Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29.August 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner S***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 13.November 1990, AZ 11 Bl 102/90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, seiner gesetzlichen Vertreter und seines Verteidigers zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 13. November 1990, AZ 11 Bl 102/90, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 477 Abs. 1 StPO.
Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird dem Kreisgericht Krems an der Donau die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Gmünd vom 17.Mai 1990, GZ U 99/89-16, wurde der Jugendliche Werner S***** von der Anklage, er habe am 5.November 1989 in Eichberg Gerhard T***** durch einen Faustschlag ins Gesicht vorsätzlich leicht verletzt, gemäß § 259 Z 3 StPO aus dem Grunde des § 42 StGB freigesprochen. Nach den wesentlichen Urteilsannahmen wurde Werner S***** in der Nacht zum 5.November 1989 in Eichberg vom Gastwirt Gerhard T***** des Lokals verwiesen, worauf er in Zorn geriet und dem Gastwirt mit der Hand oder der Faust einen Schlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser eine ca einen halben Zentimeter lange Rißquetschwunde an der Innenseite der Unterlippe erlitt.
Das Bezirksgericht Gmünd beurteilte diesen Sachverhalt als vorsätzliche Körperverletzung "nach dem § 83 StGB", erachtete aber die Voraussetzungen des § 42 StGB für gegeben und sprach den Angeklagten wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat frei.
Aus Anlaß der gegen dieses Urteil von der Staatsanwaltschaft erhobenen, auf den Nichtigkeitsgrund des § 468 Abs. 1 Z 4 (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit b) StPO gestützten Berufung (mit der die Staatsanwaltschaft das Vorliegen geringer Schuld verneinte und eine Bestrafung des Werner S***** aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen als geboten erachtete) hob das Kreisgericht Krems an der Donau als Berufungsgericht mit Urteil vom 13.November 1990, AZ 11 Bl 102/90, das angefochtene Urteil "wegen Vorliegens eines sekundären Feststellungsmangels im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO" auf und wies die Strafsache dem Bezirksgericht Weitra zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu. Dem Urteil sei - so führte das Berufungsgericht an sich zutreffend aus - nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte mit Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz gehandelt habe. Die Staatsanwaltschaft wurde mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 477 Abs. 1 StPO hat sich der Gerichtshof auf die in Beschwerde gezogenen Punkte zu beschränken und darf nur die Teile des erstrichterlichen Erkenntnisses ändern, gegen die die Berufung gerichtet ist. Überzeugt er sich jedoch aus Anlaß einer von wem immer ergriffenen Berufung, daß zum Nachteile des Angeklagten (fallbezogen) das Strafgesetz unrichtig angewendet wurde (§ 281 Abs. 1 Z 9-11 StPO) so hat der Gerichtshof so vorzugehen, als wäre eine solche Berufung eingelegt. Damit schränkt die Strafprozeßordnung das amtswegige Aufgreifen materieller Nichtigkeitsgründe auf den Fall ein, daß die unrichtige Gesetzesanwendung zum Nachteil des Angeklagten unterlaufen ist. Durch die Aufhebung des freisprechenden Urteils aus dem von der Staatsanwaltschaft nicht geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO, wurde daher das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten in der Bestimmung des § 477 Abs. 1 StPO verletzt.
Der vom Generalprokurator wegen dieser Gesetzesverletzung erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war deshalb Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E26789European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00086.91.0829.000Dokumentnummer
JJT_19910829_OGH0002_0150OS00086_9100000_000