TE OGH 1991/6/12 13Os44/91

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Veröffentlicht am 12.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas W***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und 4 (§ 81 Z 2) StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 19.März 1991, AZ 23 Bs 57/91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 28.September 1990, GZ 8 c E Vr 8269/90-12, wurde Andreas W***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs. 1 und Abs. 4 (§ 81 Z 2) StGB schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 88 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Der Angeklagte bekämpfte dieses Urteil mit Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe, die Staatsanwaltschaft focht nur den Strafausspruch mit Berufung an. Mit der Strafberufung begehrte der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe, die bedingte Nachsicht der ganzen Freiheitsstrafe oder eines Teiles derselben, in eventu die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe; die Staatsanwaltschaft beantragte eine Erhöhung der Freiheitsstrafe.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 19.März 1991, AZ 23 Bs 57/91, wurde die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit zurückgewiesen und seiner Schuldberufung nicht Folge gegeben. Hingegen wurde "der Berufung der Staatsanwaltschaft dahin Folge gegeben, daß die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe auf neun Monate erhöht und gleichzeitig gemäß § 43 a Abs. 3 StGB ein Teil (der Strafe im Ausmaß) von sechs Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen" wurde. Mit seiner Strafberufung wurde der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

In seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde führt der Generalprokurator zu diesem Sachverhalt aus:

"Der im Spruch und den Entscheidungsgründen des Berufungsurteiles zum Ausdruck gebrachte Standpunkt, daß die vorgenommene Änderung des erstgerichtlichen Strafausspruches zur Gänze im Rahmen der Erledigung der staatsanwaltschaftlichen Berufung zulässig war, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Die gemäß § 489 Abs. 1 StPO für das Rechtsmittelverfahren gegen Urteile des Einzelrichters geltende Norm des § 477 Abs. 1 StPO ordnet an, daß sich das Berufungsgericht auf die in Beschwerde gezogenen Punkte zu beschränken hat. Soweit nicht unter den im zweiten Satz dieser Verfahrensbestimmung bezeichneten - hier nicht

aktuellen - Voraussetzungen von Amts wegen zugunsten des Angeklagten vorzugehen ist, darf das Berufungsgericht nur jene Teile des erstrichterlichen Erkenntnisses ändern, gegen die sich die Berufung richtet.

Beschwerdepunkt der Berufung der Staatsanwaltschaft war aber allein das zum Nachteil des Angeklagten bekämpfte Strafmaß. Dabei handelt es sich um einen gesondert anfechtbaren Gegenstand des Strafausspruches, der von der Frage einer sofortigen Vollziehung oder bedingten Nachsicht der Sanktion klar abgegrenzt ist (vgl hiezu JBl 1990, 126). Das Strafmaß weist aber auch mit der allfälligen bedingten Strafnachsicht keine so enge Wechselbeziehung auf, daß in der Forderung nach Straferhöhung die stillschweigende Erweiterung des Rechtsmittelzieles auf eine gegebenenfalls zusätzliche Überprüfung dahin erblickt werden kann, ob eine höhere Sanktion zur Gänze oder zum Teil bedingt nachzusehen ist. Der Umstand, daß bei einer Freiheitsstrafe in der Dauer bis zu sechs Monaten erst das Berufungsbegehren auf Erhöhung des Strafmaßes ein Erkenntnis herbeizuführen vermag, welches einem gesetzlichen Erfordernis für die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe entspricht (§ 43 a Abs. 3 StGB), reicht zur Annahme eines derart weitgehenden Zusammenhanges nicht aus.

Somit war es dem an den Beschwerdepunkt gebundenen Berufungsgericht verwehrt, bloß auf Grund einer zum Nachteil des Angeklagten die Erhöhung der (unbedingten) Strafe anstrebenden Berufung des Anklägers auch die teilweise bedingte Nachsicht der (erhöhten) Strafe auszusprechen und damit ein außerhalb des Anfechtungsbegehrens gebliebenes Übelskriterium der Sanktion zu mildern. Im vorliegenden Fall hätte das Oberlandesgericht von ihm verhängte Sanktion nur aus einer zusätzlichen teilweisen Stattgebung der ihm vorgelegenen Strafberufung des Angeklagten ableiten können. Da die Entscheidung in der Straffrage jedoch ausschließlich auf die staatsanwaltschaftliche Berufung gestützt wurde, der das Oberlandesgericht stattgab, liegt eine unrichtige Anwendung des Gesetzes vor, die allerdings für den Angeklagten keine nachteiligen Folgen nach sich zog."

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht wird in der Beschwerde darauf verwiesen, daß sich im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile des Einzelrichters das Oberlandesgericht - soweit nicht die Voraussetzungen des § 477 Abs. 1 Satz 2 StPO vorliegen - auf die in Beschwerde gezogenen Punkte zu beschränken hat. Was die Straffrage betrifft, so beschwerte sich der Angeklagte über die Höhe der Freiheitsstrafe, über die Nichtgewährung gänzlicher oder teilweiser bedingter Strafnachsicht sowie über die Nichtverhängung einer Geldstrafe, die Staatsanwaltschaft hingegen über das zu geringe Strafausmaß.

Das Berufungsgericht durfte daher im Rahmen der Berufungsbegehren zum einen (in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft) die Freiheitsstrafe erhöhen, zum andern aber

(in - teilweiser - Stattgebung der Strafberufung des Angeklagten) die Freiheitststrafe teilbedingt nachsehen. Dem verschlägt nichts, daß das Oberlandesgericht den Spruch seines Urteiles unvollständig - wie eingangs wiedergegeben - faßte. Im folgenden Satz des Urteilstenors sprach es zudem aus, daß der Angeklagte mit seiner Strafberufung auf diese Entscheidung verwiesen werde. Damit aber hat das Berufungsgericht die teilbedingte Strafnachsicht ersichtlich in (teilweiser) Stattgebung der Strafberufung des Angeklagten gewährt. Den Entscheidungsgründen des Berufungsurteiles ist im übrigen nichts zu entnehmen, was dafür sprechen könnte, daß das Oberlandesgericht die Strafberufung des Angeklagten zur Gänze für unbegründet erachtet hätte, zumal hier die "Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft" ausdrücklich auf die Erhöhung des Strafausmaßes bezogen wird (US 8).

Da sich somit das Berufungsgericht lediglich in der Formulierung seines Urteilsspruches vergriffen hat, der Ausspruch über die teilbedingte Strafnachsicht aber den gesetzlichen Gegebenheiten entsprach, liegt die in der Beschwerde behauptete Gesetzwidrigkeit nicht vor, weswegen der Nichtigkeitsbeschwerde kein Erfolg beschieden sein konnte.

Anmerkung

E26129

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00044.91.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19910612_OGH0002_0130OS00044_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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