TE OGH 1991/7/10 9ObA83/91

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Veröffentlicht am 10.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Alfred Mayer und Otto Schmitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Univ.-Doz.Dr.W***** K*****, Facharzt, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei S***** Gebietskrankenkasse *****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung (Streitwert S 1,181.502), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Jänner 1991, GZ 12 Ra 1/91-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzbnrg als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. August 1990, GZ 18 Cga 67/90-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Arbeitsrechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur allfälligen Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Gegen den Kläger, der Chefarzt der Beklagten ist, wurde von dieser ein Disziplinarverfahren eingeleitet und eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1988 enthob der Obmann der Beklagten den Kläger mit Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 28a DO.B bei gleichzeitiger Herabsetzung der Dienstbezüge auf zwei Drittel vom Dienst.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger - für das Revisionsverfahren noch wesentlich - die Feststellung, daß diese Suspendierung inhaltlich rechtsunwirksam bzw nicht gerechtfertigt sei, da die von der Beklagten geltend gemachten Gründe nicht vorlägen.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Vielzahl und Schwere der gegen den Kläger erhobenen und im einzelnen angeführten Vorwürfe habe es unzumutbar gemacht, den Kläger weiterhin im Dienst zu belassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Es traf folgende ergänzende "Feststellungen", die sich zusammenfassen lassen wie folgt:

Im Zeitpunkt der Dienstenthebung waren gegen den Kläger Disziplinarverfahren wegen insgesamt 11 (schlagwortartig bezeichneter) Fakten anhängig. Grundlage der Verfahren war ein Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und daran anschließende Erhebungen. Mit Ausnahme dreier Vorwürfe sind diese Themenbereiche auch Gegenstand von gegen den Kläger eingeleiteten gerichtlichen Vorerhebungen.

Der Inhalt der Strafanzeige bzw der Sachverhaltsdarstellungen (der Beklagten) wird dem Urteil ebenso als "integrierender Bestandteil der Feststellungen" angeschlossen wie der sich auf den Kläger beziehende Teileinschaubericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der ermittelte Sachverhalt objektive Anhaltspunkte für die dem Kläger zur Last gelegten Verfehlungen ergeben habe, so daß ausreichende Verdachtsgründe für eine Suspendierung vorgelegen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige. Es hielt die "Feststellungen" des Erstgerichts für ausreichend, billigte dessen Rechtsansicht und führte ergänzend aus, daß sich aus den vorgelegten Berichten hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme ergäben, daß der Kläger seine Dienstpflichten gröblich verletzt habe. Diesem Ergebnis stehe nicht entgegen, daß die Richtigkeit der "Tatsachen", aus denen sich der Verdacht ableite, eben noch nicht nachgewiesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Oberste Gerichtshof bereits im ersten Rechtsgang darlegte (9 Ob A 351/89 = DRdA 1991/13 [zustimmend Binder]), braucht der betroffene Dienstnehmer eine im Widerspruch zu § 28a DO.B angeordnete Suspendierung als Verletzung des Dienstvertrages nicht hinzunehmen. Es ist daher im vorliegenden Fall im Sinn des § 28a Abs 2 DO.B zu prüfen, ob tatsächlich ausreichende Verdachtsgründe für eine Suspendierung des Klägers vorgelegen sind. Entscheidend ist, ob die Belassung des Klägers im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung wesentliche Interessen des Versicherungsträgers gefährdet hätte. Dabei geht es nicht um die Vorwegnahme der Ergebnisse des Disziplinarverfahrens, sondern lediglich darum, ob die von der Beklagten behaupteten Verfehlungen im Sinne eines an objektiven Kriterien gemessenen begründeten Verdachts auch zutreffen. In diesem Vorstadium ist demnach nur zu untersuchen, ob eindeutige Anhaltspunkte für das Gerechtfertigtsein der Dienstenthebung gesprochen haben. Die festzustellenden Verdachtsmomente sind unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs zu gewichten und die Schädlichkeit und Fortbeschäftigung des Klägers für die Beklagte ist zu prognostizieren. War demnach eine wesentliche Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten zu befürchten, darf die ausgesprochene Suspendierung nicht aufgehoben werden (vgl Binder, DRdA 1991, 143 ff, 145).

Die Arbeitsrechtssache ist noch nicht spruchreif, da es die Vorinstanzen auch im zweiten Rechtsgang unterlassen haben, konkrete und begründete Verdachtsmomente zu den behaupteten Verfehlungen festzustellen. Der bloße Hinweis des Erstgerichts auf eine von der Beklagten erstattete Strafanzeige und die von ihrem Rechtsvertreter verfaßten Sachverhaltsdarstellungen vermögen konkrete und überprüfbare Feststellungen im obigen Sinn ebensowenig zu ersetzen wie der bloße Verweis auf einen als Beilage vorgelegten Teileinschaubericht.

Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs 2 ZPO begründet.

Anmerkung

E27177

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00083.91.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19910710_OGH0002_009OBA00083_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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