TE OGH 1991/9/17 10ObS216/91

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Veröffentlicht am 17.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer (AG) und Univ.Prof.Dr.Walter Schrammel (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J***** G*****, vertreten durch Dr.Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Weitergewährung des Kinderzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.April 1991, GZ 34 Rs 218/90-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.August 1990, GZ 7 Cgs 124/90-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 603,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 24.3.1964 geborene Sohn des Klägers Andreas maturierte im Juni 1982. Vom September 1982 bis Oktober 1984 besuchte er das Kolleg Electroniktechnik in Wien. In der Zeit vom 1.10.1984 bis 31.5.1985 leistete er den ordentlichen Zivildienst ab. Im Juni 1985 war er als Sanitäter beim Roten Kreuz in Wien tätig und arbeitete von August 1985 bis Oktober 1989 als technischer Angestellter bei einem Unternehmen in Wien. Mit dem Wintersemester 1989/90 nahm er das Studium an der Technischen Universität Wien für Technische Physik auf. Das Studium ist bisher nicht beendet.

Mit Bescheid vom 14.2.1990 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension ab 1.2.1990 und stellte die Pension mit monatlich 20.893,10 S brutto fest. Mit Bescheid vom 7.3.1990 gewährte sie dem Kläger zur zuerkannten Pension einen Kinderzuschuß für den Sohn Andreas für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.3.1990 von monatlich 650 S.

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei zu verpflichten, den Kinderzuschuß über das 26.Lebensjahr seines Sohnes hinaus für eine der durch den Zivildienst bedingten Verzögerung angemessene Dauer weiterzugewähren.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Gewährung des Kinderzuschusses an den Kläger für die Zeit vom 1.April 1990 bis 30.November 1990 und sprach aus, daß ein darüber hinausgehendes Begehren abgewiesen werde. Für die Verlängerung der Kindeseigenschaft über das 26.Lebensjahr hinaus gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG idF vor der 44.ASVG-Novelle reiche es aus, daß die Ausbildung vor Vollendung des 26.Lebensjahres begonnen worden sei und auch vor diesem Zeitpunkt ein unüberwindliches Hindernis im Sinn dieser Gesetzesstelle eingetreten sei, das eine Verzögerung der Ausbildung bewirkt habe. Dies treffe im Fall des Klägers zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Begehren des Klägers zur Gänze ab. Die Verzögerung des Studiums (die Aufnahme des Studiums) sei auf die langjährige Berufsausübung des Sohnes des Klägers zurückzuführen. Die Verzögerung sei deshalb eingetreten, weil sich der Sohn des Klägers nach Beendigung des Zivildienstes im Jahr 1985 aus freiem Willen entschlossen habe, vorerst als technischer Angestellter zu arbeiten. Daß der Sohn des Klägers aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage oder anderer objektiver Gründe gezwungen gewesen wäre, eine Berufstätigkeit aufzunehmen und erst später zu studieren, sei gar nicht behauptet worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Durch das SozRÄG 1988 BGBl 1987/609 wurde die Bestimmung des § 252 Abs 2 Z 1 ASVG neu gefaßt. Gemäß Art VI Abs 13 SozRÄG 1988 ist § 252 Abs 2 Z 1 ASVG idF des Art IV Z 10 leg cit in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kind das 18.Lebensjahr nach dem 31.12.1987 vollendet hat. Der Sohn des Klägers ist am 24.3.1964 geboren und hat damit das 18.Lebensjahr bereits vor dem 31.12.1987 vollendet. Auf den vorliegenden Fall hat daher § 252 Abs 2 Z 1 in der vor dem SozRÄG geltenden Fassung weiterhin Anwendung zu finden.

Nach dieser Bestimmung besteht die Kindeseigenschaft auch nach Vollendung des 18.Lebensjahres, wenn und solange das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens jedoch bis zur Vollendung des 26.Lebensjahres; zur Schul- oder Berufsausbildung zählt auch ein angemessener Zeitraum für die Vorbereitung auf die Ablegung der entsprechenden Abschlußprüfungen und auf die Erwerbung eines akademischen Grades. Ist die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung der Wehrpflicht, der Zivildienstpflicht, durch Krankheit oder ein anderes unüberwindliches Hindernis verzögert worden, so besteht die Kindeseigenschaft über das 26.Lebensjahr hinaus für einen der Dauer der Behinderung angemessenen Zeitraum. Nach dieser Gesetzesfassung kommt es für das Bestehen der Kindeseigenschaft auch nach Vollendung des 18.Lebensjahres nur darauf an, ob sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht. Wenn und solange diese Voraussetzung zutrifft, besteht die Kindeseigenschaft bis zur im § 252 Abs 2 Z 1 festgesetzten Altersgrenze weiter. Ob das Kind vor der Schul- oder Berufsausbildung bereits in einer anderen Schul- oder Berufsausbildung oder im Erwerbsleben stand, ist unerheblich (SSV-NF 2/51 mwN). Im letzten Absatz des § 252 Abs 2 Z 1 aF stellt das Gesetz nur darauf ab, daß die Schul- oder Berufsausbildung unter anderem durch Ableistung des Zivildienstes verzögert wurde, enthält aber keinerlei Einschränkungen hinsichtlich des Zeitpunktes einer solchen Verzögerung. Auf die zeitliche Lagerung des Verzögerungsgrundes kommt es daher nicht an. Vielmehr genügt es, daß das Kind vor Vollendung des 26. Lebensjahres seine Schul- oder Berufsausbildung, im vorliegenden Fall das Studium an der Technischen Hochschule, begann und auch vor diesem Zeitpunkt das unüberwindliche Hindernis, das eine Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung zu verursachen geeignet war, eintrat (in diesem Sinn auch OLG Wien SSV 22/89). Ob der Sohn des Klägers bereits im Zeitpunkt der Ableistung des Zivildienstes plante, später ein Studium aufzunehmen, ist unerheblich. Es trifft zwar zu, daß die wesentliche Verlängerung der Studiendauer über das 26.Lebensjahr hinaus dadurch bedingt wurde, daß der Kläger durch mehrere Jahre einer Erwerbstätigkeit nachging. Dessen ungeachtet erfüllt die Ableistung des Zivildienstes die Voraussetzungen des § 252 Abs 2 Z 1 aF letzter Fall ASVG. Bei gleich langer Beschäftigungsdauer wäre das in der Folge aufgenommene Studium vor Erreichen des 26. Lebensjahres nicht um einen der Ableistung des Zivildienstes angemessenen Zeitraum weiter verzögert worden. Ungeachtet des Umstandes, daß der Kläger längere Zeit hindurch berufstätig war, hat daher die Ableistung des Zivildienstes zu einer Verzögerung seines Studiums vor Vollendung des 26.Lebensjahres geführt. In dem dadurch bedingten Ausmaß ist eine Verlängerung der Kindeseigenschaft im Sinn der zitierten Gesetzesstelle eingetreten. Gegen das Ausmaß der ausgehend hievon vom Erstgericht zuerkannten Leistung wird in der Revision nichts mehr vorgebracht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

Anmerkung

E27627

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00216.91.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19910917_OGH0002_010OBS00216_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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