TE OGH 1991/9/17 5Ob79/91

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Veröffentlicht am 17.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. Alfred Z*****, Universitätsassistent, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Dr. Walter G*****, Hauseigentümer, ***** vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 1 und 2 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 22. März 1991, GZ 41 R 819/90-15, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 22. August 1990, GZ 4 Msch 39/89-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Antragsteller will gemäß § 2 Abs 3 MRG als Hauptmieter der Wohnung Nr. 1 im Haus ***** Wien, ***** anerkannt werden und begehrt gemäß § 3 Abs 2 Z 2 MRG die Durchführung von Erhaltungsarbeiten. Die damit befaßte Schlichtungsstelle der Gemeinde Wien gab beiden Anträgen statt; das vom Antragsgegner angerufene Bezirksgericht Döbling verneinte jedoch die in § 2 Abs 3 MRG angeführten Voraussetzungen für die Anerkennung des Antragstellers als Hauptmieter und versagte ihm deshalb auch die Antragslegitimation zur Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten. Vermieterin der Wohnung sei nämlich die Tochter des Antragsgegners gewesen, die auf Grund eines Vertrages vom 21. 3. 1983 ein obligatorisches Fruchtgenußrecht an der Wohnung hatte und mit dem Antragsteller am 24. 5. 1983 einen Untermietvertrag abschloß. Die Einräumung des Fruchtgenußrechtes sei weder ein Scheingeschäft gewesen noch zur Umgehung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte erfolgt, weil damit der in den USA arbeitenden und studierenden, jedoch rückkehrwilligen Tochter des Antragsgegners eine Wohnung in Wien erhalten werden sollte.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß unter Billigung der erstrichterlichen Rechtsausführungen; es beschäftigte sich dabei allerdings auch mit der für das Begehren auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten bedeutsamen Vorfrage, ob der Antragsteller nicht schon deshalb als Hauptmieter anzusehen sei, weil er sein Mietrecht von einer Fruchtnießerin des Bestandobjektes herleitet. In eben dieser Rechtsfrage wurde auch ein ausreichender Grund dafür erkannt, die Zulässigkeit des Revisionsrekurses auszusprechen. Ob der Fruchtnießer einer Wohnung gemäß § 2 Abs 1 und 2 MRG Haupt- oder Untermietrechte vermittelt, sei nämlich - soweit überblickbar - vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden.

Das Rekursgericht selbst gestand dem Antragsteller nur die Rechtsposition eines Untermieters zu. Es schloß sich dabei unter ausdrücklicher Ablehnung der von Fenyves (in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 278) vertretenen Gegenmeinung der Auffassung an, daß wohl der Fruchtgenußberechtigte eines ganzen Hauses bei der Vermietung einer Wohnung Hauptmietrechte einräume, nicht aber derjenige, der nur an einem Mietgegenstand Rechte hat (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 2 zu § 2 MRG). Als maßgeblich wurde dabei erkannt, daß § 2 Abs 1 MRG eindeutig nur den Mietvertrag mit dem Fruchtnießer der (ganzen) Liegenschaft als Hauptmiete qualifiziert. Auch in der Frage, ob der Generalmieter (weiterhin) Hauptmietrechte vermittle, sei der Oberste Gerichtshof der Argumentation von Fenyves nicht gefolgt (MietSlg 40/4).

Begründe aber der mit dem Fruchtnießer einer Wohnung abgeschlossene Mietvertrag keine Hauptmietrechte, dann habe auch die Beendigung des Fruchtgenußrechtes nicht zur Folge, daß der Eigentümer der Liegenschaft in den Bestandvertrag eintritt (vgl MietSlg 37.240 ua). Die analoge Anwendung des § 1120 ABGB bei Beendigung des Fruchtgenusses setze nämlich eine Gleichbehandlung der vom Eigentümer und vom Fruchtgenußberechtigten abgeschlossenen Mietverträge voraus. Konnte der Fruchtnießer einer Wohnung nur Untermietrechte vermitteln, dann sei die Situation bei Beendigung des Fruchtgenusses nicht anders zu beurteilen wie bei Ausscheiden des die Untermietrechte vermittelnden Hauptmieters. Auch in diesem Fall trete der Liegenschaftseigentümer grundsätzlich nicht als Bestandgeber in das Bestandverhältnis ein.

Folglich fehle dem Antragsteller die Berechtigung, die Durchführung von Erhaltungsarbeiten zu begehren; der zulässigerweise im außerstreitigen Verfahren gestellte Antrag sei zur Gänze abzuweisen.

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller fristgerecht Revisionsrekurs mit dem Begehren erhoben, sie im Sinne einer Stattgebung seiner (verfahrenseinleitenden) Anträge abzuändern; allenfalls sei der Sachbeschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und einer der Vorinstanzen eine Beweiswiederholung und Beweisergänzung aufzutragen.

Vom Antragsgegner liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag auf Bestätigung der Rekursentscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Revisionsrekurswerber sein Anliegen, als Hauptmieter "anerkannt" zu werden, nur mehr mit dem Argument verfolgt, der mit der Fruchtnießerin der Wohnung abgeschlossene Vertrag vom 24. 5. 1983 sei gemäß § 2 Abs 1 MRG ohnehin ein Hauptmietvertrag. Eine diesbezügliche Feststellung wäre, wie schon das Rekursgericht ausführte, im Streitverfahren durchzusetzen, weil die Anerkennung als Hauptmieter nur dann im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen hat, wenn sie sich auf den Tatbestand des § 2 Abs 3 MRG stützt (§ 37 Abs 1 Z 1 MRG). Dieser Tatbestand beschränkt sich auf Schein- und Umgehungsgeschäfte zur Vermeidung der einem Hauptmieter nach dem MRG zustehenden Rechte (vgl 5 Ob 1022/91), sodaß es im Hinblick auf die nicht weiter angefochtene Verneinung eines Schein- oder Umgehungsgeschäftes bei der Abweisung des Feststellungsbegehrens zu bleiben hat. Die Qualifikation des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses spielt nur als Vorfrage für das auf § 3 Abs 2 Z 2 MRG gestützte Begehren auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten eine Rolle.

Gegen die Meinung des Rekursgerichtes, der Fruchtnießer einer Wohnung vermittle gemäß § 2 Abs 1 und 2 MRG keine Hauptmietrechte, führt der Antragsteller im wesentlichen drei Argumente ins Treffen: die bereits zitierte Gegenmeinung von Fenyves (Haupt- und Untermiete etc. in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 278 und 287), die zu 7 Ob 693/87 ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (MietSlg. 39/46) und jene Judikatur, wonach der Eigentümer eines Bestandobjektes, das vom Fruchtnießer vermietet wurde, nach Beendigung des Fruchtgenußrechtes gemäß § 1120 ABGB in den Mietvertrag eintritt. Da zwischen dem Eigentümer des Bestandobjektes und dem Mieter gemäß § 2 Abs 1 MRG nur eine Hauptmiete bestehen könne, müsse auch der zuvor mit dem Fruchtnießer abgeschlossene Vertrag ein Hauptmietvertrag sein.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Die Entscheidung des Rekursgerichtes hat gewichtige Lehrmeinungen für sich (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 2 zu § 2 MRG; Iro, RdW 1985, 308). Vor allem aber entspricht sie dem völlig klaren Gesetzeswortlaut, der nur die mit dem Eigentümer oder Fruchtnießer der Liegenschaft oder, sofern der Mietgegenstand im Wohnungseigentum steht, mit dem Wohnungseigentümer geschlossenen Mietverträge als Hauptmiete qualifiziert (§ 2 Abs 1 MRG). Dazu gilt noch die Zweifelsregel des § 521 ABGB, die ein Fruchtgenußrecht annimmt, wenn es alle bewohnbaren Teile des Hauses erfaßt. Auch Fenyves gesteht zu, daß in § 2 Abs 1 MRG der Fruchtgenuß am Haus gemeint ist und der Fruchtnießer einer einzelnen Wohnung in dieser Bestimmung ganz sicher nicht genannt wird (aaO, 284). Er stützt seine den Gesetzeswortlaut korrigierende Interpretation im wesentlichen darauf, daß der Gesetzgeber die vom MG beeinflußte wirtschaftliche Betrachtung von Haupt- und Untermiete beibehalten wollte und die dazu ergangene Judikatur den mit einem Fruchtnießer abgeschlossenen Mietvertrag eben immer als Hauptmiete behandelt habe. Tatsächlich konnte Fenyves keine Judikaturbeispiele nennen, die seine Ansicht belegen, auch der Fruchtnießer einer Wohnung vermittle seinem Bestandnehmer Hauptmietrechte. Er bezieht sich vielmehr auf Petrasch (in Rummel I1, Rz 5 zu § 521 ABGB), der diese Meinung jedoch zum typischen Wohnungs-Fruchtgenuß an allen bewohnbaren Teilen des Hauses geäußert hat. Die vermeintliche Stütze in der Judikatur zum MG reduziert sich daher - soweit ersichtlich - auf die gefestigte Rechtsansicht, daß der Eigentümer des Mietgegenstandes in den vom Fruchtnießer abgeschlossenen Mietvertrag eintritt, wenn der Fruchtgenuß endet (E 55 zu § 1120 ABGB, MGA33; ecolex 1990; 483; WoBl 1991, 73), und umgekehrt der Fruchtnießer in den vom Eigentümer abgeschlossenen Mietvertrag, wenn der Fruchtgenuß beginnt (E 51 zu § 1120 ABGB, MGA33). Die daraus gezogene Schlußfolgerung, der Bestandnehmer könne in jedem der Fälle nur Hauptmieter sein, ist jedoch keineswegs zwingend. Auch diese Judikatur behandelte Fälle, in denen der Bestandnehmer von Anfang an Hauptmieter - eben des Eigentümers oder des nicht nur an der betreffenden Wohnung Fruchtgenußberechtigten - war.

Gewichtiger ist das Argument, mit dem der Revisionsrekurswerber auf eine bereits zu § 2 Abs 1 MRG ergangene Judikatur hinweist, die den Fruchtnießer einer Wohnung wie den Fruchtnießer der Liegenschaft behandelt. In einem Fall (7 Ob 693/87 = MietSlg 39/46) geschah dies zur Vertiefung der Argumentation, auch der Bestandnehmer des Wohnungseigentumsbewerbers sei Hauptmieter (gegenteilig: MietSlg 39/45; vgl auch 3 Ob 547/91); im zweiten Fall (7 Ob 568/85 = MietSlg 37.240 = RdW 1985, 308) wurde entschieden, daß sich der Eintritt des Eigentümers des Bestandobjektes in einen vom Fruchtnießer abgeschlossenen Bestandvertrag gemäß § 1120 ABGB auch dann vollzieht, wenn das Fruchtgenußrecht nur die Wohnung betraf. Diese eher beiläufig geäußerte Rechtsmeinung ist jedoch sofort auf Widerspruch gestoßen (Iro, RdW 1985, 308) und hat die höchstgerichtliche Entscheidungslinie, wonach Hauptmietrechte grundsätzlich nur von demjenigen abgeleitet werden können, der in bezug auf die gesamte Liegenschaft verfügungsberechtigt ist (vgl MietSlg 39/45; JBl 1989, 526; 7 Ob 611/90; WoBl 1991, 73), keineswegs gebrochen. Auch die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung MietSlg 40/4 folgt dieser Tendenz einer möglichst wortgetreuen Auslegung des § 2 Abs 1 MRG. Von einer gefestigten Judikatur, auf die der Revisionsrekurswerber seine gegenteilige Meinung stützen könnte, ist daher nicht zu sprechen. Die letzte höchstgerichtliche Stellungnahme zum gegenständlichen Auslegungsproblem bekennt sich sogar ausdrücklich zu der von Würth-Zingher (aaO, Rz 2 zu § 2 MRG) vertretenen Auffassung (WoBl 1991, 73).

Auch der erkennende Senat schließt sich der Meinung an, daß der mit dem Fruchtnießer einer Wohnung abgeschlossene Mietvertrag keine Hauptmiete begründet. Die gegenteilige Auffassung läßt sich mit dem Wortlaut des § 2 Abs 1 MRG nicht vereinbaren, der eben nur den Fruchtnießer der Liegenschaft - also gemeinhin des Hauses - als Vermittler von Hauptmietrechten nennt. Bestätigt wird diese Interpretation auch durch den in § 2 Abs 2 MRG formulierten Grundsatz, daß Untermiete vorliegt, wenn der Mietvertrag mit Personen geschlossen wird, die ihrerseits nur ein vertragsmäßig eingeräumtes Nutzungsrecht haben. Schon der mit dem Fruchtnießer der Liegenschaft abgeschlossene Hauptmietvertrag (§ 2 Abs 1 MRG) stellt sich daher als Ausnahme dar, die über den klaren Wortlaut der Bestimmung hinaus nicht erweitert werden kann.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Anmerkung

E26592

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0050OB00079.91.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19910917_OGH0002_0050OB00079_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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