TE OGH 1991/7/10 3Ob532/91

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Veröffentlicht am 10.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hüseyin B*****, vertreten durch Dr. Hans Schönherr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei GEMEINNÜTZIGE SIEDLUNGS-GENOSSENSCHAFT *****, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 67.860,- sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 22. Jänner 1991, GZ 48 R 21/91-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. November 1990, GZ 43 C 350/90-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.077,- (darin S 679,50 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger, der seit 1981 Mieter einer Wohnung in einem Haus ist, das im Eigentum der beklagten Partei steht, begehrt den Zuspruch von S 67.860,- sA. Im Zuge von Renovierungsarbeiten an dem Haus sei es auch zu verschiedenen Arbeiten in der Wohnung des Klägers gekommen. Diese Arbeiten seien mangelhaft durchgeführt worden. Infolge mangelhafter Vorarbeiten sei es darüber hinaus zu einem Wassereinbruch vom Dach her gekommen, der erhebliche Schäden in der Wohnung des Klägers verursacht habe. Bei der Behebung dieser Schäden seien weitere Schäden entstanden.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestreitet nicht, daß im Zuge von Renovierungsarbeiten und durch einen Wassereinbruch Schäden in der Wohnung des Klägers entstanden seien. Der geltend gemachte Schaden sei jedoch überhöht und zum Teil behoben, und es seien auch nicht alle behaupteten Schäden eine Folge der bezeichneten Ursachen. Der Kläger könne nur Naturalrestitution verlangen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und erklärte das durchgeführte Verfahren für nichtig. Gemäß § 37 Abs.1 Z 5 MRG sei über die Duldung von Eingriffen in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs-, Verbesserungs- und Änderungsarbeiten einschließlich des Anspruches auf angemessene Entschädigung (§ 8 Abs.2 und 3 MRG) im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden. Die Schäden seien auf Grund vom Vermieter durchgeführter umfassender Sanierungsarbeiten im Haus entstanden; diese Arbeiten seien dem § 8 Abs.2 Z 1 MRG zuzuordnen.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf; es sprach aus, daß der weitere Rekurs zulässig sei. Gemäß § 8 Abs.3 MRG seien alle Erhaltungs-, Verbesserungs- und Änderungsarbeiten, die ein Mieter im Sinne des § 8 Abs.2 MRG zuzulassen habe, so durchzuführen, daß eine möglichste Schonung des Mietrechtes des betroffenen Mieters gewährleistet ist; für wesentliche Beeinträchtigungen sei aber der Mieter, der hiedurch in seinen Rechten beeinträchtigt werde, angemessen zu entschädigen. Da es sich um Arbeiten handle, die ein Mieter "hienach" - also nach § 8 Abs.2 MRG - zuzulassen habe, umfasse § 8 Abs.3 MRG nicht die allgemeinen Schadenersatzpflichten, die nach den Regeln der Verschuldenshaftung den schädigenden Vertragspartner oder deliktisch Handelnden treffen. Vielmehr werde eine Ersatzpflicht trotz Rechtmäßigkeit des Eingriffs in das Mietrecht des Geschädigten statuiert. Werde der Mieter in der Ausübung seines Mietrechtes bei Durchführung der Arbeiten beeinträchtigt, könne er für diese Einschränkung des Mietrechtes Entschädigung begehren, wobei allerdings nur wesentliche Beeinträchtigungen zu entschädigen seien, also solche, die den ordentlichen Gebrauch des Mietrechtes berühren. Zu ersetzen sei also nur der durch die wesentliche Beeinträchtigung der Mietrechtsausübung infolge Durchführung der Arbeiten entstandene Schaden. Komme es darüber hinaus infolge Vertragsverletzung oder außervertraglicher Mißachtung der Grenzen der Duldungspflicht nach § 8 Abs.2 MRG zu Benachteiligungen des Mieters, griffen die Regeln des allgemeinen Schadenersatzrechtes. Der Kläger begehre keine Entschädigung, die ihm auf Grund einer wesentlichen Einschränkung seines Mietrechtes zustehe, sondern den Ersatz von Schäden, die in seinem Mietobjekt und an seinen Einrichtungsgegenständen durch unsachgemäße Durchführung von Erhaltungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses entstanden seien. Es handle sich demnach um einen Ersatzanspruch, der nach den allgemeinen Kriterien des Schadenersatzrechtes und daher im streitigen Verfahren zu prüfen sei. Die Voraussetzungen des § 528 Abs.1 ZPO seien gegeben, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Abgrenzung von Entschädigungsansprüchen im außerstreitigen Verfahren nach § 8 Abs.3 MRG und nach allgemeinen Schadenersatzregeln nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Nach § 8 Abs.2 Z 1 MRG hat der Hauptmieter das Betreten des Mietgegenstandes durch den Vermieter oder die von diesem beauftragten Personen aus wichtigen Gründen zu gestatten und die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstandes zuzulassen, wenn und so weit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Miethauses oder zur Behebung ernster Schäden des Hauses im oder in einem anderen Mietgegenstand notwendig und zweckmäßig ist. Nach dem vom Rekursgericht bereits zitierten § 8 Abs.3 MRG hat der Vermieter den Mieter für wesentliche Beeinträchtigungen bei der Durchführung derartiger Arbeiten angemessen zu entschädigen.

Nach dem Vorbringen in seiner Klage fühlt sich der Kläger nicht durch eine (vorübergehende) Benützung oder Veränderung seines Mietgegenstandes anläßlich der Durchführung von Erhaltungsarbeiten oder der Behebung ernster Schäden des Hauses und eine wesentliche Beeinträchtigung, die hiedurch entstanden wäre, beschwert. Es geht nicht darum, daß er Eingriffe in seine Mietrechte wegen derartiger Arbeiten nicht zulassen, sie nicht dulden wollte, oder daß er einen Anspruch auf Entschädigung wegen wesentlicher hiedurch entstandener Beeinträchtigungen behauptet (§ 37 Abs.1 Z 5 MRG). Der Kläger macht vielmehr einen Schadenersatzanspruch geltend, weil Renovierungsarbeiten, die im Auftrag der beklagten Partei am ganzen Haus und auch in seiner Wohnung vorgenommen wurden, mangelhaft durchgeführt worden seien, sodaß in Verbindung mit einem zufolge dieser mangelhaft durchgeführten Arbeiten eingetretenen Wassereinbruch und dadurch notwendig gewordenen Bauführungen in der Wohnung des Klägers, wie etwa einer Pölzung der Decke und Entfernung des Bodens, Schäden an Einrichtungsgegenständen, an Tapeten und an der Malerei entstanden seien. Es handelt sich damit nicht um eine Ersatzpflicht des Vermieters trotz Rechtmäßigkeit des Eingriffs in die Mietrechte des Klägers im Sinne des § 8 Abs.3 MRG (vgl. Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz, 244). Nach dem Klagevorbringen habe vielmehr die beklagte Partei die Grenzen der Duldungspflicht des Klägers im Sinne des § 8 MRG überschritten und dadurch als Vermieterin den mit dem Kläger abgeschlossenen Vertrag verletzt und sie hafte deshalb für die entstandenen Schäden nach den Regeln des allgemeinen Schadenersatzrechtes (Krejci aaO; vgl. auch MietSlg. 38/51). Mit Recht ist deshalb die zweite Instanz zur Ansicht gekommen, der Anspruch des Klägers sei im streitigen Verfahren zu überprüfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO (Zwischenstreit).

Anmerkung

E26484

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00532.91.0710.000

Dokumentnummer

JJT_19910710_OGH0002_0030OB00532_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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