TE OGH 1991/6/19 3Ob546/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Wolfgang Josef B*****, infolge Revisionsrekurses der Erbansprecherin mj. Doris O*****, vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 2. Juni 1989, GZ 3 b R 95/89-100, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 10. April 1989, GZ A 262/85-96, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Am 27. Juli 1985 starb der unverehelichte Wolfgang Josef B*****. Strittig ist, ob die minderjährige Doris O*****, geboren 31. Oktober 1984, als uneheliches Kind des Erblassers berechtigt ist, eine Erbserklärung abzugeben, oder ob dieses Recht wegen Versäumung der Jahresfrist des § 754 Abs 2 ABGB idF vor dem ErbRÄG 1989 nicht gegeben ist, wobei von folgendem Sachverhalt auszugehen ist:

Die minderjährige Doris O***** galt bei ihrer Geburt als eheliches Kind des Ägidius und der Magdalena K*****. Am 12. Oktober 1985 teilte Magdalena K***** dem Gerichtskommissär fernmündlich mit, daß ihr Kind nicht von ihrem Ehemann, sondern vom Erblasser gezeugt worden sei. Dieser sei immer zum Kind gestanden. Eine offizielle Vaterschaftsanerkennung liege nicht vor. Ihr Ehemann wisse davon, habe aber nichts unternommen. Am 15. Oktober 1985 ergänzte sie vor dem Gerichtskommissär, daß der Erblasser freiwillig und regelmäßig Alimente gezahlt habe. Sie rechne nicht damit, daß ihr Ehemann innerhalb der noch offenen Jahresfrist des § 156 Abs 1 ABGB die Ehelichkeitsbestreitungsklage einbringen werde. Sie ersuche, den Akt der Staatsanwaltschaft zur Erbringung einer Klage im Sinne des § 158 ABGB zu übermitteln.

Der von der Staatsanwaltschaft noch im Jahre 1985 eingebrachten Klage wurde stattgegeben und mit Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 23. Juli 1986, GZ 1 E 19/85, festgestellt, daß die minderjährige Doris O*****, die damals noch den Familiennamen K***** trug, kein eheliches Kind des Ägidius K***** aus dessen Ehe mit Magdalena K***** ist. Aus dem vom Obersten Gerichtshof eingeholten Akt ergibt sich, daß die Zustellung des Urteils am 30. Juli 1986 erfolgte. Rechtsmittel wurden gegen das Urteil nicht erhoben.

Am 10.September 1986 teilte das Bezirksjugendamt Kitzbühel dem Gerichtskommissär fernmündlich mit, daß jetzt zwar das Verfahren über die Bestreitung der Ehelichkeit abgeschlossen sei, nunmehr aber eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft des Erblassers eingebracht werden müsse. Diese Klage wurde am 16.September 1986 beim zuständigen Bezirksgericht eingebracht. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 4.Jänner 1989, GZ 1 C 15/87 (vormals 1 C 15/86) wurde der Erblasser als unehelicher Vater der minderjährigen Doris O***** festgestellt. Auch dieses Urteil wurde unangefochten rechtskräftig.

Am 5.April 1989 gab die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel-Jugendamt vor dem Gerichtskommissär für die minderjährige Doris O***** auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß die bedingte Erbserklärung vorbehaltlich nachträglicher Zustimmung durch das Vormundschaftsgericht ab und ersuchte um Annahme dieser Erbserklärung.

Die Mutter des Erblassers und seine Geschwister, deren Erbserklärungen schon früher angenommen worden waren, beantragten unter Hinweis auf die versäumte materiellrechtliche Frist des § 754 Abs 2 ABGB idF vor dem ErbRÄG 1989 die Zurückweisung dieser Erbserklärung. Der Vertreter der Minderjährigen erklärte dazu, daß die frühere Einbringung der Vaterschafts-Feststellungsklage nicht möglich gewesen sei, weil vorher der Ehelichkeitsbestreitungsprozeß geführt werden mußte.

Das Erstgericht nahm die Erbserklärung der minderjährigen Doris O***** verlaßgerichtlich an.

Es vertrat die Ansicht, daß gemäß § 122 AußStrG jede in der vorgeschriebenen Form ausgestellte Erbserklärung angenommen werden müsse. Eine Zurückweisung könne nur erfolgen, wenn von vorneherein feststehe, daß es zu keiner Einantwortung kommen könne. Da die minderjährige Doris O***** erst seit dem Urteil vom 23. Juli 1986 als unehelich anzusehen sei, stehe nicht fest, ob auf sie die Jahresfrist des § 754 Abs 2 ABGB idF vor dem ErbRÄG 1989 anzuwenden sei. Zumindest könne diese Frage mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens nicht gelöst werden.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß die Erbserklärung verlaßgerichtlich zurückgewiesen wurde.

Das Gericht zweiter Instanz war der Ansicht, die Jahresfrist des § 754 Abs 2 ABGB idF vor dem ErbRÄG 1989 sei eine materiellrechtliche Frist. Diese Bestimmung lasse keine andere Auslegung zu, als daß nach Fristversäumung auch das Erbrecht verwirkt sei. Aus welchen Gründen die Vaterschaftsfeststellungsklage nicht innerhalb eines Jahres nach dem Tod des Erblassers eingebracht wurde, sei unerheblich.

Der Revisionsrekurs des Kindes ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28. Februar 1991, G 73/90-10, über Antrag des Obersten Gerichtshofes zu Recht erkannt, daß in § 754 Abs 2 ABGB idF des Bundesgesetzes über die Neuordnung der Rechtsstellung des außerehelichen Kindes, BGBl. Nr. 342/1970, der letzte Halbsatz: "in diesem Falle genügt es, daß die Klage auf Feststellung spätestens zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Vaters erhoben worden ist" verfassungswidrig war.

Im vorliegenden Fall ist gemäß Art. 140 Abs 7 B-VG schon von der Aufhebung der fraglichen Bestimmung auszugehen. Damit ist der Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz der Boden entzogen. Ein anderer Grund für die Zurückweisung der Erbserklärung der mj. Erbansprecherin liegt nicht vor. Es war daher der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Anmerkung

E26496

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00546.91.0619.000

Dokumentnummer

JJT_19910619_OGH0002_0030OB00546_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten