Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 23. Oktober 1990 verstorbenen ***** G*****, infolge Revisionsrekurses der Witwe ***** G*****, vertreten durch Dr. Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 26. März 1991, GZ 43 R 131/91-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7. Februar 1991, GZ 4 A 521/90-19, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
In Abänderung der vorinstanzlichen Beschlüsse wird angeordnet, daß die erbl. Witwe ***** G***** der Inventarisierung und Schätzung des Nachlaßvermögens des am 23. Oktober 1990 verstorbenen ***** G***** beizuziehen ist.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies den Antrag der Witwe, sie der Inventarisierung und Schätzung des Nachlaßvermögens des Erblassers beizuziehen, ab, weil ihr zufolge Verzichtes auf ihr gesetzliches Erbrecht und Pflichtteilsrecht keine Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren zukomme.
Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei. In seiner Entscheidungsbegründung vertrat es die Ansicht, nach dem Inhalt der zwischen der nunmehrigen Witwe und dem Erblasser geschlossenen Ehepakte seien sowohl schenkungsweise Ansprüche als auch Erb- und Pflichtteilsansprüche sowie ein Anspruch nach § 796 ABGB zu verneinen.
Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhebt die Witwe außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag, ihrem Begehren stattzugeben. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels begründet sie damit, daß eine für die Lösung der entscheidungswesentlichen Rechtsfrage einschlägige oberstgerichtliche Rechtsprechung überhaupt fehle und die Rechtsansicht des Rekursgerichtes der vorhandenen Judikatur widerspreche. In der Sache führt sie aus, die Frage ihres Erbrechts- und Pflichtteilsverzichtes sei für ihre Beteiligtenstellung von vornherein unerheblich, weil diese im Sinne der Rechtsprechung (RZ 1986/67 ua) nicht von der materiellen Rechtslage sondern nur von ihrer formellen Stellung als Witwe und damit gesetzliche Noterbin abhänge. Darüberhinaus habe der überlebende Ehegatte auf Grund seines Unterhaltsanspruches nach § 796 ABGB jedenfalls das Recht auf Teilnahme an der Inventur und Schätzung.
Der Revisionsrekurs ist aus den in § 14 Abs 1 AußStrG genannten Gründen zulässig und auch gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Ob der Rekurswerberin hier aufgrund ihrer formalen Stellung als Noterbin (§§ 762, 764 f ABGB) Beteiligtenstellung zuerkannt werden könnte, obschon aus den von ihr selbst vorgelegten Urkunden eindeutig ihr Verzicht auf Erbrechts- und Pflichtteilansprüche hervorgeht, wodurch sich dieser Fall von jenem der Entscheidung RZ 1986/67 unterscheidet, mag dahingestellt bleiben. Ein Verzicht der Rekurswerberin auf den Unterhalt nach § 796 ABGB kann nämlich entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes nicht schon zweifelsfrei aus dem Inhalt der "Präambel" des Ehepaktes vom 3.Mai 1989 (AS 101) abgeleitet werden, weil diesem die Detailregelungen S 2-4 dieses Ehepaktes entgegenstehen. Es wurde demnach wohl für die der aufrechten Ehe der Vertragspartner und für den Fall der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe ein gegenseitiger Unterhaltsverzicht abgegeben, in den Einzelregelungen für den Fall des Todes eines der Ehegatten (S 4 des Ehepaktes) ist jedoch ein ausdrücklicher Verzicht auch auf den Unterhalt nach § 796 ABGB (zum Verzicht vgl. Welser in Rummel2 Rz 2 zu § 795) nicht enthalten. Nach dieser Gesetzesstelle hat der überlebende Ehegatte bis zu seiner Wiederverehelichung an die Erben "bis zum Wert der Verlassenschaft" grundsätzlich einen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 94 ABGB. Im Hinblick darauf, daß sich die Rekurswerberin hier auf Ansprüche nach § 796 ABGB beruft, kann aber, wie bereits auch in der von ihr zitierten Entscheidung NZ 1918, 153, ausgesprochen wurde, jedenfalls ein rechtliches Interesse ihrerseits an der vollständigen Feststellung des Nachlaßvermögens und demgemäß ihr Anspruch auf Teilnahme an der Schätzung und Inventarisierung des Nachlaßvermögens nicht verneint werden.
Die vorinstanzlichen Beschlüsse waren daher im Sinne einer Antragsstattgebung abzuändern.
Anmerkung
E26280European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00568.91.0620.000Dokumentnummer
JJT_19910620_OGH0002_0080OB00568_9100000_000