TE OGH 1991/7/11 7Ob9/91

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Veröffentlicht am 11.07.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Wolfgang Z*****, vertreten durch Dr.Hansjörg Mader und Dr.Christian Kurz, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei I*****AG, *****, vertreten durch Dr.Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 225.656 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 19.Februar 1991, GZ 1 R 292/90-27, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 10. Juli 1990, GZ 40 Cg 4/89-22, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Zwischen den Streitteilen besteht zur Polizze Nr 6/71/23533848 eine Unfallversicherung, der die AUVB 1982 zugrundeliegen.

Der am 17.2.1961 geborene Kläger ist Postbeamter. Am 24.4.1988 nahm er an einem von seiner Dienststelle organisierten Fußballspiel teil. Der Kläger hatte damals seit etwa vier bis fünf Jahren nicht mehr Fußball gespielt. Während des Spiels kam es zwischen dem Kläger und einem Spieler der gegnerischen Mannschaft zu einem Zweikampf, im Zuge dessen beide Spieler Ballkontakt hatten (Preßball). Dabei riß die linke Achillessehne des Klägers. Der Kläger kam auch zum Sturz. Es steht jedoch nicht fest, ob die Achillessehne des Klägers schon im Zuge des Zweikampfes oder erst im Zuge des Sturzes riß und ob der Sturz eine Folge des Zweikampfes oder des Sehnenrisses war. Jedenfalls kam es im Verletzungsbereich nicht zu einem körperlichen Kontakt zwischen dem Kläger und dem Spieler der gegnerischen Mannschaft. Eine Degeneration der Sehne des Klägers ist nicht wahrscheinlich. Ein Zweikampf bei einem Fußballspiel mit gleichzeitigem Ballkontakt zweier Spieler ist ein geeignetes Ereignis für einen unfallbedingten Riß auch einer gesunden Achillessehne.

Aufgrund dieser Beinverletzung besteht eine teilweise dauernde Invalidität.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von S 225.656 samt 10 % Zinsen seit 10.12.1988. Der Archillessehnenriß sei die Folge eines Freizeitunfalles als Hobbysportler. Es liege ein Unfall im Sinne des Art 2 Z 1 AUVB vor. Ein Preßball oder eine auf den Körper des Klägers ausgeübte Gewalteinwirkung seien aber auch als plötzliche und ungewollte Kraftanstrengung im Sinne des Art 2 Z 2 lit b AUVB 1982 zu beurteilen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der Sehnenriß sei keine unmittelbare Folge einer Einwirkung von außen. Der im Zuge des Spielgeschehens aufgetretene Preßball sei auch kein Ereignis im Sinne des Art 2 Z 2 lit b AUVB 1982. Im übrigen sei die Achillessehne des Klägers bereits degenerativ verändert und nur mehr vermindert belastbar gewesen.

Das Erstgericht gab der Klage im wesentlichen statt; nur das die gesetzlichen Verzugszinsen übersteigende Zinsenmehrbegehren wies es ab. Daß ein Verhalten, das der Versicherte zunächst gewollt begonnen habe, sich später seiner Beherrschung entziehe und durch einen unerwarteten Ablauf schädigend auf den Versicherten einwirke, stehe der Annahme eines Unfalls nicht entgegen. Ausgehend von einer Invalidität des verletzten Beines von 20 % finde der geltend gemachte Anspruch in der Versicherung Deckung.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; weiters sprach es aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm - mit Ausnahme der Feststellung des Grades der Invalidität - die Feststellungen des Erstgerichtes und schloß sich im wesentlichen dessen rechtlicher Beurteilung an. Die Sache sei aber noch nicht spruchreif, weil die Feststellung über den Grad der Invalidität nicht ausreichend begründet sei und Feststellungen über die Fälligkeit des Leistungsanspruches fehlten.

Der dagegen von der Beklagten erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß Art 2 Z 1 AUVB 1982 gilt als Unfall im Sinne des Vertrages jedes vom Willen des Versicherten unabhängige Ereignis, das, plötzlich von außen mechanisch oder chemisch auf seinen Körper einwirkend, eine körperliche Schädigung oder den Tod des Versicherten nach sich zieht; als Unfall gelten gemäß Art 2 Z 2 lit b AUVB 1982 auch Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen - nicht jedoch der inneren Organe und Gefäße - infolge plötzlicher ungewohnter Kraftanstrengung. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (RdW 1984, 208 = VersR 1984, 1208), schließt eigenes Verhalten des Versicherten die Annahme eines Unfalls grundsätzlich nicht aus; es ist vielmehr anerkannt, daß eigenes Verhalten zum Unfall beitragen, ihn sogar herbeiführen kann (Bruck-Möller, VVG8 VI/1, 271). Auch eigene Bewegungen des Verletzten können daher darunter fallen, wenn sie die Gesundheitsschädigung zusammen mit einer äußeren Einwirkung ausgelöst haben (Prölss-Martin, VVG24, 738). Gewolltes und gesteuertes Verhalten des Versicherungsnehmers wird allerdings nicht als Unfallereignis angesehen werden können, weil es in diesem Fall an einem plötzlich von außen wirkenden Ereignis fehlen würde (Bruck-Möller aaO 277). Ein Unfall liegt dagegen bei einem Vorgang vor, der vom Versicherten bewußt und gewollt begonnen und zunächst in seinem Ablauf beherrscht wurde, sich dieser Beherrschung aber durch einen unerwarteten Ablauf entzogen und nunmehr schädigend auf den Versicherten eingewirkt hat (Bruck-Möller aaO 274).

Daß der Kläger zunächst den Angriff auf das gegnerische Tor begonnen und den Zweikampf mit einem gegnerischen Spieler aufgenommen hat, schließt einen Unfall nicht schon von vornherein aus. Auch der Umstand, daß zwischen dem Kläger und dem Gegner kein direkter Körperkontakt bestanden - insbesondere auch keine unmittelbare Berührung der verletzten Stelle stattgefunden - hat, ist nicht entscheidend. Auf die Dauer des Zweikampfes vor dem schädigenden Ereignis kommt es nach den vorstehenden Ausführungen ebenfalls nicht an. Maßgebend ist nur, daß der Kläger die Beherrschung über den Geschehensablauf durch ein unerwartetes Ereignis verloren hat. Das ist aber bei einem sogenannten "Preßball", auf den also im Zweikampf gleichzeitig verschiedene Bewegungen und Kräfte einwirken, der Fall, weil damit die vom Kläger gewollte Beinbewegung zum Ball durch das Einwirken eines Dritten eine unerwartete Änderung erfahren hat, wodurch ihm die Behrrschung der eigenen Bewegung entzogen wurde. Das Merkmal der Plötzlichkeit erschöpft sich auch nicht - wie die Beklagte meint - in dem Begriff der Schnelligkeit; es schließt vielmehr als wesentlich hervorstechendes Merkmal das Moment des Unerwarteten, nicht Vorhergesehenen, Unentrinnbaren ein (Prölss-Martin aaO 740); es ist im vorliegenden Fall wegen des für den Kläger nicht vorhersehbaren Verhaltens des Gegners im Zweikampf daher unabhängig von der Dauer des Zweikampfes gegeben. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist somit ein "Preßball" ein Ereignis im Sinne der AUVB 1982.

Die Ursächlichkeit des Preßballes für die Verletzung ist nicht strittig. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Sache auch unter der Voraussetzung, daß ein Unfall vorliegt, noch nicht spruchreif ist, bekämpft die Beklagte nicht. Ihrem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E27135

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00009.91.0711.000

Dokumentnummer

JJT_19910711_OGH0002_0070OB00009_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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