TE OGH 1991/9/18 1Ob558/91

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Harald B*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Ing.Hubert E*****, wider die beklagte Partei *****krankenkasse *****, vertreten durch Dr.Rudolf Bruckenberger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Anfechtung (Streitwert S 148.543,20 samt Anhang), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12.März 1991, GZ 4 R 298/90-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 18.September 1990, GZ 8a Cg 15/90-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.471,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.245,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des Gemeinschuldners wurde am 29.3.1989 vom Landesgericht Salzburg zu S 41/89 der Konkurs eröffnet. Seine Zahlungsunfähigkeit war jedenfalls vor dem Jahr 1988 eingetreten. Am 31.8.1988 hatte der Gemeinschuldner bei der beklagten Partei offene Beitragsrückstände von S 819.822,55. An diesem Tag fand bei ihm auf Grund eines vollstreckbaren Rückstandsausweises der beklagten Partei über S 166.706,68 samt Anhang eine Fahrnispfändung statt (E 2121/88 des BG Saalfelden). Der Gemeinschuldner zedierte der beklagten Partei am selben Tag eine Forderung gegen die Wohnbaugenossenschaft B***** im Betrag von

S 180.000 mehr oder weniger. Diese Genossenschaft überwies am

18. bzw 19.10.1988 an die beklagte Partei den Betrag von

S 148.543,20. Zu diesem Zeitpunkt betrugdder Beitragsrückstand des Gemeinschuldners S 873.767,73. Die beklagte Partei rechnete den eingegangenen Betrag auf die in Exekution gezogenen bzw bereits fälligen Beitragsrückstände an.

Mit der am 1.3.1990 eingebrachten Anfechtungsklage begehrt der klagende Masseverwalter den Ausspruch, daß die Zession vom 31.8.1988 den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam sei. Die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 148.543,20 samt Anhang zu bezahlen. Es lägen wegen inkongruenter Sicherstellung bzw Befriedigung die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO vor. Die beklagte Partei habe schon im Frühjahr 1988 gegen den Gemeinschuldner Exekutionen geführt.

Die beklagte Partei brachte vor, es möge zwar zutreffen, daß sie außerhalb der kritischen Frist keinen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf Abtretung gehabt habe, die Befriedigung aus der Abtretung sei aber nicht inkongruent gewesen. Sowohl zum Zeitpunkt der Abtretung als auch zum Zeitpunkt der Zahlung hätte die beklagte Partei gegenüber dem Gemeinschuldner eine offene und fällige Forderung gehabt, die den abgetretenen bzw letztendlich bezahlten Betrag bei weitem überstiegen habe. Die beklagte Partei habe daher die Befriedigung dieser Forderung begehren können, die Deckung sei daher nicht inkongruent gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die beklagte Partei habe dem Gemeinschuldner gegenüber Anspruch auf Zahlung der fälligen Krankenversicherungsbeiträge samt Zinsen und Exekutionskosten, nicht aber nach dem zugrundeliegenden materiellrechtlichen Verhältnis Anspruch auf Abtretung von Forderungen an sie gehabt. Im konkreten Fall läge die anfechtbare Rechtshandlung in einer im kritischen Zeitraum vorgenommenen inkongruenten Abtretung, so daß die Befriedigung der beklagten Partei in Form der Zahlung aus der Abtretung nur das Ergebnis einer anfechtbaren Rechtshandlung darstelle, die Zahlung daher das rechtliche Schicksal dieser anfechtbaren Rechtshandlung teile und daher ebenfalls anfechtbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Eine Zession zahlungshalber bewirke bloß eine Sicherstellung. Erst wenn später Befriedigung erlangt werde, sei der Gesamttatbestand als inkongruente Befriedigung anfechtbar. Gemäß § 66 ASVG seien aber auf Beitragsforderungen nach dem ASVG die §§ 232, 233 BAO anzuwenden, die bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen materiellrechtlichen Sicherstellungsanspruch gewährten. Gemäß § 232 Abs 1 BAO könne ein Sicherstellungsauftrag erlassen werden, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Angesichts der rapiden Zunahme des offenen Saldos des Gemeinschuldners bei der beklagten Partei in einem relativ kurzen Zeitraum, ferner der wiederholten Exekutionsführungen seien diese Voraussetzungen als gegeben anzunehmen. Eine vom Gemeinschuldner angebotene und von der beklagten Partei akzeptierte zahlungshalber vorgenommene Zession einer Forderung gegen einen Kunden des Gemeinschuldners sei eine zufolge §§ 232 f BAO, § 66 ASVG kongruente Sicherstellung der Forderung der beklagten Partei. Dieser Sicherstellungsanspruch gelte umso mehr für bereits fällige und vollstreckbar gewordene Steuer- und Beitragsforderungen, da der Anspruch auf Zahlung auch den auf Sicherstellung in sich schließe. Eine Anfechtung gemäß § 30 Abs 1 Z 1 KO sei somit nicht möglich. Die Zahlung selbst sei dann aber keinesfalls inkongruent. Dem stehe nicht entgegen, daß die beklagte Partei in der Klagebeantwortung die Zession als inkongruent angesehen habe. Es handle sich hiebei lediglich um ein Rechtsgeständnis, das das Gericht nicht binde und durch den Antrag auf Klagsabweisung entkräftet worden sei.

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Sie bestreitet nicht mehr die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der beklagten Partei ein materiellrechtlicher Sicherstellungsanspruch zugestanden ist (vgl weiters zu den vom Berufungsgericht angeführten Zitaten noch die Entscheidung des erkennenden Senates JBl 1986, 394 mit in diesem Punkt zustimmender Besprechung von König aaO 395). Der klagende Masseverwalter vertritt nur die Ansicht, daß eine freiwillige Zession selbst bei Vorliegen der von ihr nicht bestrittenen Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages mit der Erlassung eines solchen nicht gleichzusetzen sei. Daß bei der für den maßgeblichen Zeitraum bereits vorliegenden Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners die Einbringung der Sozialversicherungsbeiträge gefährdet oder wesentlich erschwert gewesen wäre, kann von der klagenden Partei umso weniger ernsthaft bestritten werden, als gerade am Tag der Abtretung der Forderung wegen einer vollstreckbaren Forderung der beklagten Partei, die höher war als der letztlich hereingekommene Betrag, eine Fahrnispfändung beim Gemeinschuldner stattfand. Bereits in den Entscheidungen JBl 1986, 394 und EvBl 1963/388 wurde ausgesprochen, daß eine kongruente Deckung jedenfalls auch dann vorliege, wenn eine Sicherstellung und Befriedigung für bereits fällige und vollstreckbar gewordene Beitrags-(Steuer-)Forderungen erfolgte. Eine kongruente Sicherstellung und Befriedigung ist dann aber auch gegeben, wenn die Sicherstellung bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen nicht zwangsweise, sondern freiwillig erfolgte, etwa gerade darum, um die anfechtungsfeste zwangsweise Verwertung der gepfändeten Gegenstände hintanzuhalten (vgl § 232 Abs 2 lit d BAO).

Der klagenden Partei kann auch nicht gefolgt werden, daß sich das Berufungsgericht über die Vorschrift des § 266 Abs 1 ZPO hinweggesetzt hätte. Ein Geständnis liegt nur vor, wenn eine Partei die Erklärung abgibt, daß eine tatsächliche Behauptung der anderen zutrifft (Fasching, Lehrbuch2 Rz 838; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht14 706). Mit dem Vorbringen der beklagten Partei in der Klagebeantwortung, es mag zutreffen, daß sie keinen Anspruch auf Abtretung der Forderung gegenüber dem Gemeinschuldner gehabt habe, wurde aber kein dieser Erkärung zugrundeliegender Tatsachenkomplex zugestanden, sondern bloß ein rechtliches Element auf das der Klagsanspruch beruhte, für zutreffend erkannt. Darin lag aber weder ein (eingeschränktes) Anerkenntnis noch konnte diese Erklärung den Richter in seiner Rechtsanwendung binden (vgl Fasching aaO Rz 1308, 1304; Rosenberg-Schwab aaO 455, 842).

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E27340

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00558.91.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19910918_OGH0002_0010OB00558_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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