TE OGH 1991/9/17 5Ob90/91

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Veröffentlicht am 17.09.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Henriette L*****, Pensionistin, ***** und 2.) Verena N*****, Geschäftsfrau, ***** beide vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Josef S*****, Hauseigentümer, ***** und

2.) Franziska S*****, Hauseigentümerin, ***** beide vertreten durch Dr. Manfred Melzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge ao Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 15.Jänner 1991, GZ 48 R 707/89-18, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 13.September 1989, GZ 5 Msch 37/88-14, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert

wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragsgegner sind Eigentümer des Hauses F*****straße 168 in Wien. Die Erstantragstellerin mietete am 28.11.1952 die in diesem Haus gelegenen Geschäftsräumlichkeiten top 1 und 2 um 1.344,-- Friedenskronen pro Jahr zuzüglich 13,3 Groschen je Friedenskrone iS des § 16 Abs 1 MG, weiters noch am 18.6.1969 das Geschäftsobjekt top 3 um 720 Friedenskronen (zuzüglich 13,3 Groschen je Friedenskrone), wobei der zweite Mietvertrag eine Wertsicherung des Mietzinses nach dem Verbraucherpreisindex 1966 vorsah. Schließlich hat die Erstantragstellerin noch eine Fläche zur Anbringung einer Lichtreklame gemietet, wofür sie - wertgesichert auf der Basis 21.3.1978 - monatlich S 50,-- zu zahlen hatte. Im März 1984 wurde ihr für das gesamte Objekt ein Hauptmietzins von S 1.164,79 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer vorgeschrieben (zum monatlichen Hauptmietzins von S 716,-- kamen S 415,28 aus dem Titel der Wertsicherung und S 33,51 WWF-Tilgung).

In den Verträgen vom 28.11.1952 und vom 18.6.1969 war eine Zinsanpassungsklausel mit folgendem Wortlaut enthalten:

"Nach Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung ist ein neu zu vereinbarender Mietzins zu bezahlen."

Ab 1.2.1984 verlangten die Antragsgegner für das streitgegenständliche Mietobjekt einen "angemessenen Hauptmietzins" von monatlich S 60,-- pro m2, bei einer angenommenen Gesamtnutzfläche von 120 m2 also S 7.200,-- zuzüglich Umsatzsteuer, anteilige Versicherungsprämien und Betriebskosten, wobei sie schließlich in einem an beide Antragstellerinnen adressierten Schreiben vom 24.3.1984 den Gesamtmietzins per 1.4.1984 mit S 9.195,38 bezifferten (darin enthalten sind S 1.128,-- Betriebskosten und S 31,44 WWF-Tilgung). Begründet wurde diese Mietzinsanhebung mit dem Hinweis auf § 12 Abs 3 MRG, weil die Hauseigentümer erst jetzt erfahren hätten, daß die Erstantragstellerin ihre Gewerbeberechtigung zurückgelegt habe und das Unternehmen im Geschäftsobjekt von ihrer Tochter, der Zweitantragstellerin, geführt werde. Die Antragstellerinnen weigerten sich jedoch, den erhöhten Mietzins zu zahlen, und beantragten dessen Übeprüfung durch die Schlichtungsstelle der Gemeinde Wien.

In der Korrespondenz, die diese letztlich beim Bezirksgericht Favoriten zu 5 Msch 5/86 ausgetragene Sache begleitete, vertraten die Antragstellerinnen den Standpunkt, daß die Übertragung des Unternehmens von der Mutter auf die Tochter schon vor dem 1.1.1982 stattgefunden habe, worauf die Antragsgegner erwiderten, daß diesfalls das Mietzinserhöhungsbegehren auf die in beiden Mietverträgen enthaltene Zinsanpassungsklausel gestützt werde.

Als es dann am 16.10.1984 zu einer Verhandlung vor dem Bezirksgericht Favoriten kam, leitete die Richterin auf dieser Grundlage Vergleichsgespräche ein. Den Antragstellerinnen wurde erläutert, daß im Falle einer Unternehmensübertragung vor dem 1.1.1982 ein gespaltenes Mietverhältnis zustandegekommen wäre, andernfalls jedoch gemäß § 12 Abs 3 MRG der angemessene Hauptmietzins begehrt werden könne. Dabei kamen die aus einem gespaltenen Mietverhältnis eventuell entstehenden Schwierigkeiten zur Sprache und daß sich die Notwendigkeit ergeben könnte, ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des angemessenen Hauptmietzinses einzuholen; die Frage der Zinsanpassungsklausel wurde jedoch nicht aufgeworfen. Schließlich traf man folgende Vereinbarung:

Die Antragsgegner erklärten sich damit einverstanden, die Erstantragstellerin aus dem Mietverhältnis zu entlassen und die Zweitantragstellerin als Mieterin des Geschäftsobjektes für den Fall zu akzeptieren, daß diese bereit sei, einen Mietzins von S 50,-- pro m2 zu bezahlen. Die Erstantragstellerin verzichtete zugunsten ihrer Tochter auf sämtliche Rechte aus den Mietverträgen und erklärte das Mietverhältnis als aufgelöst. Die Zweitantragstellerin wiederum verpflichtete sich, einen Betrag von S 50,- pro m2 an Hauptmietzins an die Antragsgegner zu bezahlen und Hauptmieterin des gleichen Mietverhältnisses wie ihre Mutter zu werden. Als Gültigkeitsbeginn dieser Vereinbarung wurde rückwirkend der 1.8.1984 festgelegt, wobei sich die beiden Antragstellerinnen damit einverstanden erklärten, daß die Zweitantragstellerin rückwirkend mit 1.8.1984 als Hauptmieterin des Geschäftsobjektes anstelle ihrer Mutter in das Mietverhältnis eingetreten sei und sich rückwirkend verpflichte, den Hauptmietzins von S 50,--pro m2 zu bezahlen. Eine Wertsicherung wurde von den Antragsgegnern nicht begehrt. Über besondere Nebenabreden wurde nicht gesprochen; die Vereinbarung ging vielmehr dahin, alles so zu belassen, wie es in den alten Mietverträgen festgehalten war.

Beide Antragstellerinnen gaben ihre vorbehaltlose Zustimmung zu dieser Vereinbarung. Sie erklärten weder, sich die Sache noch überlegen zu müssen, noch daß irgendwelche zusätzliche Vertragspunkte ausgehandelt werden sollen. Es gab keine strittige Frage, die nicht besprochen worden war. Die Antragsgegner sollten nur noch den nicht bekannten, allerdings auch nicht strittigen Betriebskostenschlüssel bekanntgeben.

Die Zweitantragstellerin erklärte, eine schriftliche Ausfertigung der mündlichen Vereinbarung in Form eines schriftlichen Mietvertrages haben zu wollen. Aus Kostengründen wurde vereinbart, daß der Vertreter der Erstantragstellerin den Vertrag aufsetzen und ihn den Antragsgegnern zur Unterschrift vorlegen solle. Die Zweitantragstellerin behielt sich aber keine Überlegungsfrist bis zur Unterzeichnung des Formulars vor; es sollte nur das mündlich Vereinbarte schriftlich festgehalten werden. Daß zwischen den Parteienvertretern noch Verhandlungen stattfinden sollten, wurde nicht besprochen. Von der Niederschrift eines gerichtlichen Vergleichs wurde aus gebührenrechtlichen Überlegungen und außerdem noch deshalb abgesehen, weil dies der Verhandlungsrichterin zu kompliziert war.

Prozessual wurde zwischen den Parteien Ruhen des Verfahrens vereinbart. Die Verhandlungsrichterin hielt das Verhandlungsergebnis mit dem Aktenvermerk fest: "S 50,--/m2 ab 1.8.1984 Mietrechte an Tochter." Sie hatte den Eindruck, daß zwischen den Parteien volle Willensübereinstimmung zustandegekommen war und hielt die Sache für bereinigt. Diesen Eindruck hatten auch der bei der Verhandlung anwesende Erstantragsgegner sowie der ihn und die Zweitantragsgegnerin vertretende Rechtsanwalt.

Für die Antragstellerinnen war ein wesentliches Motiv für den Abschluß dieser Vereinbarungen die in den alten Mietverträgen enthaltene Zinsanpassungsklausel. Sie befürchteten nicht, daß von ihnen auf Grund des § 12 Abs 3 MRG ein höherer Mietzins begehrt werden könne, weil die Erstantragstellerin ihr Unternehmen - ohne weiteres nachweisbar - am 1.1.1981 auf die Tochter übertragen hatte und in Pension gegangen war; die Überlegungen der Antragstellerinnen gingen dahin, daß wegen der Zinsanpassungsklausel auch dann eine höhere Miete begehrt werden könne, wenn die Erstantragstellerin Mieterin der Geschäftsräumlichkeiten bliebe. Wenn daher ohnehin eine höhere Miete bezahlt werden müsse, solle die Zweitantragstellerin als Inhaberin des Unternehmens auch Mieterin der Geschäftsräumlichkeiten werden, damit klare Verhältnisse herrschen.

Im Zuge der nachfolgenden Korrespondenz erklärte die Zweitantragstellerin am 5.11.1984 durch ihren Vertreter, keinen neuen Mietvertrag abschließen zu wollen, weil auf Grund des mitgeteilten Betriebskostenschlüssels von 9,4 % die monatliche Belastung für sie zu hoch sei. In seinem Antwortschreiben vom 7.11.1984 berief sich der Antragsgegnervertreter auf den mündlich abgeschlossenen Vertrag vom 16.10.1984, war allerdings der Meinung, daß eine Wertsicherung vereinbart worden sei. Der Vertreter der Antragstellerinnen schickte ihm daraufhin einen Mietvertragsentwurf, in dem - entgegen der Vereinbarung vom 16.10.1984 - ein Untermiet- und Weitergaberecht der Zweitantragstellerin enthalten war. Der Antragsgegnervertreter wiederum verzichtete nach einer Rücksprache mit den Antragsgegnern auf die Wertsicherung, weil ihm mitgeteilt wurde, dies sei nicht vereinbart worden, erklärte sich aber mit dem Untervermiet- und Weitergaberecht nicht einverstanden. Wegen dieser Differenzen kam ein schriftlicher Mietvertrag zwischen der Zweitantragstellerin und den Antragsgegnern nicht zustande.

Die Einforderung des Mietzinses auf Grund der Vereinbarung vom 16.10.1984 durch den Antragsgegnervertreter führte schließlich zur Fortsetzung des Verfahrens 5 Msch 5/86 beim Bezirksgericht Favoriten. Mit Sachbeschluß vom 25.6.1985 wurde das noch auf die Mietzinsvorschreibung von monatlich S 9.195,38 gestützte Begehren der Erstantragstellerin abgewiesen, die Überschreitung des zulässigen Zinsausmaßes festzustellen, weil der strittige Sachverhalt durch den Vergleich vom 16.10.1984 bereinigt sei. Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß jedoch im Sinne einer Stattgebung des Begehrens der Erstantragstellerin ab, weil ja nur über die Mietzinsvorschreibung zum 1.4.1984 zu befinden sei und damals die Vereinbarung vom 16.10.1984 noch keinesfalls gegolten habe. Die Antragsgegner seien nicht berechtigt gewesen, zum 1.4.1984 einen höheren als den bisherigen Hauptmietzins zu verlangen.

Am 27.3.1987 richtete der Antragsgegnervertreter ein Schreiben an die Erstantragstellerin, in dem er ihr mitteilte, daß von sämtlichen Mietern ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag eingehoben werde. Gegenüber der Erstantragstellerin geschehe dies nur aus Gründen der Vorsicht und unpräjudiziell für den Rechtsstandpunkt der Antragsgegner, daß die Zweitantragstellerin Mieterin der Geschäftsräumlichkeiten sei. Die konkrete Vorschreibung war allerdings mit Fehlern behaftet; der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag für das gegenständliche Geschäftslokal hätte statt der verlangten S 1.311,40 - die ab 1.5.1987 effektiv gezahlt wurden - nur S 883,29 monatlich betragen.

Das nunmehrige Mietzinsüberprüfungsverfahren hat die vom 1.5.1984 bis zum 1.1.1988 vorgeschriebenen Beträge zum Gegenstand. Die Antragstellerinnen bestreiten auch jetzt die Zulässigkeit einer Mietzinserhöhung auf Grund der Zinsanpassungsklausel in den Mietverträgen vom 28.11.1952 und vom 18.6.1969 oder auf Grund der Übergabe des im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens von der Mutter an die Tochter und qualifizieren die Willenseinigung in der Verhandlung am 16.10.1984 "höchstens als Vorvertrag im Sinne des § 936 ABGB". Zur Gültigkeit fehle der Vereinbarung die vorbehaltene Schriftform, ein vergleichsfähiger Streitpunkt und ein im Sinne des § 16a Abs 2 MRG zulässiges Motiv; sollte das Gericht dennoch zu dem Schluß kommen, daß am 16.10.1984 ein Vertrag geschlossen wurde, so werde dieser wegen Irrtums über die Voraussetzungen der Mietzinserhöhung angefochten. Der Irrtum sei vom Vertreter der Antragsgegner veranlaßt und von der Richterin noch bestärkt worden. Demgegenüber beharren die Antragsgegner auf der Gültigkeit der Vereinbarung vom 16.10.1984.

Das Erstgericht stellte auf der Grundlage des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts eine gesetzwidrige Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes gegenüber der Erstantragstellerin fest, und zwar vom 1.5.1984 bis zum 31.7.1984 um monatlich S 6.673,31, vom 1.8.1984 bis zum 30.4.1987 um monatlich S 5.353,32 und vom 1.5.1987 bis 1.1.1988 um monatlich S 4.469,49 (jeweils inklusive Umsatzsteuer). Den Antragsgegnern wurde aufgetragen, der Erstantragstellerin den vom 1.5.1987 bis zum 31.1.1988 zu viel bezahlten Erhaltungsbeitrag (S 3.852,99) zurückzuerstatten.

Begründet wurde dies mit der Weitergeltung der ursprünglichen Mietverträge gemäß § 16a Abs 2 MRG. Die Vereinbarung vom 16.10.1984 sei zwar als vorbehaltslos und formgültig zustandegekommener außergerichtlicher Vergleich zu qualifizieren; wesentlicher Beweggrund für seinen Abschluß sei jedoch gewesen, daß die Antragstellerinnen eine Mietzinserhöhung auf Grund der Zinsanpassungsklausel befürchteten. Dies mache die Vereinbarung rechtsunwirksam, sodaß die Erstantragstellerin nach wie vor Mieterin der Geschäftsräumlichkeiten sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß in seinem Ausspruch über die Mietzinsvorschreibungen vom 1.5.1984 bis zum 31.7.1984 und hob ihn - ohne Rechtskraftvorbehalt - hinsichtlich des Mietzinsüberprüfungsbegehrens der Zweitantragstellerin mit dem Auftrag an das Erstgericht auf, eine allfällige Überschreitung des gemäß § 16 Abs 1 MRG angemessenen Hauptmietzinses seit 1.8.1984 zu klären. Im übrigen änderte das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes ab: Es wies unter gleichzeitiger Behebung der Rückzahlungsanordnung gemäß § 37 Abs 4 MRG das Mietzinsüberprüfungsbegehren der Zweitantragstellerin für den Zeitraum vom 1.5.1984 bis zum 31.7.1984 und jenes der Erstantragstellerin für die Zeit ab 1.8.1984 ab. Dabei erklärte das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs gegen seine bestätigende und abändernde Entscheidung für unzulässig.

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur noch das Begehren der Antragstellerinnen, die Mietzinsvorschreibungen seit 1.8.1984 zu überprüfen. Dazu übernahm das Rekursgericht alle erstgerichtlichen Feststellungen im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 16.10.1984 als unbedenklich und führte rechtlich aus:

Die in § 16a Abs 2 MRG normierte Rechtsunwirksamkeit von Verträgen, zu denen der Mieter auf Grund einer in Abs 1 leg cit genannten Zinsanpassungsklausel bewogen wurde, setze eine bloße Mietzinsvereinbarung unter Fortbestehen des Mietvertrages über dasselbe Bestandobjekt voraus, greife aber dann nicht ein, wenn es zu einer Novation gekommen sei (vgl MietSlg 40.367). Im gegenständlichen Fall sei nicht nur der Hauptmietzins angehoben worden; man habe vielmehr zwei Mietverträge über verschiedene Objekte durch einen einheitlichen Vertrag ersetzt und dazu noch ein Mietverhältnis mit einem neuen Mieter begründet. Bedenke man außerdem, daß die Erstantragstellerin ihr Mietverhältnis für aufgelöst erklärte, könne von einer bloßen Mietzinsvereinbarung unter Fortbestehen des Mietvertrages keinesfalls mehr gesprochen werden. Da § 16a Abs 2 MRG nur anwendbar sei, wenn die Vertragsparteien dieselben geblieben sind, liege die vom Erstgericht angenommene Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung vom 16.10.1984 nicht vor.

Auch sonst bestünden keine Bedenken gegen das gültige Zustandekommen der Vereinbarung vom 16.10.1984. Sie enthalte eine Einigung über die wesentlichen Hauptpunkte eines Mietvertrages und sei auch von einem klaren Bindungswillen der Vertragsparteien getragen. Ein Vorbehalt der Schriftform sei nach den Verfahrensergebnissen auszuschließen. Ebenfalls unbegründet seien die von den Antragstellerinnen gegen die Annahme eines außergerichtlichen Vergleichs vorgetragenen Bedenken. Die Vereinbarung habe nämlich sehr wohl strittige bzw. zweifelhafte Rechte bereinigt. Der behauptete Irrtum betreffe gerade diese Streitpunkte, weshalb er nicht zur Anfechtung führen könne (vgl Ertl in Rummel II, Rz 1 zu § 1385 ABGB). Selbst wenn man jedoch der Meinung der Antragstellerinnen folgte, die Vereinbarung vom 16.10.1984 sei nicht als Vergleich zu qualifizieren, läge ein nach herrschender Ansicht unerheblicher Rechtsfolgenirrtum vor (vgl MietSlg 38.067). Schließlich sei in der Einhebung eines Erhaltungsbeitrages von der Erstantragstellerin von Mai 1987 bis Jänner 1988 keine Anerkennung des Weiterbestehens ihres Mietrechtes zu erblicken, weil der Vertreter der Antragsgegner im diesbezüglichen Schreiben vom 27.3.1987 eindeutig seinen gegenteiligen Standpunkt dargelegt habe.

Gehe man jedoch von der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung vom 16.10.1984 aus, dann sei die Erstantragstellerin bis 31.7.1984 Mieterin der Geschäftsräume gewesen, ab 1.8.1984 die Zweitantragstellerin. Folgerichtig fehle der Erstantragstellerin für die Zeit nach dem 31.7.1984 die Antragslegitimation für eine Mietzinsüberprüfung, der Zweitantragstellerin für die Zeit vor dem 1.8.1984. Feststellen lasse sich nach den bisherigen Verfahrensergebnissen nur die Vorschreibung eines überhöhten Mietzinses gegenüber der Erstantragstellerin in der Zeit vom 1.5.1984 bis zum 31.7.1984.

Gegen den abändernden Teil dieser Entscheidung, in Wahrheit sogar nur gegen jenen Teil, der sich mit Zinsperioden nach dem 31.7.1984 beschäftigt, haben die Antragstellerinnen a.o. Revisionsrekurs erhoben. Ihr Begehren geht dahin, den Sachbeschluß des Rekursgerichtes so abzuändern, daß ihrem Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der vorgeschriebenen Mietzinse für die Zeit ab 1.8.1984 Folge gegeben wird; allenfalls sei der diesbezügliche Abweisungsbeschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und in diesem Umfang die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Den Antragsgegnern wurde freigestellt, sich zu diesem Rechtsmittel zu äußern. Sie haben beantragt, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil tatsächlich noch keine Judikatur zur Frage vorliegt, ob § 16a Abs 2 MRG nur den Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung ohne Änderung der Parteien des Mietvertrages erfaßt; er ist jedoch nicht berechtigt.

Obwohl das Hauptanliegen der Antragstellerinnen darin besteht, über § 16a Abs 2 MRG zur Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung vom 16.10.1984 zu gelangen, halten sie auch alle jene Argumente aufrecht, wonach die damaligen Verhandlungen gar nicht zu einem Vertragsabschluß geführt hätten: Über wesentliche Vertragspunkte - etwa über die Wertsicherung des Mietzinses oder das Untervermiet- und Weitergaberecht - sei gar keine Einigung zustandegekommen, man habe sich die Einhaltung der Schriftform vorbehalten, und ein Vergleich könne das Verhandlungsergebnis schon deshalb nicht gewesen sein, weil ja der Erhöhung des Mietzinses im Hinblick auf die Unternehmensübergabe vor dem 1.1.1982 und die völlige Unbestimmtheit der Zinsanpassungsklausel jegliche Rechtfertigung gefehlt habe. Unabhängig davon sei die "Vereinbarung" vom 16.10.1984 mit einem Irrtum der Antragstellerinnen behaftet, den die Antragsgegner durch die unrichtige Behauptung eines Erhöhungsanspruches veranlaßt hätten; und schließlich wird geltend gemacht, die Erstantragstellerin sei von den Antragsgegnern durch die Vorschreibung eines Erhaltungsbeitrages am 1.5.1987 (wieder) als Mieterin anerkannt worden.

Diesen Ausführungen haftet durchwegs der Fehler an, daß sie nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen. So läßt sich etwa die Behauptung der Antragstellerinnen, es hätte in wichtigen Punkten keine Willensübereinstimmung gegeben, mit dem Hinweis auf die gegenteiligen Feststellungen des Erstgerichtes widerlegen, wonach die beabsichtigten Änderungen völlig klar waren und im übrigen alles so belassen werden sollte, wie es in den alten Mietverträgen festgelegt war. Auch der vermeintliche Vorbehalt der Schriftform (§ 884 ABGB) findet keinerlei Stütze im festgestellten Sachverhalt, sollte doch - nach vorbehaltloser Zustimmung der Antragstellerinnen - nur noch das mündlich Vereinbarte schriftlich festgehalten werden (ON 14, S 9). Um vergleichsfähige Streitpunkte zu finden, genügt der Hinweis, daß unterschiedliche Rechtsstandpunkte der Parteien zum gegenständlichen Verfahren geführt haben und daß auch das Gericht die Notwendigkeit von Beweisaufnahmen zur Feststellung des angemessenen Mietzinses nicht ausschloß. Beweise für die Übergabe des im Mietobjekt betriebenen Unternehmens vor dem 1.1.1982 lagen nämlich in der Verhandlung vom 16.10.1984 noch nicht vor (ON 14, S 7). Gegen die behauptete Irreführung spricht, daß die Frage der Zinsanpassungsklausel im Zuge der Vergleichsgespräche - die noch dazu die Verhandlungsrichterin initiierte - gar nicht aufgeworfen wurde (ON 14, S 8); und was die Einhebung des Erhaltungsbeitrages betrifft, so hat der Vertreter der Antragsgegner in seinem diesbezüglichen Schreiben vom 27.3.1987 unmißverständlich klargemacht, daß er damit keineswegs die Erstantragstellerin als Mieterin anerkennen will (ON 14, S 13).

Rechtlich erscheinen dazu noch zwei Klarstellungen angebracht:

Ob eine Vereinbarung die einem Vergleich wesentliche Voraussetzung der Bereinigung eines strittigen oder zweifelhaften Rechts erfüllt, hängt nicht davon ab, ob es bei objektiver Beurteilung der Sachlage bestand, sondern allein davon, ob sich die Parteien über seinen Bestand einig waren oder nicht (vgl 5 Ob 374/59). Darum ist die Rechtsmeinung der Vorinstanzen, die Vereinbarung vom 16.10.1984 sei ein außergerichtlicher Vergleich gewesen, auch dann zu billigen, wenn die Antragstellerinnen die Unternehmensübergabe zum 1.1.1981 jederzeit hätten beweisen können. Einigkeit über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Mietzinsanpassung gemäß § 12 Abs 3 MRG bestand nämlich keineswegs; daß dazu noch die Bedeutung der Zinsanpassungsklausel ungewiß war, wird von den Antragstellerinnen sogar als Motiv für ihre Vertragsbereitschaft reklamiert.

Zur Irrtumseinrede der Antragstellerinnen bleibt anzumerken, daß die in § 871 Abs 1 ABGB gebrauchte Wendung, bei Vorliegen eines beachtlichen Irrtums entstehe keine Verbindlichkeit, heute allgemein iS von bloßer Anfechtbarkeit verstanden wird (Rummel in Rummel2, Rz 19 zu § 871 ABGB mwN). Über diese im Wege der Klage oder Einrede geltend zu machende Anfechtung ist grundsätzlich im Rechtsweg zu entscheiden (vgl MietSlg 39/4 mwN; vgl auch NRsp 1991/58). Aber auch dann, wenn der Außerstreitrichter im Rahmen einer Mietzinsüberprüfung gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG die Vorfrage der Irrtumsanfechtung einer (neuen) Mietzinsvereinbarung klären soll (vgl MietSlg 37/15; MietSlg 39.503), ist zu fordern, daß die Voraussetzungen des § 871 Abs 1 ABGB konkret dargelegt werden. Im gegenständlichen Fall haben die Antragstellerinnen lediglich geltend gemacht, daß die Vereinbarung vom 16.10.1984 "wegen eines - vom Antragsgegnervertreter veranlaßten und vom Richter noch verstärkten - Irrtums über die Voraussetzungen der Mietzinserhöhung geschlossen worden sei" (AS 65). Die Verletzung irgendeiner konkreten Aufklärungs- oder Sorgfaltspflicht, die als Irrtumserregung iS des § 871 Abs 1 ABGB verstanden werden könnte (vgl Rummel aaO, Rz 15 zu § 871 ABGB), wurde nicht behauptet. Das Vorbringen nahm vielmehr auf die bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse Bezug, die auf unterschiedliche Rechtsauffassungen über die Möglichkeiten einer Mietzinsanhebung gemäß § 12 Abs 3 MRG oder auf Grund der Zinsanpassungsklausel schließen lassen. Gerade darüber wurde ein Vergleich erzielt, weshalb der angebliche Irrtum der Antragstellerinnen über die effektive Gefahr einer Mietzinserhöhung gemäß §§ 1385, 1387 ABGB nicht zur Vertragsaufhebung führen kann (vgl Ertl in Rummel II, Rz 1 zu § 1385 ABGB). Da durch einen Vergleich die bisherige Unsicherheit endgültig beseitigt und ein neuer Vertrag zwischen den Parteien geschlossen werden soll, bleibt der Vergleich grundsätzlich auch dann gültig, wenn später eindeutig nachweisbar ist, was bei Vergleichsabschluß strittig oder unsicher war (2 Ob 542,543/79 ua; zuletzt 9 Ob A 250/89 und 7 Ob 530/90).

Zu prüfen bleibt daher die von den Vorinstanzen unterschiedlich gelöste Rechtsfrage, ob § 16a Abs 2 MRG auch dem rechtsgültigen Abschluß eines neuen Mietvertrages mit einem neuen Mieter im Wege steht, wenn das Vorliegen einer Zinsanpassungsklausel wesentliches Motiv für die Änderung war. Das Rekursgericht hat dies für den Fall einer Novation iS des § 1376 ABGB verneint, konnte diese Rechtsmeinung aber nur mit einer zweitinstanzlichen Vorentscheidung (MietSlg 40.367) belegen. Die Literatur erwähnt diesen besonderen Fall einer Änderung des vertraglichen Mietzinses nicht, will jedoch eine Vereinbarung, die dem Mieter aus Anlaß der Mietzinsanhebung zusätzliche Rechte einräumt, als Einheit behandelt wissen; die Maßgeblichkeit der Zinsanpassungsklausel als Motiv für die Vereinbarung wäre danach zu beurteilen, ob der Mieter auf den ihm eingeräumten Rechten besteht (Würth, Die MRG-Novelle 1985, 19). Schließlich läßt sich den Gesetzesmaterialien zu § 16a MRG entnehmen, daß die in Absatz 2 leg cit vorgesehene Regelung auch dann gelten sollte, wenn die neue Mietzinsvereinbarung in der Form eines gerichtlichen Vergleichs geschlossen worden ist (Würth-Zingher, MRG 86, 41). Auch das sagt über die Beurteilung eines echten Neuerungsvertrages nichts aus, weil der Vergleich zwar grundsätzlich (§ 1380 ABGB), aber nicht immer Novationswirkung hat (EvBl 1984/75 mwN; 3 Ob 591/83; 4 Ob 572/88).

Nach Meinung des erkennenden Senates hängt die gemäß § 16a Abs 2 MRG zu beurteilende Nichtigkeit einer Vertragsänderung davon ab, ob die frühere Mietzinsvereinbarung bei sonst gleichen Vertragsbedingungen "weiter gelten" kann. Das ist jedenfalls dann auszuschließen, wenn - wie es hier geschehen ist - der alte Mietvertrag aufgelöst und mit einem neuen Mieter ein neuer Mietvertrag abgeschlossen wurde.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E26588

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00090.91.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19910917_OGH0002_0050OB00090_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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