TE OGH 1991/7/5 5Ob505/91

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Veröffentlicht am 05.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Evelyn E*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Dr. Walter Poschinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Gottfried E*****, Bauarbeiter, ***** vertreten durch Dr. Jürgen Hadler, Rechtsanwalt in Voitsberg, wegen Leistung des Unterhaltes (Streitwert S 118,800,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 15.November 1990, GZ 1 R 433/90-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 7.August 1990, GZ 1 C 44/89x-44, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 1.836,48 (einschließlich S 306,08 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, die von ihrem Ehegatten, dem Beklagten, seit 8.5.1989 getrennt lebt, begehrt eine monatliche Unterhaltsleistung von S 3.300,--.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wies vor allem auf die von seiner Frau bezogene Notstandshilfe, seine Sorgepflichten für drei Kinder (zusammen S 3.900,-- pro Monat) und die von ihm mit monatlich S 3.000,-- zu tilgenden Kreditschulden hin.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren für die Zeit vom 8.5.1989 bis 20.10.1989 mit monatlich S 2.500,-- und ab 19.2.1990 mit monatlich S 700,-- statt. Das Mehrbegehren von monatlich S 800,-- für die Zeit vom 8.5.1989 bis 20.10.1989, von monatlich S 3.300,-- vom 21.10.1989 bis 18.2.1990 und von monatlich S 2.600,-- ab 19.2.1990 wie es ab.

Das Erstgericht stellte - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte bezog bis 20.10.1989 ein monatliches Arbeitseinkommen von durchschnittlich S 16.400,-- und 14 mal jährlich eine Versehrtenrente von je S 2.050,--. An Unterhaltsleistungen für seine drei Kinder erbringt der Beklagte monatlich S 3.900,--. Die Klägerin erhielt eine monatliche Notstandshilfe von rund S 5.640,--.

Rechtlich verneinte das Erstgericht - in der Folge unbekämpft - das Vorliegen eines Rechtsmißbrauches und erachtete die oben angeführten Unterhaltsbeträge bei Berücksichtigung der Sorgepflichten des Beklagten und der festgestellten Einkommensverhältnisse beider Teile, insbesondere unter Einbeziehung der von der Klägerin bezogenen Notstandshilfe, als angemessenen Unterhalt.

Das Berufungsgericht hat über Berufung nur der Klägerin gegen den abweisenden Teil der erstgerichtlichen Entscheidung

a) die Abweisung von monatlich S 800,-- für die Zeit vom 8.5.1989 bis 20.10.1989 mit Teilurteil bestätigt und die Zulässigkeit der ordentlichen Revision ausgesprochen, sowie

b) im übrigen die abweisenden Teile des erstgerichtlichen Urteiles aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an die I.Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, ohne die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof diesbezüglich auszusprechen.

Zur Begründung des Teilurteiles führte das Berufungsgericht aus, daß entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin die Notstandshilfe als eigenes Einkommen bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sei. Werde nämlich bedacht, daß auch Sozialhilfeleistungen als Aufwand von dritter Seite Berücksichtigung zu finden hätten und daß die Annahme einer Notlage im Sinne des § 33 Abs 4 AlVG allfällige Unterhaltsansprüche als zur Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des Arbeitslosen unzureichend voraussetze, dann würde es zu unbilligen Ergebnissen führen, wenn die Notstandshilfe bei der Berechnung des Unterhaltes außer Betracht bliebe. Berücksichtige man die von der Klägerin bezogene Notstandshilfe bei der Unterhaltsbemessung, so sei der ihr vom Erstgericht zuerkannte Betrag von monatlich S 2.500,-- durchaus angemessen.

Die ordentliche Revision gegen das Teilurteil sei wegen der unterschiedlichen Judikatur zur bedeutsamen Frage, ob die Notstandshilfe als Eigeneinkommen des Unterhaltsberechtigten zu werten sei (4 Ob 522/88 = EFSlg.57.259; EFSlg.47.475 und 52.380) zulässig.

Gegen den abweisenden Teil dieses Teilurteiles richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, es - unter Außerachtlassung der von ihr bezogenen Notstandshilfe als eigenes Einkommen - in klagestattgebendem Sinn abzuändern.

Der Beklagte begehrt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB sind bei Bemessung des Unterhaltes des haushaltsführenden Ehegatten dessen eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen. Dies gilt nach § 94 Abs 2 Satz 3 ABGB auch nach Aufhebung des gemeinsamen

Haushalts - Rechtsmißbrauch liegt nicht vor - zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten grundsätzlich weiter, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine sogenannte Hausfrauenehe oder eine Ehe mit Berufstätigkeit beider Ehegatten handelte. Der Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 Satz 3 ABGB führt daher bei wesentlich verschieden hohem Einkommen zweier berufstätiger Ehegatten dazu, daß der Ehegatte mit höherem Einkommen dem Ehegatten mit niedrigerem Einkommen die erforderlichen Mittel zuzuschießen hat, um auch diesem die Deckung der den Lebensverhältnissen beider Ehegatten angemessenen Bedürfnisse zu ermöglichen (EvBl.1977/218 und 219). Wesentlich für die Entscheidung dieser Rechtssache ist es also, ob die von der Klägerin bezogene Notstandshilfe als deren eigenes Einkommen zu werten und demgemäß bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen ist. Der erkennende Senat sieht in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen aus folgenden Gründen die Notstandshilfe als bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigendes eigenes Einkommen der Klägerin an:

Rechtliche Beurteilung

Zweifellos ist unter eigenem Einkommen das vom Unterhaltsberechtigten erzielte Arbeitseinkommen und die an dessen Stelle tretende Versicherungsleistung für den Fall des Alters, der Erwerbsunfähigkeit oder der geminderten Erwerbsfähigkeit (Pension, Rente) zu verstehen. Unselbständig Erwerbstätige sind auch gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit durch die Arbeitslosenversicherung geschützt und erhalten bei Eintritt des Versicherungsfalles der Arbeitslosigkeit die Versicherungsleistungen Arbeitslosengeld, später Notstandshilfe nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz. Es kann wohl nicht ernsthaft bezweifelt werden, daß das Arbeitslosengeld als eine das entgangene Arbeitseinkommen ersetzende Versicherungsleistung ebenso wie Pensionen und Renten - wie oben ausgeführt - als eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sind. Dies hat aber aus folgenden Erwägungen auch für die Notstandshilfe zu gelten:

Auch auf die Notstandshilfe besteht ein Rechtsanspruch (VwSlgNF 3.580; Dirschmied, Arbeitslosenversicherungsgesetz2 202); die Höhe der Notstandshilfe orientiert sich an der Höhe des wiederum vom seinerzeitigen Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit abhängigen Arbeitslosengeldes (§ 36 Abs 1 AlVG). Weitere Voraussetzung ist nach § 33 Abs 2 lit c AlVG Notlage, die dann gegeben ist, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist (§ 33 Abs 4 AlVG). Unterhaltsansprüche als solche sind auf den Bezug der Notstandshilfe ohne Einfluß. Nur dann, wenn der Notstandshilfeempfänger mit dem Ehegatten

(Lebensgefährten) - anders als im hier zu beurteilenden Fall - im gemeinsamen Haushalt lebt, werden die über bestimmte Freigrenzen hinausgehenden Einkommensteile des Ehegatten (Lebensgefährten) gemäß § 6 NotstandshilfeVO in der Weise berücksichtigt, daß die Notstandshilfe um diese Einkommensteile vermindert wird. Dem liegt offenbar der Gedanke zugrunde, daß dem im gemeinsamen Haushalt mit dem Ehegatten (Lebensgefährten) lebenden Notstandshilfeempfänger rein faktisch gewisse Leistungen zugute kommen, die die Anspruchsvoraussetzung "Notlage" beeinflussen. Daß es sich dabei nicht um die Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruches handelt, ergibt sich sowohl daraus, daß die Einkünfte des Lebensgefährten berücksichtigt werden, dem gegenüber kein Unterhaltsanspruch besteht, und andererseits daraus, daß die Freigrenzen rein schematisch mit absoluten Beträgen unabhängig von der Einkommenshöhe des Ehegatten bzw. Lebensgefährten vorgegeben sind. So ist es zwar richtig, daß der Unterhaltsanspruch dem Anspruch auf Notstandshilfe vorgeht, wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 522/88 = EFSlg.57.259 aussprach, doch läßt sich daraus nicht die in der letztgenannten Entscheidung gezogene Schlußfolgerung ableiten, daß der Bezug der Notstandshilfe auf den Unterhaltsanspruch ohne Einfluß ist. Aus all dem bisher Gesagten folgt vielmehr, daß die Notstandshilfe Arbeitseinkommen des Notstandshilfeempfängers als Versicherungsleistung mit Rechtsanspruch ersetzen soll, freilich betraglich nur insoweit, als der an sich gebührende, von der Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes abhängige Betrag um schematisch zu ermittelnde Einkommensteile des in gemeinsamem Haushalt lebenden Ehegatten (Lebensgefährten) unter dem Gesichtspunkt der Notlage zu kürzen ist. Lebt der Notstandshilfeempfänger - wie in diesem Fall - mit dem unterhaltspflichtigen Ehegatten bzw. Lebensgefährten nicht in gemeinsamem Haushalt, so ist dessen Einkommen auf die Höhe der Notstandshilfe überhaupt ohne Einfluß. Es besteht daher kein Anlaß, die vom Unterhaltsberechtigten empfangene Notstandshilfe anders zu behandeln als das den Grund für den Empfang der Notstandshilfe bildende seinerzeitige Arbeitseinkommen und das darauf folgende Arbeitslosengeld (so auch die in EFSlg.52.380 veröffentlichte Entscheidung des OLG Wien).

Ist Notstandshilfe als eigenes Einkommen der Klägerin bei Bemessung des ihr gebührenden Unterhaltes zu berücksichtigen, so wird das Gesetz durch den zugesprochenen Unterhalt von S 2.500,-- pro Monat für den hier entscheidungswesentlichen Zeitraum nicht zum Nachteil der Klägerin verletzt. Auf die von den Vorinstanzen vorgenommene Berechnungsart ist daher nicht weiter einzugehen.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Kostenbemessungsgrundlage ist das abgewiesene monatliche Unterhaltsmehrbegehren von S 800,-- für sechs Monate (8.5.1989 bis 20.10.1989), also S 4.800,--.

Anmerkung

E26221

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00505.91.0705.000

Dokumentnummer

JJT_19910705_OGH0002_0050OB00505_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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