TE OGH 1991/6/13 7Ob561/91

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Veröffentlicht am 13.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Egermann, Dr. Niederreiter, Dr. Redl, und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Theodor S*****, Rechtsanwalt in Wien *****, als Masserverwalter im Konkurs über das Vermögen der

P***** P***** GesmbH, W*****, wider die beklagte Partei Sonja T*****, vertreten durch Dr. Hanspeter Egger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung (Streitwert S 500.000,--) infolge außerordentlicher Revisionen beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7. Dezember 1990, GZ 3 R 25/90-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. September 1989, GZ 25 Cg 82/89-5, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

1.) Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

2.) Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem klagsabweisenden Teil dahin abgeändert, sodaß es insgesamt zu lauten hat:

"Die in Form des Briefes vom 8. Jänner 1987 geschlossene Zusatzvereinbarung (laut welcher auf die Dauer von 10 Jahren keine Einwendungen gegen die Vermietung oder Verpachtung des Betriebes sowie gegen die Untervermietung der Wohnungen bestehen) zum Mietvertrag vom 26. Mai 1986 über die Räumlichkeiten auf der Liegenschaft K*****, wird den Gläubigern im Konkurs über das Vermögen der prot. Firma P***** P***** GesmbH für unwirksam erklärt.

Die beklagte Partei ist schuldig, die Verpachtung des Unternehmens oder Untervermietung der Räumlichkeiten, in welchem(n) ein Gastgewerbebetrieb auf der Liegenschaft K***** betrieben wird, sofort zu unterlassen und den derzeitigen Pächter bzw. Untermieter binnen 14 Tagen zu entfernen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 43.654,-- (darin S 6.409,-- Ust und S 5.200,-- Barauslagen) bestimmten erstinstanzlichen Kosten, die mit S 22.441,40 (darin S 2.406,90 Ust. und S 8.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 29.069,20 (darin S 3.178,20 Ust. und S 10.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Josef P*****, der damals noch Alleineigentümer der EZ ***** der KG R*****, bestehend aus einem Haus (Heurigenschenke) und Garten war, vermietete diese am 26. Mai 1986 seiner Schwiegermutter, der Beklagten gegen ein monatliches Entgelt von S 500,--. Im Mietvertrag wurde der Beklagten eine Untervermietung oder Unterverpachtung verboten. Die Beklagte betrieb zunächst selbst den Heurigenbetrieb. Am 8. Jänner 1987 gestattete die nachmalige Gemeinschuldnerin der Beklagten eine Untervermietung und Unterverpachtung auf die Dauer von 10 Jahren. Die Beklagte hat daraufhin das Objekt gegen einen Bestandzins von S 17.000,-- (S 3.000,-- für die Räume, der Rest für das Inventar) zur Gänze untervermietet oder unterverpachtet. Am 12. November 1987 veräußerte Josef P***** die Liegenschaft an die nachmalige Gemeinschuldnerin um S 6,734.000,--. Über die Gemeinschuldnerin wurde am 12. April 1988 der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Dieser trat mit Genehmigung des Konkursgerichtes in den Kaufvertrag ein.

Der Kläger begehrt die Unwirksamerklärung der Gestattung einer Untervermietung bzw. Verpachtung laut Schreiben vom 8. Jänner 1987 gegenüber den Gläubigern und beantragt, der Beklagten eine weitere Untervermietung bzw. Unterverpachtung zu untersagen, sowie dieser aufzutragen, den Pächter zu entfernen, in eventu begehrt er eine Abrechnung des Erlöses aus der Verpachtung unter gleichzeitiger Ablieferung des Gewinnes in die Konkursmasse. Der Zusage vom 8. Jänner 1987 sei keinerlei Gegenleistung der Beklagten gegenübergestanden. Der Beklagten sei die Insolvenz der späteren Gemeinschuldnerin bekannt gewesen, ebenso auch, daß Josef P***** mit der Zusage vom 8. Jänner 1987 die Gemeinschuldnerin vermögenslos stellen wollte. Die Vereinbarung vom 8. Jänner 1987 sei daher nur zum Nachteil der Gläubiger getroffen worden. Nach Entfernung des Unterbestandnehmers könne die Liegenschaft durch den Masseverwalter weit günstiger verwertet werden.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung. Sie behauptete, das Objekt sei bei Anmietung durch sie völlig verwahrlost gewesen, sie habe S 400.000,-- in die Liegenschaft investieren müssen, um dort einen Heurigenbetrieb führen zu können. Die Unterverpachtung durch sie sei aus gesundheitlichen Gründen erfolgt; durch sie sei den Gläubigern der Gemeinschuldnerin kein Nachteil entstanden. Falls sie wegfalle, sei die Liegenschaft ja immer noch mit dem Bestandrecht der Beklagten belastet. Die Insolvenz der späteren Gemeinschuldnerin sei ihr nicht bekannt gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage nach Einsicht in die vorgelegten Urkunden unter Abstandnahme von den anderen angebotenen Beweismitteln wegen Befriedigungsuntauglichkeit ab.

Das Berufungsgericht gab dem Begehren auf Unwirksamerklärung der Zusage vom 8. Jänner 1987 statt, wies jedoch das Leistungsbegehren ab. Nach dem Sachvorbringen des Klägers komme überhaupt nur der Anfechtungstatbestand nach § 29 Abs 1 KO in Betracht. Die inkriminierte Zusage vom 8. Jänner 1987 habe zu einer Verschlechterung der Vermögenslage der Gemeinschuldnerin geführt, sie sei ohne Gegenleistung der Beklagten erfolgt. Daß die Gemeinschuldnerin damals noch nicht Vermieterin oder Eigentümerin der Bestandliegenschaft gewesen sei, schade nicht, da auch auf erst später erworbene Rechte im voraus rechtswirksam verzichtet werden könne. Das Vorliegen eines im § 29 Abs 1 KO erwähnten Ausnahmefalls sei von der Beklagten nicht behauptet worden. Bei einer Anfechtungsklage nach der Konkursordnung handle es sich um ein reines Rechtsgestaltungsbegehren. Das Leistungsbegehren sei daher abzuweisen gewesen.

Die gegen diese Entscheidung von der Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist unzulässig, die des Klägers zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Zur außerordentlichen Revision der beklagten Partei:

Die Beklagte wendete im erstinstanzlichen Verfahren nicht ein, daß die Zusage vom 8. Jänner 1987 gar nicht von der späteren Gemeinschuldnerin, sondern von Josef P***** persönlich gemacht worden sei. Sie unterließ auch in ihrer Berufungsmitteilung die Bekämpfung der Feststellung, daß die nachmalige Gemeinschuldnerin am 8. Jänner 1987 das Schreiben mit dem oben wiedergegebenen Inhalt an die Beklagte verfaßt hat (AS 5 der Urteilsausfertigung). Die erstmalige Bekämpfung einer erstgerichtlichen Feststellung in einer außerordentlichen Revision durch die in erster Instanz siegreiche Partei ist jedoch unzulässig. Im Fall einer außerordentlichen Revision nach § 502 Abs 1 ZPO kann die Revision nur begehrt werden, wenn das Urteil des Berufungsgerichtes auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechtes beruht, der erhebliche Bedeutung iS des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt. Darin, daß das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung eine unbekämpft gebliebene Feststellung zugrunde gelegt hat, liegt nicht die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO. Die Bekämpfung der Beweiswürdigung kann aber nicht mehr im außerordentlichen Rechtsmittel nachgeholt werden; die letzte Möglichkeit, eine Beweisrüge zu erheben, ist vielmehr im letzten ordentlichen Rechtsmittel gegeben (JBl 1986, 121 = MietSlg 37.760 und 37.774, zuletzt 1 Ob 1528/88; 1 Ob 1507/89 und 3 Ob 1502/90). Die nunmehr von der Beklagten in ihrer außerordentlichen Revision erhobene Einwendung, die Zusage vom 8. Jänner 1987 sei gar nicht von der späteren Gemeinschuldnerin abgegeben worden, erweist sich daher als unzulässige Neuerung.

Ansonsten wird von der Beklagten nur die Befriedigungstauglichkeit der vorliegenden Anfechtungsklage in Abrede gestellt. Der Geschehensablauf läßt aber klar erkennen, daß bereits am 8. Jänner 1987 seitens der späteren Gemeinschuldnerin die Absicht bestanden haben muß, die gegenständliche Liegenschaft anzukaufen, widrigenfalls die von ihr der Beklagen gegebene Zusage sinnwidrig gewesen wäre. Es ist daher davon auszugehen, daß die P***** P***** GesmbH bereits damals die Beklagte mit dieser unentgeltlichen Zusage bevorteilen wollte. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Verzicht auf erst später zu erwerbende Rechte bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 29 Z 1 KO zu einer Anfechtung durch den Masseverwalter berechtigt. Verstöße gegen ein Untervermietungsverbot stellen nach einhelliger Rechtsprechung und herrschender Lehre wichtige Kündigungsgründe nach § 11 Abs 1 MRG dar (vgl. Würth-Zingher, Wohn- und Mietrecht zu § 11 MRG Rz 1 ff mwN). Wie der Kläger zutreffend darlegte, muß eine Anfechtungsklage nicht sofort zu einer Befriedigung der Gläubiger führen, vielmehr genügt auch eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger bei abstrakter Aussicht auf eine bessere Verwertung (WBl. 1989, 281 sowie ÖBA 1989/1018;

MietSlg. 33.796, SZ 59/114, sowie Koziol in JBl. 1982, 57;

letztlich Hoyer, ÖJZ 1982, 376).

Da die aufgezeigten Rechtssätze der Judikatur entsprechen, sind für diese Revision die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben, was zu ihrer Zurückweisung führen mußte.

b) Zur Revision des Klägers:

Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes trifft es zu, daß nach nunmehr herrschender Rechtsprechung eine Anfechtungsklage neben dem rechtsgestaltenden Ausspruch auch ein Leistungsbegehren zu enthalten hat, wenn ein solches nach Rechtskraft der Entscheidung auch durchsetzbar ist. Nach nunmehr einhelliger Rechtsprechung handelt es sich bei der Anfechtungsklage um eine Rechtsgestaltungsklage, deren Begehren sowohl allein als auch neben dem Begehren auf Leistung an die Konkursmasse, auf die Unwirksamerklärung der angefochtenen Rechtshandlung gegenüber den Gläubigern gerichtet sein kann (zuletzt WBl 1988, 87). Nur wenn der Antragsgegner zu keiner Leistung verpflichtet ist und daher nur eine vom Gemeinschuldner vorgenommene Rechtshandlung für unwirksam erklärt werden soll, also kein Leistungsbegehren gestellt werden kann, ist eine Rechtsgestaltungsklage allein notwendig (SZ 59/216 = WBl 1987, 74 = ÖBA 1987, 322 = RdW 1987, 126; zuletzt 2 Ob 554/89). Die vorliegende Klage ist auch schlüssig. Vergleicht man den vereinbarten Hauptmietzins von mtl. S 500,-- mit dem von der Beklagten durch die Vereinbarung vom 8. Jänner 1987 erzielten Unterbestandzins von S 17.000,--, so ergibt sich daraus eine ganz ungewöhnliche Bevorzugung eines Bestandnehmers, der keine Gegenleistung gegenübersteht (vgl. MGA KO7 § 29/1). Auch in diesem Punkt hat es die Beklagte unterlassen, das Fehlen von Feststellungen über ihre Investitionsbehauptungen in der Berufungsbeantwortung zu rügen. Außer Benachteiligung der Gläubigerin und der Einhaltung der Zweijahresfrist erfordert der Tatbestand des § 29 Z 1 KO aber keine weiteren als oben aufgezeigten Voraussetzungen. Auch der Einwand der Beklagten die Gestattung der Untervermietung bzw. Unterverpachtung sei durch den Eintritt des Masseverwalters in den Kaufvertrag akzeptiert worden, ist verfehlt; sieht man davon ab, daß gar nicht feststeht, ob dem Masseverwalter all diese Umstände bekannt waren. Wurden die Gläubiger der späteren Gemeinschuldnerin mit der Gestattung einer Untervermietung durch die Beklagte infolge der dadurch verschlechterten Verwertungsmöglichkeit der Liegenschaft benachteiligt, so konnte der Rücktritt des Masseverwalters vom Kaufvertrag vermutlich nur zum Verlust des wertvollsten Vermögensbestandteiles der Gemeinschuldnerin führen. Nur mit einem Eintritt in den Kaufvertrag war es dem Masseverwalter möglich nach erfolgreicher Anfechtung einen Verkauf der Liegenschaft mit Gewinn zu versuchen. Eine Genehmigung der anfechtbaren unentgeltlichen Zusage an die Beklagte ist in diesem Vorgehen daher nicht zu erblicken. Bejaht man die Anfechtbarkeit der die Beklagte begünstigenden Vereinbarung vom 8. Jänner 1987, so ist ein gegen sie gerichtetes Leistungsbegehren möglich und zweckmäßig (vgl. MietSlg. 37.274, 36.271). Wie bereits bei Behandlung der außerordentlichen Revision der Beklagten dargelegt wurde, wird diese mit Ergehen dieser Entscheidung zur Hintanhaltung einer Kündigung auf ihre Einnahmen aus der Unterverpachtung verzichten müssen und den Betrieb selbst zu führen haben. Nach ihrem eigenen Vorbringen ist sie dazu nicht in der Lage. Daraus ergeben sich aber für den klagenden Masseverwalter neue Kündigungsmöglichkeiten und damit auch eine zumindest abstrakt zu erwartende Verbesserung der Verwertungsmöglichkeiten der gegenständlichen Liegenschaft. Der Revision des Klägers war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E27128

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00561.91.0613.000

Dokumentnummer

JJT_19910613_OGH0002_0070OB00561_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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