TE OGH 1991/6/20 6Ob567/91

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Veröffentlicht am 20.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Angela W*****, vertreten durch Dr.*****, wider die beklagte Partei Franz W*****, vertreten durch Dr. *****, wegen Unterhaltserhöhung (Streitwert S 28.800), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 29. August 1990, GZ R 504/90-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hainfeld vom 9. Mai 1990, GZ C 47/90-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Ersturteil wieder hergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.623,04 (darin S 603,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach der Scheidung der Ehe der Streitteile im Sommer 1986 verpflichtete sich der Beklagte in dem vor dem Bezirksgericht Leibnitz am 7. November 1986 zu 2 C 10/86 abgeschlossenen Vergleich, der Klägerin ab 1. November 1986 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 4.500 zu bezahlen. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses gingen die Streitteile davon aus, daß der Beklagte eine Invaliditätspension von S 9.710 14 mal jährlich bezog, sodaß die Unterhaltsleistung an die Klägerin rund 40 % des dem Beklagten damals zur Verfügung stehenden Einkommens entsprach, daß die Klägerin nicht berufstätig war, die Streitteile getrennt lebten und je einen eigenen Haushalt zu finanzieren hatten.

An den Wohnverhältnissen der Streitteile, den von der Klägerin anläßlich der Scheidung übernommenen Darlehensrückzahlungsverpflichtungen und der altersgemäßen Belastung des Beklagten mit Kosten für Medikamente hat sich seit Vergleichsabschluß nichts Wesentliches geändert. Die Invaliditätspension des Klägers hat sich im Jahr 1990 auf S 11.609,80 netto 14 mal jährlich (das entspricht im Monatsdurchschnitt rund S 13.545) erhöht.

Die Klägerin begehrte mit dem Vorbringen, ihre Lebenshaltungskosten hätten sich seit dem Vergleichsabschluß wesentlich erhöht und die Invaliditätspension des Beklagten sei entsprechend angestiegen, den Beklagten zu verpflichten, ihr ab 1. Jänner 1990 anstelle des im Vergleich vom 7. November 1986 vereinbarten monatlichen Unterhaltes von S 4.500 einen monatlichen Unterhalt von S 5.300 zu bezahlen.

Der Beklagte wandte ein, sein Pensionseinkommen reiche unter Berücksichtigung seiner Lebenshaltungskosten und seines Gesundheitszustandes zur Zahlung eines erhöhten Unterhaltsbeitrages nicht aus.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es führte rechtlich aus, seit dem Abschluß des Vergleiches sei als einzige gemäß § 901 ABGB zu berücksichtigende Veränderung in den vermögensrechtlichen Verhältnissen beider Streitteile eine Erhöhung des Pensionsbezuges des Beklagten eingetreten. Die Klägerin habe daher Anspruch darauf, an der Erhöhung des Einkommens im gleichen Verhältnis teilzunehmen, wie es dem im Vergleich vereinbarten Unterhalt entspreche. Gehe man davon aus, daß nach dem Vergleich der Klägerin 40 % des Einkommens des Beklagten als Unterhalt zukommen sollte, so ergebe sich ein Anspruch von rund S 5.300.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, wies die Klage ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Bei Vorliegen wesentlich geänderter Verhältnisse, die eine Neubemessung des Unterhaltes rechtfertigten, sei eine Neubemessung unter Berücksichtigung aller Verhältnisse zur Zeit der neuen Beschlußfassung vorzunehmen, ohne daß die Unterhaltsänderung in eine starre Relation zum Maß der Veränderung der Verhältnisse zur letzten Unterhaltsverpflichtung zu setzen sei. Die vorher bestandenen Relationen seien bei der Neubemessung nur dann zu berücksichtigen, wenn der frühere Titel ausdrücklich auf Relationsstrukturen abstelle, die auch in der Zukunft keine Änderung erfahren sollten. Da nach überwiegender Rechtsprechung der Unterhaltsanspruch der nicht verdienenden Frau gegenüber dem geschiedenen Ehemann 33 % seines Nettoeinkommens betrage, sofern diesen, wie hier, keine weiteren Sorgepflichten träfen, sei der Unterhaltsanspruch der Klägerin mit dem im Vergleich vereinbarten Betrag bereits gedeckt und das Erhöhungsbegehren nicht gerechtfertigt.

Weil die Frage, ob bei der Neubemessung des Unterhaltes die bis dahin bestehende Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe gewahrt bleiben solle oder nicht, in der Rechtsprechung der Berufungsgerichte nicht einheitlich gelöst sei und auch der Ansicht des Berufungsgerichtes entgegenstehende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes veröffentlicht seien, sei die ordentliche Revision zuzulassen.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, daß bei einer Neubemessung des Unterhaltes bei geänderten Verhältnissen im allgemeinen die zwischen den Parteien einmal festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe gewahrt bleiben solle (EFSlg 46.276, 43.714, 43.715 ua). Dies bedeutet keineswegs, daß damit jedenfalls starr an einem Prozentsatz festgehalten werden soll. Eine Neubemessung nach einem Unterhaltsvergleich muß aber von der bestehenden Regelung und der in dieser zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze und nicht von der abstrakten gesetzlichen Regelung ausgehen. Die Neubemessung darf also nicht völlig losgelöst von der bisherigen vertraglichen Regelung und der darin zum Ausdruck kommenden Bemessungsgrundsätze erfolgen. Eine Vernachlässigung der Relation zwischen dem Einkommen und dem vereinbarten Unterhalt kommt daher - abgesehen von einer anderslautenden Vereinbarung - nur dann in Betracht, wenn die Bemessung des bisher aufgrund eines Vergleiches geregelten Unterhaltes nicht bloß aufgrund einer Änderung der Einkommensverhältnisse, sondern auch unter Berücksichtigung weiterer für die Unterhaltsbemessung maßgeblicher Umstände vorgenommen werden muß (EFSlg. 48.150, 43.715, Rummel in Rummel ABGB2 Rz 8 a zu § 901).

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor, weil sich gegenüber dem Zeitpunkt der vergleichsweisen Regelung nur das Einkommen des Beklagten, nicht aber noch andere für die Unterhaltsvereinbarung und -bemessung maßgebliche Umstände verändert haben. Die vom Erstgericht vorgenommene Unterhaltserhöhung erfolgte daher zu Recht, so daß dessen Urteil wieder herzustellen war.

Der Ausspruch über die Revisionskosten beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E27091

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0060OB00567.91.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19910620_OGH0002_0060OB00567_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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