TE OGH 1991/6/25 11Os32/91

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Veröffentlicht am 25.06.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Juni 1991 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zacek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz S***** wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 2 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.November 1990, GZ 6 e Vr 8144/89-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.Dezember 1939 geborene Franz S***** (zu A/ I/) des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1, Abs. 3 lit a und 13 FinStrG, (zu A/ II/) des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a, Abs. 3 lit b FinStrG und (zu B/) des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 1, Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er

A/ als ""Wahrnehmer" der nicht protokollierten Einzelfirma ***** in Wien vorsätzlich

I. teilweise durch Unterlassung der Einbringung von Steuererklärungen, wobei seine gewerbliche Tätigkeit den Finanzbehörden nicht bekannt war, teilweise durch Einbringung unrichtiger, nicht alle Umsätze und Erlöse sowie zu Unrecht Vorsteuern ausweisender Steuererklärungen, somit unter Verletzung von abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten, eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben

a/ bewirkt, nämlich

1. am 31.März 1985 durch Nichtabgabe einer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1984 um 6.105 S an Umsatzsteuer;

2. am 31.März 1986 durch Nichtabgabe von Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für das Jahr 1985 diese Abgaben um insgesamt 1,881.671 S;

b/ zu bewirken versucht, nämlich

1. am 31.März 1987 durch Nichteinreichung einer Vermögenssteuererklärung um 30.070 S an Vermögenssteuer;

2. am 31.März 1988 durch Nichteinreichung einer Vermögenssteuererklärung um 39.420 S an Vermögenssteuer;

3. am 6.Mai 1988 durch Einreichung unrichtiger Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für das Jahr 1986 diese Abgaben um insgesamt 6,260.474 S;

4. am 16.Juni 1988 durch Einreichung einer unrichtigen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1987 um 7,479.641 S an Umsatzsteuer;

II. von März 1988 bis Anfang August 1988 durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Jänner und Februar 1988 sowie durch Nichtabgabe derartiger Meldungen für die Monate März bis Juni 1988, somit unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen, eine Verkürzung der selbst zu berechnenden Umsatzsteuervorauszahlungen um 620.448 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten;

der strafbestimmende Wertbetrag aus den Faktengruppen A/ I und II beträgt 16,317.829 S;

B/ am 25.Oktober 1988 in Wien anläßlich der Ablegung des Offenbarungseides im Verfahren zu 6 S 101/88 des Handelsgerichtes Wien durch die vorsätzliche Verschweigung offener fälliger Forderungen gegenüber der Firma D***** in der Höhe von ca 4,7 Millionen Schilling einen im Gesetz vorgesehenen Eid vor Gericht falsch geschworen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft seine Schuldsprüche mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 3, 4, 5, 5 a, 8, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies die Strafaussprüche mit Berufung.

Zu den Schuldsprüchen nach dem Finanzstrafgesetz kommt der Beschwerde schon insoweit Berechtigung zu, als sie davon ausgehend, daß die hier maßgebenden Abgabenbescheide nicht dem Angeklagten persönlich, sondern (nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Firma I*****) dem Masseverwalter zugestellt wurden, eine Undeutlichkeit bzw unzureichende Begründung des erstgerichtlichen Ausspruchs über entscheidende Tatsachen geltend macht. Die bescheidmäßige endgültige Abgabenfestsetzung ist nämlich - vom Erstgericht unbeachtet - im gerichtlichen Finanzstrafverfahren für den Bestand der Abgabenschuld dem Grund und der Höhe nach jedenfalls schon dann nicht bindend, wenn dem Angeklagten (wie hier) im Abgabenverfahren wegen Bescheidzustellung an den Masseverwalter keine Parteistellung zukam (11 Os 59,60/86). Auch in einem derartigen Fall bleibt es dem Gericht nach entsprechenden Beweisaufnahmen zwar unbenommen, die im einzelnen als richtig erkannten abgabenbehördlichen Feststellungen seinem Tatsachenausspruch zugrundezulegen. Der in § 270 Abs. 2 Z 5 StPO normierten gerichtlichen Begründungspflicht wird dabei allerdings nur Genüge getan, wenn das Urteil die hiefür maßgeblichen Erwägungen (wenigstens in gedrängter Darstellung) enthält. Davon kann aber im konkreten Fall nicht die Rede sein. Beschränken sich doch die Urteilsgründe auf eine (überwiegend wörtliche) Wiederholung der in der Begründung der Anklageschrift (ON 12) zusammengefaßten Ergebnisse der abgabenbehördlichen Betriebsprüfung (S 157 ff), ohne - wie in der Mängelrüge (Z 5) zutreffend reklamiert - überhaupt auszusprechen, ob und aus welchen Erwägungen sich der erkennende Schöffensenat den abgabenbehördlichen Feststellungen angeschlossen hat. Das von der Beschwerde vermißte eigenständige tatrichterliche Begründungssubstrat erweist sich hier umso weniger als entbehrlich, als der abgabenbehördlichen Quantifizierung der dem Angeklagten angelasteten Abgabenhinterziehung schwerpunktmäßig Schätzungen gemäß § 184 BAO zugrunde lagen, mit deren Ergebnissen der Angeklagte im Abgabenbemessungsverfahren nicht konfrontiert worden war.

So gesehen bedeutete es auch eine Beeinträchtigung wesentlicher Verteidigungsinteressen (Z 4), wenn das Erstgericht den in der letzten Hauptverhandlung wiederholten (S 141) Antrag auf Einholung eines Buchsachverständigengutachtens zur Überprüfung der abgabenbehördlichen Schätzungen anhand der Geschäftsunterlagen der jeweiligen Vertragspartner der Angeklagten (S 123) mit dem bloßen Hinweis auf § 55 FinStrG abwies (S 141). Erweise sich doch die angestrebte Beweisaufnahme bei der in Rede stehenden Fallkonstellation nur unter der (bisher nicht geklärten) Voraussetzung als obsolet, daß sich die abgabenbehördliche Schätzung ausschließlich auf ein Geschäftsvolumen beschränkte, hinsichtlich dessen keine wie immer gearteten buchhalterischen Anhaltspunkte (auch nicht zur Ermittlung des jeweiligen Vertragspartners) vorlagen.

Schon aus den dargelegten Erwägungen waren die auf das Finanzstrafgesetz gestützten Schuldsprüche aufzuheben, weshalb sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen dazu erübrigt.

Aber auch soweit sich die Beschwerde gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach (richtig - SSt 55/55:) § 288 Abs. 2 zweiter Fall StGB richtet, ist sie im Recht. Im Sinn der Mängelrüge (Z 5) trifft es nämlich zu, daß der Angeklagte dem Masseverwalter Dr. S***** nach dessen Angaben in der Hauptverhandlung (S 134, 136) die bei Ablegung des Offenbarungseides vernachlässigte Forderung gegen die Firma D***** selbst zur Kenntnis brachte, ein Umstand, der nicht auf der Linie vorsätzlich falscher Eidesleistung liegt und daher in die Urteilserwägungen miteinzubeziehen gewesen wäre. Mangels Berücksichtigung dieses Verfahrensergebnisses liegt die sinngemäß geltend gemachte Unvollständigkeit der Urteilsbegründung zu diesem Faktum vor.

Da sich damit zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, war der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Beratung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden (§ 285 e StPO).

Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E27264

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0110OS00032.91.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19910625_OGH0002_0110OS00032_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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