaftliche Betrieb an sie nicht "zur Erfüllung der Voraussetzung des § 121 Abs. 2 BSVG ... oder des § 122 Abs. 1 lit. d BSVG" übergeben, verpachtet oder zur Bewirtschaftung überlassen wurde. Wie oben dargestellt, wurde dem am 20.10.1919 geborenen Ehegatten der Klägerin ab 1.11.1979 (also nach Vollendung seines 60. Lebensjahres), die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zuerkannt. Voraussetzung hiefür war unter anderem, daß er am Stichtag weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig war und auch am Stichtag keine die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem BSVG begründende Erwerbstätigkeit ausübte. Um diese Voraussetzungen zu erfüllen, verpachtete der Ehegatte der Klägerin seinen gesamten Betrieb an seinen Sohn. Daß dieser Pachtvertrag nach zwei Jahren wieder aufgelöst und der Betrieb nunmehr an die Klägerin verpachtet wurde, hatte mit der Erfüllung der Voraussetzung für eine Pensionsgewährung an den Ehegatten der Klägerin nichts mehr zu tun. Nach dem klaren Wortlaut der zitierten Bestimmung wäre die Klägerin nur dann im Vertrauen auf die alte Rechtslage geschützt gewesen, wenn ihr Ehegatte den Betrieb an sie übergeben hätte, damit er die Voraussetzungen für die Erlangung einer vorzeitigen Alterspension erfüllte. Dies war aber nach den Feststellungen nicht der Fall, was von der Revisionswerberin offenbar übersehen wird. Es trifft zu, daß in den zitierten Übergangsbestimmungen die Begriffe "unmittelbare" oder "unverzügliche" Übergabe an den Ehegatten nicht enthalten sind, doch wird gefordert, daß die Übergabe des Betriebes an den Ehegatten "zur Erfüllung" der Voraussetzungen für eigene Pensionsansprüche erfolgt sein mußte. Da sich die Klägerin also nicht auf die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 7 der 8. BSVG-Novelle berufen kann, ergibt sich, daß sie die für die Erwerbsunfähigkeitspension erforderliche Wartezeit nicht erfüllt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

Anmerkung

E26359

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00136.91.0611.000

Dokumentnummer

JJT_19910611_OGH0002_010OBS00136_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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