TE OGH 1991/6/11 5Ob521/91

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Veröffentlicht am 11.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz K*****, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C***** Wohnbauges.m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Helmut Trenkwalder, Rechtsanwalt in Linz, und auf deren Seite als Nebenintervenientin F***** Aktiengesellschaft, Bauunternehmung, ***** vertreten durch Dr. Ludwig Pramer, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 251.700 sA und Feststellung (Streitwert S 30.000), Gesamtstreitwert S 281.700, infolge Rekurses der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Jänner 1991, GZ 18 R 241/90-21, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11. September 1990, GZ 21 Cg 72/89-16, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als Kosten des weiteren Verfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei wurde am 18. Dezember 1985 von der Miteigentümergemeinschaft des Hauses B*****gasse 21 in Wien mit Instandsetzungs- und Ausbauarbeiten beauftragt. Dieser Auftrag machte sie zum Generalunternehmer und umfaßte alle Lieferungen und Leistungen zur Erstellung eines funktionsfähigen und abnahmereifen Bauvorhabens.

Gemäß § 5 des Vertrages war die beklagte Partei berechtigt, sich zur Durchführung des Auftrages eines Subunternehmers zu bedienen, auch eines einzigen, der die Arbeiten im Verhältnis zu ihr als Generalunternehmer ausführt. Die Auftragsweitergabe durfte aber nur an ein konzessioniertes oder mehrere konzessionierte Unternehmen erfolgen.

Bezüglich "Haftung/Versicherung" wurde in § 7 folgendes vereinbart:

"1. Der Generalunternehmer trägt die Gefahr für das gesamte Bauvorhaben bis zur Abnahme, mit Ausnahme der Gefahr des zufälligen Untergangs. Er übt das Hausrecht auf der Baustelle aus.

2. Der Generalunternehmer haftet für Schäden, die dem Bauherrn oder einem Dritten entstehen und durch den Generalunternehmer, seinen Beauftragten oder die von ihm auf der Baustelle geduldeten Personen durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verschuldet werden, wenn diese in der abzuschließenden Bauwesenversicherung Deckung finden; die Schadenersatzleistung umfaßt jedoch keinesfalls entgangenen Gewinn oder den Ersatz für den Verlust steuerlicher Begünstigungen und steuerlicher Vorteile.

3. Der Generalunternehmer verpflichtet sich, auf seine Kosten eine Bauwesenversicherung über S 11,500.000 (incl. Altbestand) abzuschließen, die einen Versicherungsschutz für Feuer, Leitungswasser und Stromschäden beinhaltet."

Am 12.Februar 1986 übertrug die beklagte Partei diesen Bauauftrag der Nebenintervenientin. Diese übernahm die "schlüsselfertige und betriebsbereite Herstellung der gesamten Instandhaltungs-, Ausbau- und Umbauarbeiten" des Bauvorhabens "als Generalunternehmer" und beauftragte ihrerseits die Fa.J. M***** Baugesellschaft m.b.H. mit der Ausführung der Bauarbeiten.

Der Kläger, ein Postbediensteter, behauptet, am 19. August 1986 anläßlich einer Paketzustellung im fraglichen Haus auf der Stiege gestürzt zu sein und sich dabei verletzt zu haben, wofür er von der beklagten Partei S 251.700 Schadenersatz und dazu noch die Feststellung der Haftung für künftige Schäden begehrt. Der Sturz sei auf die starke Verschmutzung des Stiegenhauses während der Sanierungsarbeiten zurückzuführen, wofür die beklagte Partei die Verantwortung trage, weil sie für ein gefahrloses Passieren der Eigentümer und Besucher des Hauses hätte sorgen müssen. Derartige Schutz- und Sorgfaltspflichten bestünden nicht nur dem Vertragspartner (also den Hauseigentümern) gegenüber, sondern auch zugunsten Dritter, die der vertraglichen Leistung nahestehen. Die Weitergabe des Bauauftrags an andere Unternehmer befreie die beklagte Partei nicht von ihrer Haftung, weil sie ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt und überdies untüchtige Personen beschäftigt habe, wie sich schon aus der unzumutbaren Verschmutzung der allgemein zugänglichen Teile des Hauses und der eklatanten Gefährdung der Hauseigentümer sowie ihrer Besucher ergebe.

Die Beklagte bestritt ihre Schadenersatzpflicht vor allem mit dem Hinweis, den Generalunternehmerauftrag an die Nebenintervenientin weitergegeben zu haben und mit keinerlei Arbeiten an der Unfallstelle befaßt gewesen zu sein. Die Nebenintervenientin wiederum verwies auf die Weitergabe der im Unfallszeitpunkt konkret durchgeführten Arbeiten an die Fa. J. M***** Baugesellschaft m.b.H., die sich verpflichtet habe, alle baupolizeilichen und sonstigen behördlichen Vorschriften sowie die Auflagen des Baubescheides einzuhalten und für die von ihrem Personal verschuldeten Schäden einzustehen. Da es sich bei dieser Gesellschaft um ein konzessioniertes Bauunternehmen handle, habe keine weitere Überprüfungspflicht bestanden. Eine erweiterte Vertragshaftung zugunsten des Klägers scheide aus und damit auch eine Haftung iS des § 1313 a ABGB. Aus diesen Gründen beantragten sowohl die beklagte Partei als auch die Nebenintervenientin die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Grund des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts ab, ohne sich mit weiteren Tatfragen zu beschäftigen. Es begründete seine Entscheidung damit, daß zwischen dem Kläger und der beklagten Partei kein Vertragsverhältnis bestanden habe und dementsprechend auch eine Erfüllungsgehilfenhaftung auszuschließen sei. Von einem Auswahlverschulden der beklagten Partei könne angesichts der Überbindung des Auftrags an ein konzessioniertes Unternehmen keine Rede sein. Auch eine deliktische Haftung wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten komme nicht in Frage, weil ja nicht die beklagte Partei, sondern die Fa. J. M***** Baugesellschaft m.b.H. auf der Baustelle gearbeitet habe. Eine Aufsichtspflicht der beklagten Partei gegenüber diesem von der Nebenintervenientin beauftragten Subunternehmer sei zu verneinen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung Folge, hob das klagsabweisende Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück, erklärte allerdings den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, um die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der letztlich angenommenen Erfüllungsgehilfenhaftung der beklagten Partei zu klären.

In der Sache selbst verwarf das Berufungsgericht zunächst den Einwand der beklagten Partei, die im Generalunternehmervertrag vereinbarte Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit wirke auch gegen den Kläger. Diese Vereinbarung binde zwar die Bauherrn als unmittelbare Vertragspartner der beklagten Partei, könne aber nicht zu Lasten Dritter gehen und schon gar nicht die deliktische Haftung auf Grund des Gesetzes ausschließen. Komme daher dem Kläger als geschütztem Dritten die erweiterte Vertragshaftung zugute, dann sei diese nicht auf die Schuldformen des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit beschränkt.

Im konkreten Fall habe die beklagte Partei von ihrem vertraglich eingeräumten Recht Gebrauch gemacht, die geschuldete Leistung durch Subunternehmer erbringen zu lassen. Derartige Hilfspersonen seien Erfüllungsgehilfen iS des § 1313a ABGB, und zwar unabhängig davon, ob sie selbständige Unternehmer sind oder nicht. Demnach habe die beklagte Partei für die Nebenintervenientin und die Fa. J. M***** Baugesellschaft m.b.H. einzustehen (vgl. JBl 1986, 789).

Schon die Hauseigentümer seien verpflichtet, Gänge und Treppen in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu halten (SZ 43/204; EvBl 1974/248 ua), was umso mehr für die Errichtung einer Baustelle und Bauarbeiten in einem Stiegenhaus zutreffe. Im Generalunternehmervertrag seien diese ineinanderfließenden Verkehrssicherungspflichten mit Schutzwirkung für Dritte auf die beklagte Partei übertragen worden. Dem Kläger, der als Postbediensteter Hauszustellungen vorzunehmen hatte, kämen diese Schutzwirkungen zugute, weil er der Vertragsleistung "nahegestanden sei" (vgl. JBl 1976, 210). Darüber hinaus hätten aber bei einer im weitesten Sinn gefährlich eingerichteten Baustelle allgemeine Verkehrssicherungspflichten bestanden, da das Stiegenhaus eines mehrstöckigen Hauses gewöhnlich dem "Verkehr für Menschen" diene. Derartige Verkehrssicherungspflichten seien auch demgegenüber wahrzunehmen, zu dem keine vertragliche Bindung besteht, sei es auch nur als Nebenverpflichtung (vgl. RZ 1976/40).

Daraus folge, daß die Fa. J. M***** Baugesellschaft m.b.H. für ein schuldhaftes schädigendes Verhalten zu haften hätte, dazu aber auch jeder Vordermann, insbesondere die beklagte Partei (vgl. 8 Ob 652/90). Dies bewirke keine unzumutbare Ausdehnung von haftungsbegründenden Tatbeständen, sondern ergebe sich letztlich aus der Kette von Übertragungen der Baumeisterarbeiten, deren Bindeglied zwischen den Beteiligten sowohl bei vertraglicher als auch bei deliktischer Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht § 1313a ABGB sei. Auch die beklagte Partei sei daher bezüglich des eingeklagten Schadenersatzanspruches passiv legitimiert. Die noch ausstehende Erörterung weiterer Haftungsgrundlagen zwinge zu einer Verfahrensergänzung.

Die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Anwendungsbereich des § 1313a ABGB bezüglich vertraglicher und deliktischer Verkehrssicherungspflichten in Judikatur und Lehre nicht zweifelsfrei geklärt sei. Die konkrete Fallgestaltung ermöglichte eine geradezu unbegrenzte Weitergabe der mit dem Bauauftrag übernommenen Verpflichtungen, sodaß es für einen Dritten geradezu unmöglich gewesen sei, die vertraglichen Verkettungen festzustellen. Daß die beklagte Partei die Pflichten eines "Generalunternehmers" hatte, sei nach Meinung des Berufungsgerichtes ein ausreichender Haftungszurechnungsgrund; ihr bliebe im internen Verhältnis die Möglichkeit des Regresses beim tatsächlichen Schädiger. Inwieweit § 1313a ABGB eine vertragliche Leistungspflicht voraussetzt, ob eine solche dem Kläger gegenüber als Nebenverbindlichkeit bestand oder die Erfüllungsgehilfenhaftung an sich schon ein taugliches Bindeglied zwischen mehreren in Frage kommenden Schadenersatzpflichtigen ist, sei vor der Fortsetzung des Verfahrens zu klären.

Gegen diesen Beschluß haben sowohl die beklagte Partei als auch deren Nebenintervenientin fristgerecht Rekurs mit dem Begehren erhoben, entweder sogleich in der Sache zu erkennen und das Ersturteil wiederherzustellen oder aber den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Vom Kläger liegen dazu fristgerecht erstattete Rekursbeantwortungen mit dem Antrag auf Bestätigung des angefochtenen Beschlusses vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie sind jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Die von den Rekurswerbern gegen die rechtlichen Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes erhobenen Einwendungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Sie bestreiten zunächst eine vertragliche Haftung gegenüber dem Kläger, weil die ihm gegenüber wahrzunehmende Verkehrssicherungspflicht rein deliktischer Natur sei; allfällige Schutzwirkungen des Vertragsverhältnisses mit dem Bauherrn hätten sich nicht auf ihn erstreckt. Selbst im Falle einer nebenvertraglichen Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Kläger bestehe keine Haftung der beklagten Partei (und in weiterer Folge auch nicht der Nebenintervenientin), weil die letztlich verantwortliche Fa. J. M***** Baugesellschaft m.b.H. Substitut (also nicht Erfüllungsgehilfe) der Nebenintervenientin und diese Substitut der beklagten Partei gewesen sei. Ein erweiterter Vertragsschutz für den Kläger hätte außerdem zu berücksichtigen, daß die Schadenersatzpflicht der beklagten Partei auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit eingeschränkt wurde.

Schließlich habe auch keine deliktische Verkehrssicherungspflicht der Rekurswerber bestanden, weil eine solche Verpflichtung die Schaffung und Beherrschung möglicher Gefahren für die Allgemeinheit voraussetze, was im konkreten Fall nur für die völlig weisungsfrei handelnde Fa.J. M***** Baugesellschaft m.b.H. gelten könne.

Dieser Argumentation ist insoweit zu folgen, als der Kläger, der als Postbediensteter beim Versuch einer Paketzustellung in den Gefahrenbereich gelangte, nicht zum Kreis jener Personen gehört, auf die sich die Schutzwirkung des von der beklagten Partei mit dem Bauherrn abgeschlossenen Werkvertrages erstreckt. Der Kreis der begünstigten Personen wird nämlich von der Judikatur - dem Vorschlag Bydlinskis folgend (Vertragliche Sorgfaltspflichten zugunsten Dritter, JBl 1960, 363) - auf Dritte beschränkt, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluß voraussehbar ist und die der Vertragspartner entweder durch die Zuwendung der Hauptleistung erkennbar begünstigt, an denen sich dessen eigenes Interesse manifestiert oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (SZ 47/72; SZ 51/169; SZ 54/65; JBl 1986, 452; JBl 1987, 40 und 250 ua, zuletzt 1 Ob 603/90). Danach richten sich auch die vertraglichen Schutzpflichten, die etwa ein Bauunternehmer in einem Werkvertrag über die Renovierung oder den Ausbau eines Hauses übernimmt. Sie bestehen gegenüber Familienangehörigen des Auftraggebers, auch seine Mieter sind davon erfaßt, nicht jedoch Personen, mit denen er rein gesellschaftlich oder im allgemeinen Verkehr mit der Umwelt in Kontakt kommt, wie zum Beispiel mit dem Briefträger (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II2, 61; siehe auch S 86 und 89 bei FN 131). Darum scheidet die Verletzung vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten als Haftungsgrund für die streitgegenständliche Schadenersatzforderung des Klägers aus, ohne weiter untersuchen zu müssen, ob sich die vom Berufungsgericht unterstellte "Vertragsnähe" des Klägers auf die Haupt- oder Nebenleistungspflicht der beklagten Partei bezog (vgl. JBl 1986, 452).

Schon das Fehlen dieses Haftungsgrundes würde auch dem Begehren des Klägers entgegenstehen, die beklagte Partei gemäß § 1313a ABGB für ihre Nebenintervenientin und letztlich für das bauausführende Unternehmen haften zu lassen. Unabhängig davon wäre fraglich, ob es sich bei den eingeschalteten Subunternehmern - auch nur im Verhältnis zum Bauherrn - tatsächlich um Erfüllungsgehilfen der beklagten Partei gehandelt hat. Diese Eigenschaft kommt zwar auch selbständigen Unternehmern zu, die für den Schuldner tätig werden und dessen Weisungen befolgen müßten (SZ 40/58; SZ 51/176 u.a.; Koziol aaO, 340 f), doch gälte anderes für den Fall der erlaubten Substitution (SZ 40/68; SZ 43/62 u.a.; Koziol aaO, 342). Die Unterscheidung zwischen Erfüllungsgehilfen und eigenverantwortlichen Substituten wäre danach zu treffen, ob der Unternehmer trotz Weitergabe von Arbeiten an Dritte alleiniger Vertragspartner des Werkbestellers geblieben ist (JBl 1986, 789; Krejci in Rummel I2, Rz 76 zu §§ 1165, 1166 ABGB), was in Ansehung der beklagten Partei nicht eindeutig geklärt erscheint.

Die mangelnde vertragliche Haftung der beklagten Partei macht es entbehrlich, auf die Rechtsfrage einzugehen, ob der von der beklagten Partei ausbedungene Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit auch gegen Dritte wirkt (siehe dazu Apathy in Schwimann, Rz 10 zu § 882 ABGB). Für den Fall einer deliktischen Schadenersatzpflicht wegen Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten nimmt nämlich die beklagte Partei selbst keine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit an. Tatsächlich handelt es sich bei der Verkehrssicherungspflicht desjenigen, der eine Gefahrenlage schafft oder Straßen, Grundstücke, Gebäude dem Verkehr eröffnet, um eine gesetzliche Verbindlichkeit, die durch eine Vereinbarung Dritten gegenüber, die nicht Vertragsteilnehmer sind, nicht außer Kraft gesetzt werden kann (SZ 43/235; vgl. Koziol aaO, 93).

Damit bleibt zu prüfen, ob die beklagte Partei für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten haftbar zu machen ist, die sie kraft Gesetzes hätte wahrnehmen müssen. Die Rekurswerber verneinen dies mit der Begründung, daß Verkehrssicherungspflichten immer nur denjenigen treffen, der die Gefahr beherrscht, d.h. sie erkennen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen kann, wozu im konkreten Fall eben nur das bauausführende Unternehmen in der Lage gewesen sei. Dabei wird jedoch übersehen, daß auch die beklagte Partei Verantwortung für den gefahrlosen Zustand des von den Bauarbeiten betroffenen Stiegenhauses zu tragen hatte.

Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Hausbesitzer Gänge und Treppen in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu erhalten hat (vgl. JBl 1965, 474; EvBl 1970/191; SZ 43/204; MietSlg. 29.199 ua). Demnach wären primär die Hauseigentümer für die Säuberung der Treppen von Bauschutt und anderem Schmutz verantwortlich gewesen, doch ist das Eigentum an der Verkehrsfläche oder an der Gefahrenquelle für sich allein nicht entscheidend, weil häufig nicht der Eigentümer einer Sache (insbesondere einer Liegenschaft), sondern ein Dritter die Gefahr beherrscht. Gerade bei der Durchführung von Bauarbeiten wird die Verkehrssicherungspflicht vor allem dem Bauunternehmer obliegen (vgl. Koziol aaO, 63 f).

Im gegenständlichen Fall hat sich die beklagte Partei ausbedungen, das Hausrecht auf der Baustelle auszuüben (Punkt 7 des Generalunternehmervertrages vom 18. Dezember 1985). Sie war daher während der Umbau- und Renovierungsarbeiten Besitzerin des Gebäudes (jedenfalls der von den Bauarbeiten betroffenen Teile) und hatte als solche - an Stelle der Hauseigentümer, allenfalls auch neben ihnen - die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten zu erfüllen. Das ist eine Folge der ihr eingeräumten Verfügungsgewalt über die Baustelle, ergibt sich aber auch aus der dem gegenständlichen Generalunternehmervertrag innewohnenden Übertragung der Verkehrssicherungspflicht. Nach herrschender Auffassung treffen nämlich jenen, der die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflichten übernommen hat, diese Pflichten auch selbst, sodaß er bei nicht entsprechender Sorgfalt dem Geschädigten selbst haftbar wird (Koziol aaO, 66 mwN).

Nun ist anerkannt, daß der Verkehrssicherungspflichtige seinen Sorgfaltspflichten auch dadurch nachkommen kann, daß er eine andere Person mit der Durchführung der Verkehrssicherungspflichten betraut. Er haftet allerdings dann noch aus eigenem Verschulden, wenn er eine ungeeignete Person ausgewählt hat oder Anweisungs- oder Überwachungspflichten verletzt (Koziol aaO, 65 mwN; SZ 43/235; JBl 1975, 544). Derartige Anweisungs- oder Überwachungspflichten mögen bei mangelnder Sachkenntnis oder Unmöglichkeit der Überwachung eines einschlägigen Unternehmens hinfällig sein, bestehen aber jedenfalls dann, wenn der Verkehrssicherungspflichtige selbst ein einschlägiger Sachverständiger ist (vgl. Koziol aaO, 65). Darum bestand trotz "Weitergabe" des gesamten Renovierungs- und Ausbauauftrags an die Nebenintervenientin und der von ihr veranlaßten Einschaltung zusätzlicher Subunternehmer die Verkehrssicherungspflicht der beklagten Partei insoweit fort, als sie das jeweils bauausführende Unternehmen hätte überwachen müssen.

Auf eben diesen Haftungsgrund, nämlich die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht über die beigezogenen Unternehmer (daneben noch auf die Auswahl untüchtiger Subunternehmer), hat der Kläger sein Schadenersatzbegehren gegen die beklagte Partei gestützt (AS 60). Er wurde vom Erstgericht aus unzutreffenden rechtlichen Erwägungen nicht erörtert, sodaß das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht eine Verfahrensergänzung anordnete. Im Rahmen dieser Verfahrensergänzung wird noch vor dem Eingehen auf weitere Haftungsgrundlagen und die Höhe der Klagsansprüche zu klären sein, ob sich der Vorwurf des Klägers erhärten läßt, die beklagte Partei habe sich ungeeigneter Personen zur Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht bedient und ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt. In beiden Fällen wird der Entlastungsbeweis von der beklagten Partei zu führen sein, sollte sich die Behauptung des Klägers bewahrheiten, daß eine starke Verschmutzung der Stiege zu seinem Unfall geführt hat. Liegt nämlich die Schadensursache in der Unterlassung notwendiger Vorkehrungen zur Schadensabwehr und beruft sich der Schädiger darauf, daß er sich zur Erfüllung der ihm obliegenden Sicherungspflichten eines Besorgungsgehilfen bedient hat, dann hat er die Tüchtigkeit des Besorgungsgehilfen sowie den Umstand zu beweisen, daß er für die nach Lage des Falles erforderliche Überwachung des Besorgungsgehilfen gesorgt hat (SZ 36/159; EvBl 1967/112, 5 Ob 659/83 ua).

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E26231

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00521.91.0611.000

Dokumentnummer

JJT_19910611_OGH0002_0050OB00521_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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