TE OGH 1991/9/18 1Ob29/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton Hans S*****, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag und Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dr. Wolfgang P*****, wegen S 2,387.972 s.A. infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 19.Juni 1991, GZ 2 R 143/91-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 22.Mai 1991, GZ 29 Cg 151/91-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz seines mit S 2,387.972 s.A. bezifferten Schadens. Mit eigenhändiger letztwilliger Verfügung vom 20.3.1985 habe sein am 3.4.1985 verstorbener unehelicher Vater seine Lebensgefährtin und seinen Bruder bedacht, den Kläger hingegen enterbt; der letzte Wille sei am 25.4.1985 kundgemacht worden. Bei der Tagsatzung vom 8.8.1985 habe der Beklagte als Gerichtskommissär die Auffassung vertreten, der Kläger sei bloß auf den Pflichtteil gesetzt, weshalb dieser die Nachlaßinventarisierung beantragt habe. Nach Errichtung eines Teilinventars hätten die Lebensgefährtin des Erblassers aufgrund des Testamentes vom 20.3.1985 und dessen Schwester aufgrund des Gesetzes bedingte Erbserklärungen zum gesamten Nachlaß abgegeben. Das von der erbl. Schwester nach Zuteilung der Klägerrolle gegen die Lebensgefährtin des Erblassers auf Feststellung, daß die letztwillige Verfügung bloß ein Kodizill sei, gerichtete Klagebegehren sei in allen drei Instanzen abgewiesen worden. Bei der Tagsatzung vom 2.1.1989 habe der Beklagte den Pflichtteilsanspruch des Klägers mit S 2,387.972,11 errechnet, die Lebensgefährtin des Erblassers habe diesen Anspruch jedoch im Hinblick auf die Enterbung bestritten. Der vom Verlassenschaftsgericht auf den Zivilrechtsweg verwiesene Kläger habe den vom Beklagten errechneten Pflichtteilsanspruch zwar klageweise geltend gemacht, sein Begehren sei jedoch infolge Verjährungseinrede der Testamentserbin nach Erschöpfung des Instanzenzuges rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beklagte habe den im Verlassenschaftsverfahren unvertretenen Kläger auf die Gefahr der Verjährung seines Pflichtteilsanspruches nicht aufmerksam gemacht. Er habe dem Kläger vielmehr während der Anhängigkeit des Erbrechtsstreits bedeutet, das Verfahren ruhe für diesen. Die Lebensgefährtin des Klägers habe 1988 zweimal beim Beklagten nachgefragt; dieser habe ihr jedesmal mitgeteilt, er könne so lange nichts unternehmen, als der Erbrechsstreit noch beim Obersten Gerichtshof behänge. Erst am 2.1.1989 habe der Kläger erfahren, daß dieser Prozeß nun beendet sei, die erbl. Lebensgefährtin den Pflichtteilsanspruch des Klägers jedoch bestreite. Der Kläger stütze seinen Anspruch zwar auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, in erster Linie jedoch auf die §§ 1299 f ABGB. Amtshaftung komme deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte nicht für das Gericht tätig geworden wäre, hätte er den Kläger auf die drohende Verjährung seines Anspruchs aufmerksam gemacht; er hätte diesen dann vor Rechtsnachteilen bewahrt, die nicht im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses gelegen seien, sondern den rein privatrechtlichen Anspruch auf den Pflichtteil betroffen hätten.

Das Erstgericht wies die Klage, ohne sie dem Beklagten zugestellt zu haben, zurück. Der Beklagte sei nach dem Klagsvorbringen als Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren und somit als Organ des Bundes in Vollziehung der Gesetze tätig geworden, weshalb er selbst gemäß § 1 Abs.1 AHG dem Geschädigten nicht hafte und der Kläger gemäß § 9 Abs.5 AHG den Ersatz des Schadens gegen ihn als Organ im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen könne.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Kläger erkenne zwar, daß Amtshaftung in Betracht käme, wäre der Beklagte als Gerichtskommissär tätig geworden, vertritt aber die Auffassung, der Schaden sei ihm nicht in Vollziehung der Gesetze, sondern bloß "gelegentlich der Vollziehung" zugefügt worden. Für ihn als Pflichtteilsberechtigten sei der Beklagte nicht als Gerichtskommissär tätig geworden. Daß die Schädigung im privaten Rechtsbereich des Klägers eingetreten sei, könne zwar nicht bezweifelt werden; das sei aber für die Frage, ob der Beklagte als Organ des Bundes tätig wurde, ohne Bedeutung. Der Rechtsträger hafte für unerlaubte Handlungen seiner Organe, die mit ihren Geschäftsaufgaben im Zusammenhang stünden, hafte aber nicht für Schäden, die sein Organ nur "bei Gelegenheit" der Ausführung seiner Verpflichtungen verursacht habe. Von der bloßen Ausnützung einer hoheitlich geschaffenen Gelegenheit durch den Beklagten könne nach dem für die Beurteilung der Rechtswegzulässigkeit maßgeblichen Inhalt der Klage keine Rede sein. Es sei in aller Regel ohne Belang, ob die schadensverursachende Handlung bzw. Unterlassung, hier also die unvollständige oder gar fehlende Rechtsbelehrung, zu den Verrichtungen gehöre, die der dem Organ zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringe, es sei denn, das Verhalten des Organs läge eindeutig außerhalb dessen Aufgabenkreises, der Geschädigte habe dies gewußt oder hätte dies wissen müssen und auch ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, den Amtsmißbrauch entgegenzutreten. Die Belehrung des am Verlassenschaftsverfahren beteiligten Pflichtteilsberechtigten gehöre jedenfalls zum Aufgabenkreis des Gerichtskommissärs. Der Kläger sei deshalb verfahrensbeteiligt gewesen, weil er seinen eigenen Behauptungen zufolge bereits die Nachlaßinventarisierung beantragt habe.

Der Revisionsrekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Nach wie vor steht er auf dem Standpunkt, der beklagte Notar wäre nicht als Gerichtskommissär tätig geworden, hätte er von sich aus den Kläger auf die Gefahr der Verjährung der von diesem verfolgten Pflichtteilsansprüche hingewiesen; dieser Rat wäre nämlich sowohl der Sache nach wie auch zeitlich "vollkommen außerhalb des Verlassenschaftsverfahrens" erteilt worden. Die Schadenszufügung gelegentlich der Vollziehung der Gesetze löse aber keine Haftung des Rechtsträgers aus. Dem kann nicht beigepflichtet werden:

Der Kläger bezweifelt, wie schon das Rekursgericht zutreffend angemerkt hat, gar nicht, daß der Notar als Beauftragter des Gerichtes (Gerichtskommissär) Organ des Bundes im Sinne des § 1 Abs.2 AHG ist, soweit er hiezu nach § 1 Abs.1 GKoärG von einem Gericht in einem außerstreitigen Verfahren bestellt wurde (SZ 57/172 uva; Schragel, AHG2 Rz 47; Schauer in RdW 1984, 270). Der Rechtsträger haftet allerdings nur für unerlaubte Handlungen und Unterlassungen seiner Organe, die mit deren Geschäftsaufgaben im Zusammenhang stehen und hat deshalb dann nach dem Amtshaftungsgesetz einzustehen, wenn durch rechtswidriges Verhalten in der Vollziehung Schaden gestiftet wurde, der bei rechtmäßiger Vollziehung der in Betracht kommenden Gesetze vermieden worden wäre; nur wenn das Organ den Schaden "bei Gelegenheit" der Ausführung seiner Verpflichtungen verursachte, haftet der Rechtsträger nicht (SZ 55/82 ua; Schragel aaO Rz 115).

Nach den Klagsbehauptungen, von welchen bei der Prüfung der Rechtswegzulässigkeit allein auszugehen ist, beschränkte sich der Kontakt zwischen Kläger und Beklagtem ausschließlich auf das Verlassenschaftsverfahren, in dem der beklagte Notar zum Gerichtskommissär bestellt worden war; daß dieser etwa vom Kläger - wenn auch im Zusammenhang mit der Abhandlung - mit dessen Vertretung oder sonst mit der Vornahme von Rechtshandlungen für ihn beauftragt worden wäre (vgl. § 5 NotO), in deren Rahmen er zu dessen Rechtsbelehrung und vor allem auch zu dessen Bewahrung vor Rechtsnachteilen verpflichtet gewesen wäre, kann dem Klagsvorbringen nicht entnommen werden. Soweit daher der Beklagte überhaupt zu einer Aufklärung des Klägers über die für diesen maßgebliche Rechtslage verhalten gewesen wäre, was im Zwischenstreit über die Rechtswegzulässigkeit nicht zu prüfen ist, hätte ihn deshalb eine solche Pflicht bloß im Rahmen seiner den am Verlassenschaftsverfahren beteiligten Personen gegenüber bestehenden Rechtsfürsorge als gerichtliches Organ der Abhandlungspflege treffen können. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, daß der Kläger die von ihm vermißte (ausreichende) Belehrung über die Gefahr der Verjährung seiner Pflichtteilsansprüche während des anhängigen Erbrechtsstreites mangels privatrechtlicher Beauftragung des Beklagten als Notar von diesem - wenn überhaupt, jedenfalls - nur aufgrund dessen Bestellung zum Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren, an dem er sich durch entsprechende Antragstellung beteiligt hatte, hätte fordern können (vgl. SZ 57/172).

Soweit der Kläger nach wie vor behauptet, der Beklagte habe ihm den behaupteten Schaden gelegentlich der Gesetzesvollziehung zugefügt, übersieht er, daß dann der von ihm behaupteten Verpflichtung des Beklagten zu seiner Aufklärung und Rechtsbelehrung vollends der Boden entzogen wäre: Die Unterlassung sachgerechter Belehrung und Aufklärung könnte nur dann rechtswidrig sein und deshalb eine Schadenersatzpflicht auslösen, wenn der Beklagte zum Kläger in einem öffentlich-rechtlichen Verpflichtungsverhältnis als Gerichtskommissär im Verlassenschaftsverfahren (vgl. SZ 57/172) oder in einem privatrechtlichen Auftragsverhältnis gestanden wäre. Ein solches hat der Kläger aber nicht einmal im Revisionsrekurs behauptet, er beruft sich vielmehr bezeichnenderweise auf ein "Verpflichtungsverhältnis im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung", das aber nur durch die Bestellung des Beklagten zum Gerichtskommissär begründet worden sein konnte.

Zutreffend hat das Rekursgericht auch die Beteiligtenstellung des Klägers im Verlassenschaftsverfahren bejaht, weil er nicht bloß selbst die Nachlaßinventarisierung beantragt hatte, sondern auch bedingte Erbserklärungen abgegeben worden waren (SZ 42/62 ua); im übrigen wäre der Fall nicht anders zu beurteilen, wenn man die Beteiligtenstellung des Klägers verneinen wollte.

Könnte demnach der Beklagte dem Kläger - wenn überhaupt - nur als Organ der Abhandlungspflege zur Rechtsbelehrung verpflichtet gewesen sein, kann dieser den Ersatz des behaupteten Schadens gegen den Beklagten im ordentlichen Rechtsweg nicht geltend machen (§ 9 Abs.5 AHG), weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E27332

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00029.91.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19910918_OGH0002_0010OB00029_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten