TE OGH 1991/8/28 9Ob710/91

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Veröffentlicht am 28.08.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Gamerith, Dr. Maier, Dr. Petrag und Dr. Bauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** S*****, vertreten durch***** Rechtsanwälte*****, wider die beklagte Partei L***** S*****, vertreten durch***** Rechtsanwalt*****, wegen 3,000.000 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 27. März 1991, GZ 7 R 1/91-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 20. November 1990, GZ 24 Cg 219/89-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil sowie das Ersturteil, soweit damit über das Eventualbegehren abgesprochen wurde, werden aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger ist der Vetter des am 25. März 1986 verstorbenen A***** S*****, in dessen Nachlaß unter anderem die Liegenschaft EZ 1393 KG J***** gehörte. Der Nachlaß einschließlich dieser Liegenschaft wurde dem Bruder des Erblassers F***** S***** aufgrund der schriftlichen letztwilligen Anordnung vom 9. Dezember 1979 über Erbsentschlagung der - in diesem Testament gleichfalls als Erbin eingesetzten - Beklagten unter Hinweis auf ein geschlossenes Übereinkommen am 8. April 1987 zur Gänze eingeantwortet. Am 1. Juni 1988 verstarb auch F***** S*****. Der Nachlaß wurde seiner Witwe (der Beklagten) aufgrund des Testaments vom 20. Juli 1962 am 21. Juli 1988 zur Gänze eingeantwortet. Mit Vertrag vom 15. Juli 1988 schenkte die Beklagte die gegenständliche Liegenschaft je zur Hälfte den Ehegatten K***** und H***** H*****. Aufgrund dieses Schenkungsvertrages und der Einantwortungsurkunde wurde unter TZ 30.891/1988 des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz das Eigentumsrecht für die Ehegatten H***** einverleibt.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 3. Juli 1984 war für A***** S***** Dr. H***** S***** vom Verein für Sachwalterschaft zum einstweiligen Sachwalter für das Verfahren sowie für die Vermögensverwaltung für die Dauer des Verfahrens bestellt worden; in der Folge wurde Dr. H***** S***** zum endgültigen Sachwalter für die Vermögensverwaltung bestellt. Der Beschluß über die Bestellung zum einstweiligen Sachwalter wurde Dr. H***** S***** am 5. Juli 1984 zugestellt. Am 6. Juli 1984 errichteten A***** S***** und der Kläger einen notariellen Schenkungsvertrag auf den Todesfall über die gegenständliche Liegenschaft. In diesem Vertrag wurde dem Kläger auch ein Vorkaufsrecht eingeräumt und ihm außerdem die Liegenschaft für den Fall der Ungültigkeit der Schenkung auf den Todesfall vermacht. In Gegenwart des Notars und zweier Zeugen wurde der Notariatsakt A***** S***** vorgelesen und sodann von A***** S***** bestätigt, daß er seinen wahren letzten Willen enthalte. Der Notariatsakt wurde von A***** S*****, dem Notar und dem Kläger unterschrieben. Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Dezember 1985 wurde ausgesprochen, daß der zwischen A***** S***** und dem Kläger errichtete Schenkungsvertrag auf den Todesfall rechtsunwirksam sei. Aufgrund einer am 16. November 1984 erfolgten Befundaufnahme hatte das Gericht festgestellt, daß bei A***** S***** bereits am 6. Juli 1984 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein hochgradiger intellektueller Abbau gegeben war. Der Berufung des nunmehrigen Klägers wurde im Hinblick darauf nicht Folge gegeben, daß zum Zeitpunkt der Errichtung des Notariatsaktes bereits ein Sachwalter für A***** S***** bestellt worden war.

In der Verlassenschaftssache nach A***** S***** legte am 21. Oktober 1986 K***** S***** als Vertreterin des Klägers dem Gerichtskommissär ein Schriftstück vom 5. März 1984 vor, worin A***** S***** erklärte, dem Kläger die gegenständliche Liegenschaft auf den Todesfall zu schenken, weiters ein Schreiben des A***** S***** vom 27. Juni 1984, worin dieser unter dem Titel "Mein Nachlaß" erklärte, "Ich will meinen Garten in Liebenau meinem Vetter, N***** S***** nach meinem Ableben geben". Beide Anordnungen sind von A***** S***** auch unterfertigt. Ferner legte K***** S***** eine Kopie des Notariatsaktes vom 6. Juli 1984 vor.

Am 29. Dezember 1986 machte der Gerichtskommissär die von K***** S***** vorgelegten letztwilligen Anordnungen vom 5. März 1984 und 27. Juni 1984 kund. Am 11. Februar 1987 erschien K***** S***** als Vertreterin des Klägers über Ladung beim Gerichtskommissär. Nach Belehrung durch den Gerichtskommissär, daß das Schreiben vom 5. März 1984 nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 956 ABGB erfülle, da die Schenkung vom Bedachten nicht angenommen worden sei und andererseits die gesetzliche Formvorschrift des Notariatsaktes nicht erfüllt sei, erklärte K***** S*****, zu den Schreiben des Erblassers vom 5. März 1984 und 27. Juni 1984 ohne vorherige rechtsfreundliche Beratung keine Erklärungen abzugeben. Sie erkläre jedoch namens des Klägers ausdrücklich, daß sie die im notariellen Schenkungsvertrag auf den Todesfall vom 6. Juli 1984 enthaltene letztwillige Anordnung des Erblassers als Vermächtnis auslege und dieses beanspruche.

Sodann fand in der Verlassenschaftssache nach A***** S***** am 18. März 1987 eine Verhandlung vor dem Gerichtskommissär statt, an der neben dem Vertreter der Vermächtnisnehmer K***** und A***** R*****, ferner die Beklagte und ihr Gatte F***** S***** sowie deren Anwalt teilnahmen. In dieser Tagsatzung wurde vom Gerichtskommissär bekanntgegeben, daß A***** S***** mit Schreiben vom 5. März 1984 seine Liegenschaft dem Kläger auf den Todesfall geschenkt habe; weiters wurde der Inhalt des Schreibens vom 27. Juni 1984 mitgeteilt. Schließlich wurde auch bekanntgegeben, daß der Erblasser mit im Notariatsakt vom 6. Juli 1984 enthaltener letztwilliger Anordnung seine Liegenschaft dem Kläger vermacht habe. Der Vertreter der Beklagten und ihres Gatten sowie der für die Ehegatten R***** einschreitende Rechtsanwalt bestritten die Gültigkeit der letztgenannten letztwilligen Verfügung mangels Testierfähigkeit des Erblassers. Das Schreiben vom 5. März 1984 sei keine letztwillige Anordnung, sondern eine einseitige Schenkungserklärung auf den Todesfall, welche einerseits vom Bedachten nicht angenommen worden sei und andererseits aufgrund der gesetzlichen Formvorschriften formungültig sei. Das Schreiben vom 27. Juni 1984 sei keine letztwillige Anordnung, da der Erblasser in diesem Schreiben nur einen Wunsch geäußert habe und andererseits zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Schreibens nicht testierfähig gewesen sei. Der Kläger, vertreten durch seine Gattin K***** S*****, habe am 11. Februar 1987 erklärt, daß sie die im Notariatsakt vom 6. Juli 1984 enthaltene letztwillige Anordnung als Vermächtnis auslege und dieses beanspruche.

Schließlich wurde in dem auch der Beklagten zugestellten Beschluß vom 8. April 1987 unter Punkt 11 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Legatar N***** S***** (Kläger) über Antrag über das Ergebnis der Verlaßabhandlung durch Übermittlung einer Ausfertigung dieses Beschlusses verständigt werde.

Mit der am 30. Mai 1989 eingebrachten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Übergabe der gegenständlichen Liegenschaft und die Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes ob dieser Liegenschaft; in eventu begehrt der Kläger, die Beklagte zur Zahlung des von ihm zuletzt mit 3,000.000 S bezifferten Verkehrswertes der Liegenschaft zu verpflichten. A***** S***** habe dem Kläger diese Liegenschaft mit Notariatsakt vom 6. Juli 1984 auf den Todesfall geschenkt und für den Fall der Unwirksamkeit dieser Schenkung auch noch vermacht. Darüber hinaus habe A***** S***** immer wieder in handschriftlichen Urkunden festgehalten, diese Liegenschaft dem Kläger zu übergeben. Diese von A***** S***** geschriebenen und unterfertigten Urkunden seien zumindest als Vermächtnis auszulegen. Der Kläger habe die Beklagte wiederholt mündlich und schriftlich aufgefordert, ihm dieses Vermächtnis herauszugeben und dies auch im Verlassenschaftsverfahren nach A***** S***** geltend gemacht. Weiters stütze der Kläger seinen Anspruch auch auf die Verfügungen des A***** S***** vom 25. März 1984 und 27. Juni 1984.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei nicht passiv legitimiert, weil sie die gegenständliche Liegenschaft den Ehegatten H***** übertragen habe. Der Kläger habe keinen Anspruch auf das geltend gemachte Vermächtnis. Er habe die Beklagte niemals aufgefordert, das Vermächtnis herauszugeben und auch im Verlassenschaftsverfahren nach A***** S***** kein derartiges Begehren erhoben. Der Notariatsakt vom 6. Juli 1984 sei mangels Geschäfts- und Testierfähigkeit des A***** S***** im Verlassenschaftsverfahren nicht anerkannt worden. Der Aufsatz vom 5. März 1984 sei keine letztwillige Anordnung; damit sei nur eine wegen Nichteinhaltung der Form ungültiger Schenkungsvertrag auf den Todesfall beabsichtigt gewesen. Auch damals sei A***** S***** nicht testierfähig gewesen (Akt Seite 36 und 66).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und "stellte fest", daß A***** S***** im Jahre 1984 nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. A***** S***** habe mehrmals beteuert, daß er die gegenständliche Liegenschaft dem Kläger vermachen werde; diese Absicht sei aber zu einem Zeitpunkt, als A***** S***** noch testierfähig gewesen sei, nicht realisiert worden. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Hauptbegehren nicht stattgegeben werden könne, weil die Beklagte nicht mehr Eigentümerin der Liegenschaft sei und ihr daher die Erfüllung nicht mehr möglich sei; aber auch das Eventualbegehren sei mangels eines gültigen Titels des Klägers auf Übertragung der Liegenschaft abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte das lediglich bezüglich der Abweisung des Eventualbegehrens angefochtene Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß der Kläger zwar im Verlassenschaftsverfahren nach A***** S***** sein behauptetes Vermächtnis angemeldet, es aber dann nicht weiter verfolgt habe; im Prozeß sei nicht hervorgekommen, daß der Kläger die Beklagte vor Klagseinbringung aufgefordert habe, die vermachte Liegenschaft herauszugeben. Auf dieser Grundlage vertrat das Berufungsgericht die Rechtsauffassung, daß die Beklagte als redliche Besitzerin gemäß § 329 ABGB über die Sache wie ein Eigentümer habe verfügen können; sie sei nicht schadenersatzpflichtig, wenn sie den Gegenstand des Vermächtnisses verschenkt habe. Mit der in der Berufung gleichfalls relevierten Frage der Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit des A***** S***** setzte sich das Berufungsgericht nicht auseinander.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Eventualbegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig.

Der Revisionswerber wendet sich gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dem Erben, der vom Vermächtnis nichts wisse, es für unwirksam oder ungültig halte, komme gegenüber dem Vermächtnisnehmer die Stellung eines redlichen Besitzers zu. Auch dann, wenn ihn an der Weitergabe des Vermächtsnisgegenstandes an Dritte kein Verschulden treffe, erspare sich der Erbe als Vermächtnisnehmer die Erfüllung des Vermächtnisses; ihm gegenüber sei dem Vermächtnisnehmer daher wahlweise neben einem allfälligen Schadenersatzanspruch auch ein verschuldensunabhängiger Bereicherungsanspruch zuzubilligen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsfrage, ob auch im Verhältnis zwischen Erben und Vermächtnisnehmer die Regeln über den Schutz der Redlichkeit gelten, wird in der Lehre - soweit sie dazu überhaupt Stellung nimmt - unterschiedlich beantwortet. Während Rappaport in Klang II/11 485 Anm 9, die Ansicht, dem Erben fielen die Früchte wie einem redlichen Besitzer zu, wenn die Vermächtnisanordnung erst nach der Einantwortung zum Vorschein komme, unter Hinweis auf den obligatorischen Charakter des Vermächtnisanspruches ablehnt, bejaht Kralik in Ehrenzweig System3, Erbrecht, 240, im Hinblick auf die der des gutgläubigen Scheinerben vergleichbare Interessenlage die Anwendbarkeit der Regeln über den Schutz der Redlichkeit auch für diesen Fall. Eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu dieser Frage fehlt.

Die Revision ist aber auch berechtigt.

Bei der Lösung der schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die Beklagte als Erbin gegen den seinen Anspruch auf ein Vermächtnis stützenden Beklagten den Schutz des § 329 ABGB genießt, folgt der Oberste Gerichtshof der Ansicht Kraliks aaO, weil es keinen sachlichen Grund gibt, den gleichfalls auf eine letztwillige Verfügung gestützten Anspruch des Vermächtsnisnehmers gegenüber dem redlichen Erben weitergehend zu schützen als den des Erben gegenüber dem Scheinerben. Der Argumentation Rappaports, der Vermächtnisnehmer habe einen bloß obligatorischen Anspruch, ist überdies zu erwidern, daß durch die Vorschrift des § 178 AußStrG die Stellung des Legatars im Falle des Vermächtnisses einer unbeweglichen Sache der eines dinglich Berechtigten weitgehend angenähert wird, wie Rappaport aaO 477 Anm 30 a selbst einräumt (siehe auch JBl 1956, 18 und insbesondere die Anmerkung Steinwenters aaO 19 sowie SZ 50/56 = JBl 1979, 199).

Zu Recht wendet sich der Revisionswerber aber dagegen, daß das Berufungsgericht Redlichkeit der Beklagten angenommen hat. Der gute Glaube des Besitzers fällt weg, wenn er von Umständen erfährt, die zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Besitzes Anlaß geben (SZ 27/284; EvBl 1962/265; SZ 50/53; SZ 50/91; SZ 55/46; JBl 1978, 257; SZ 60/6); bereits die Mitteilung der Rechtsauffassung durch den Berechtigten kann den Wegfall des guten Glaubens bewirken (JBl 1978, 257). Geht man davon aus, daß der bis zu ihrer Erbsentschlagung als Testamentserbin am Verlassenschaftsverfahren nach A***** S***** beteiligten Beklagten am 18. März 1987 mitgeteilt wurde, daß der Kläger den Garten als Legat beansprucht und ihr auch noch der Inhalt sämtlicher letztwilliger Verfügungen des Erblassers zugunsten des Klägers zur Kenntnis gebracht wurde, dann mußte sie damit rechnen, daß der Kläger das von ihm beanspruchte Legat geltend machen und auf sämtliche von ihm im Verlassenschaftsverfahren vorgelegten (und dort auch kundgemachten) letztwilligen Verfügungen des A***** S***** stützen werde, auch wenn die Vertreterin des Klägers aufgrund der ihr vom Gerichtskommissär erteilten Belehrung erklärt hatte, das Vermächtnis aufgrund des Notariatsaktes vom 6. Juli 1984 zu beanspruchen und hinsichtlich der anderen letztwilligen Verfügungen ohne vorherige rechtsfreundliche Beratung keine Erklärung abzugeben. Zieht man in Betracht, daß es sich beim Legat bloß um ein Forderungsrecht gegen den Erben handelt, das dieser aus dem ihm zufallenden Nachlaß zu erfüllen hat, so daß - anders als im Verhältnis zwischen Scheinerben und Erben - aus der Einantwortung des Nachlasses allein nicht auf die uneingeschränkte Verfügungsmacht des Erben ungeachtet allfälliger Legate geschlossen werden kann, dann müssen - wenn man dem redlichen Erben mit Kralik aaO den Schutz analog §§ 824 und 326 ff ABGB zubilligt - strenge Anforderungen an die Redlichkeit des Erben gestellt werden. Andernfalls käme man zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß der Erbe, dem der gesamte Nachlaß ungeachtet eines Legats einzuantworten ist, die Erfüllung eines ihm bekannten, aber bezüglich seiner Gültigkeit strittigen Vermächtnisses durch Veräußern oder gar Verschenken der ererbten Sache vor Einbringung der Vermächtnisklage endgültig verhindern könnte. War dem Erben die das Vermächtnis enthaltende letztwillige Verfügung auch inhaltlich bekannt und hatte der Bedachte das Vermächtnis nicht ausgeschlagen, sondern läßt im Gegenteil erkennen, daß er das Legat in Anspruch nehmen werde, dann ist der Erbe nicht analog §§ 824 und 326 ff ABGB schutzwürdig, wenn er die Sache vor Klärung der strittigen Gültigkeit des Vermächtnisses im Rechtsweg veräußert (vgl RZ 1980/10). Da der Beklagten demnach im Zeitpunkt der Schenkung der gegenständlichen Liegenschaft an die Ehegatten H***** gegenüber dem Kläger mangels Redlichkeit nicht ein Schutz analog §§ 326 ff und 824 ABGB zukam, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes zu prüfen, ob der geltend gemachte Vermächtnisanspruch des Klägers berechtigt ist.

Im Zeitpunkt der Errichtung des Notariatsaktes vom 6. Juli 1984 war A***** S***** ein Sachwalter zur Besorgung sämtlicher dringender Angelegenheiten gemäß § 238 Abs 2 AußStrG bestellt und der Bestellungsbeschluß bereits zugestellt. Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 4 Ob 574/89 ausgesprochen hat, gilt § 247 AußStrG, wonach der Beschluß, mit dem der Sachwalter bestellt wird, erst mit dem Eintritt der Rechtskraft wirksam wird, für die Bestellung des einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG nicht; diese wird bereits mit der Zustellung wirksam. Wie der Oberste Gerichtshof weiters im Hinblick auf die aus den Gesetzesmaterialien hervorgehende Absicht des Gesetzgebers unter Ablehnung der gegenteiligen Rechtsansicht Kraliks in Ehrenzweig System3 Erbrecht-Ergänzungsheft 1985,9 in der Entscheidung 2 Ob 589/90 ausgesprochen hat, wird durch eine solche Maßnahme der Betroffene in jenen Angelegenheiten, für deren Besorgung ihm ein einstweiliger Sachwalter nach § 238 Abs 2 AußStrG bestellt wurde, analog der Vorschrift des § 273 a ABGB in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt, sodaß auch die analoge Anwendung des § 568 ABGB geboten ist. Diese Bestimmung beschränkt Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist, auf die Testamentsformen des mündlichen Testamentes vor Gericht oder vor einem Notar. Anläßlich der Testamentserrichtung durch eine solche Person ist gemäß § 569 dritter Satz ABGB und § 70 NotO vom Richter oder Notar zu prüfen, daß die Erklärung des letzten Willens "frei und mit Überlegung geschehe". Damit geht der Oberste Gerichtshof - ebenso wie die herrschende Lehre (Welser in Rummel ABGB I2 §§ 566 bis 569 Rz 8; Schauer, NZ 1983, 49 ff (53 f); Maurer, Sachwalterrecht, 87 und Kremzow, Österreichisches Sachwalterrecht, 145, insbesondere Anm 13) - von der auch aus den EB zur RV 742 BlgNR 15.GP, 21 zu erschließenden Absicht des Gesetzgebers aus, daß § 569 ABGB über die Erforschung der Willensfreiheit und Überlegtheit auch auf Testamente nach § 568 ABGB anzuwenden ist. Die gegenteilige Ansicht vertritt Kralik in Ehrenzweig System3 Erbrecht-Ergänzungsheft 1985,10 f. Er folgert insbesondere aus dem Unterbleiben der bisher im § 4 Abs 2 EntmO enthaltenen Verweisung auf § 569 ABGB in dem durch das SachwG geänderten § 568 ABGB, daß der § 569 ABGB über die Erforschung der Willensfreiheit und Überlegtheit als Gültigkeitsvorschrift auf Testamente von Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist, nicht anzuwenden sei. Dem ist allerdings zu entgegnen, daß der nach der in den EB zur RV ausgedrückten Absicht des Gesetzgebers auch auf die Testamente der im § 568 ABGB genannten Personen anzuwendende § 569 ABGB nunmehr in der Systematik des Gesetzes der erstgenannten Regelung unmittelbar nachfolgt, so daß zumindest die analoge Anwendung naheliegt, wogegen die Bestimmung des § 4 Abs 2 EntmO ohne Zitat des § 569 ABGB als Verweisung bloß auf die die Errichtung des mündlichen gerichtlichen Testaments regelnden Vorschriften der §§ 588 ff ABGB zu verstehen gewesen wäre. Da der Notariatsakt vom 6. Juli 1984 den ein Gültigkeitserfordernis darstellenden Zusatz im Sinne des § 569 Satz 3 und 4 ABGB nicht enthält, ist er auch als mündliches notarielles Testament im Sinne der §§ 568, 569 ABGB und 70 ff NO nicht gültig, selbst wenn man es für eine mündliche letztwillige Verfügung als ausreichend erachtet, daß der Erblasser bloß den ihm vorgelesenen Inhalt des Notariatsaktes vor dem Notar und zwei Zeuginnen als seinen wahren letzten Willen ausdrücklich bestätigte. Schließlich ist auch noch darauf hinzuweisen, daß die beiden Zeuginnen entgegen den §§ 73 Abs 1 und 68 Abs 1 lit g NO den Notariatsakt nicht unterfertigt haben, so daß die Gültigkeitserfordernisse für ein mündliches notarielles Testament im Sinne der §§ 568 ABGB und 70 NO auch aus diesem Grunde nicht erfüllt sind.

Hingegen erfüllt die offenbar vom Erblasser eigenhändig geschriebene und unterschriebene Verfügung vom 5. März 1984, mit der er erklärte, die gegenständliche Liegenschaft dem Kläger auf den Todesfall zu schenken, die Voraussetzungen des § 578 ABGB und ist daher gemäß § 956 ABGB als Vermächtnis gültig. Die mit "Mein Nachlaß" überschriebene, offenbar vom Erblasser eigenhändig geschriebene und unterfertigte Verfügung vom 27. Juni 1984 bringt den Willen des Erblassers, dem Kläger die gegenständliche Liegenschaft zu vermachen, hinreichend deutlich zum Ausdruck, so daß sie als Kodizill zu werten ist (vgl SZ 60/225; EvBl 1964/423).

Es verbleibt daher noch zu prüfen, ob A***** S***** zum Zeitpunkt der Errichtung der beiden letztgenannten letztwilligen Verfügungen testierfähig war. Wie Welser in Rummel ABGB I2 §§ 566 bis 569 Rz 4 und 5 mit umfangreichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung, von der insbesondere SZ 56/180 hervorgehoben sei, zutreffend ausführt, legt die Rechtsprechung für die Testierfähigkeit einen weniger strengen Maßstab an als für die Geschäftsfähigkeit bei Geschäften unter Lebenden. Sie fordert meist nur das Bewußtsein des Erblassers um den Testiervorgang und den Inhalt der Verfügung. Nicht jede geistige Erkrankung schließt die Testierfähigkeit aus, ebensowenig eine bloße Abnahme der geistigen Kräfte; Vollbesitz der geistigen Kräfte und volle Kenntnis der Tragweite der Anordnung sind nicht erforderlich. Die Testierfähigkeit fehlt allerdings, wenn der Erblasser zwar den Willen hat, ein Testament zu errichten und auch in der Lage ist, zu erkennen, daß er dies tut, die normale Freiheit seiner Willensbildung aber dennoch aufgehoben ist. Hiebei schadet nur ein hoher Grad der Willensbeeinträchtigung, der dem Zustand des § 566 ABGB gleichsteht. Die Testierfähigkeit sollte jedenfalls nur bejaht werden, wenn zumindest die kognitiven und volitiven Fähigkeiten eines 14-jährigen vorliegen. Die Beurteilung der Testierfähigkeit ist als Rechtsfrage aufgrund der Feststellungen über den Geisteszustand des Erblassers und den Grad der Beeinträchtigung seiner Willensbildung vorzunehmen (SZ 56/180).

Da auch das Erstgericht trotz Bestreitung der Testierfähigkeit des A***** S***** und umfangreicher Beweiserhebungen (allerdings ohne die wohl erforderliche Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen) keine derartigen Feststellungen getroffen hat, sondern sich mit der einer Feststellungsgrundlage entbehrenden Beurteilung begnügt hat, A***** S***** sei im Jahre 1984 geschäftsunfähig gewesen, ist eine Rückverweisung der Sache an das Erstgericht geboten.

Der Revision war daher im Sinne des Aufhebungsantrages Folge zu geben.

Der Vorbehalt bezüglich der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E26657

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0090OB00710.91.0828.000

Dokumentnummer

JJT_19910828_OGH0002_0090OB00710_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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