TE OGH 1991/9/18 1Ob669/90

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hubert F*****, vertreten durch Dr. Josef Kurz, Rechtsanwalt in Silz, wider die beklagte Partei GEMEINDE S*****, vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander und Dr. Harald Vill, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 766.454,30 S s.A., infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 22. Juni 1990, GZ 4 R 60/90-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. November 1989, GZ 17 Cg 166/87-33, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher

Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im Auftrag der beklagten Gemeinde schrieb das Architekturbüro S***** (im folgenden Architekturbüro) Erdarbeiten im Gemeindegebiet der beklagten Partei zur späteren Errichtung eines Mehrzweckgebäudes aus. In der Ausschreibung wurde ein Anbot nach Einheitspreisen verlangt, die auch allfälligen zusätzlichen, nicht im Leistungsverzeichnis enthaltenen Arbeiten zugrunde zu legen wären. Arbeiten außerhalb des Leistungsverzeichnisses würden nur dann vergütet, wenn hiefür ein Nachtragsoffert abgegeben wurde und die Arbeiten ausdrücklich schriftlich bestellt wurden.

Die Ausschreibung war vom Architekturbüro aufgrund eines Höhenschichtplanes verfaßt worden. Walter S***** ging davon aus, daß Reißfels und Sprengfels vorhanden wären. Das Verhältnis zwischen den beiden erfolgte aufgrund einer Schätzung, die vom Architekturbüro durchgeführt wurde. Dieser Schätzung lag die Massenermittlung des Vermessungsbüros Ing. M***** (im folgenden Vermessungsbüro) zugrunde. Man ging bei der Schätzung davon aus, daß Sprengfels in überwiegendem Maße vorhanden sei, und schrieb die Differenz zur gesamten abzutragenden Masse dem Material der Bodenklasse 3 zu. Auf Grund der Ausschreibung langten fünf Anbote mit nachstehenden Anbotssummen ein: Biet- und Arbeitsgemeinschaft (im folgenden ARGE) von R***** (Beteiligung 6 %) und dem Kläger (Beteiligung 94 %) 2,441.280 S, C. B***** 3,657.360 S, M***** 5,154.300 S, Ing. Ekkart S***** 5,875.200 S und Ing. Fritz R***** 7,557.000 S. Die detaillierten Ansätze gingen aus der jedem Anbot angeschlossenen Aufstellung hervor.

Die ARGE bot unter Position (im folgenden Pos.) 1a den stufenweisen maschinellen Geländeabtrag bzw den Baugrubenaushub der Bodenklasse 6 = leichter Fels zu einem Einheitspreis von 127,20 S bei einer auszuhebenden Menge von 5.000 m3 an. In Pos. 1b, die sich auf den Abbau des gleichen Gesteins, aber bei einem Abtransport von 2 km (anstatt 1 km laut Pos. 1a) bezog, wurde ein Einheitspreis von 10,60 S bei 5.000 m3 angeboten, was als kalkulierten Betrag für Pos. 1a und 1b insgesamt 689.000 S ausmachte. Bei Pos. 2a (Abtragen von Gestein Bodenklasse 7 = schwerer Fels = Sprengfels und Transportweg von 1 km) wurde ein Einheitspreis von 235,30 S bei 5.000 m3, bei Pos. 2b (die sich von Pos. 2a nur durch einen Transportweg von 2 km und die doppelte Kubatur von 10.000 m3 unterschied) ein Einheitspreis von 10,60 S kalkuliert. Während die übrigen Mitbieter - mit Ausnahme von M***** - so kalkulierten und anboten, daß der Transport auf die größere Entfernung von 2 km teurer war als bei einem Transport über 1 km, bot die ARGE so an, daß in Pos. 1b und 2b nur jeweils die Differenz zum Einheitspreis der Pos. 1a und 2a aufgrund des größeren Transportweges angegeben ist. Dies führte dazu, daß im Anbot nur die Differenz (beim Transport) von 10,60 S mit der veranschlagten Aushubmasse multipliziert wurde; deshalb machten Pos. 1b und 2b im Anbot der ARGE trotz der größeren Wegstrecke nur Teile dessen aus, was Pos. 1a und 2a unter Zugrundelegung eines Transports über 1 km ergaben. Dieser Fehler in der Berechnung schlägt sich wesentlich in der Anbotssumme nieder. Die Anbote wurden vom Architekturbüro geprüft. Bei Anbotseröffnung wurde eine Aufstellung der Anbote errichtet, aus der sich ergab, daß die ARGE Bestbieter war. Der damalige Bürgermeister der beklagten Partei erteilte deshalb der ARGE den Auftrag.

Laut Schlußbrief sind die Rechnungsbeträge aus der Tätigkeit der ARGE an den Kläger zu überweisen. Bei den vom Kläger vorgenommenen Sprengarbeiten stellte sich heraus, daß die Schätzung anhand der Pläne des Vermessungsbüros, wonach 200 m3 Lockermaterial (Bodenklasse 3) und sonst Sprengfels zu entfernen wären, richtig war.

Während der Arbeit des Klägers ergab sich bei der Planung des Gebäudes aufgrund statischer Notwendigkeiten das Erfordernis, die Baugrube um 1,75 m tiefer auszuschürfen, weil das Material im vorderen Teil des Bauplatzes aus Torf bestand. Den Auftrag dazu erteilte der damalige Bürgermeister für die beklagte Partei an die ARGE mündlich; beide Vertragsteile gingen davon aus, daß für diesen Zusatzauftrag die Einheitspreise des ursprünglichen Auftrags zugrunde zu legen seien.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Zahlung von 766.454,30 S sA mit dem wesentlichen Vorbringen, gemeinsam mit dem Unternehmen R***** als ARGE von der beklagten Partei den Auftrag zur Erbringung von Spreng- und Abtragungsarbeiten erhalten zu haben. Darüberhinaus sei ein mündlicher Auftrag für weitere Aushubarbeiten vom damaligen Bürgermeister der beklagten Partei unter Zugrundelegung der angebotenen Einheitspreise erteilt worden. Die Massenermittlung nach Durchführung der Arbeiten aufgrund von Vermessungen bzw fotogrammetrischer Auswertung durch das Vermessungsbüro sei vom Architekturbüro und von dem, von der beklagten Partei beauftragten Planungs- und Bauleitungsbüro geprüft und für in Ordnung befunden worden.

Danach ergebe sich folgende Abrechnung:

19.600,6 m3 schwerer Fels laut Pos.

2a des Anbots, a 235,30 S ..............   4,612.021,80 S

1.009,2 m3 Material der Bodenklasse 3

laut Pos. 3 des Anbots, a 57,20 S .......      57.726,24 S

                                           4,669.747,42 S

zuzüglich 20 % Umsatzsteuer .............    993.949,48 S

                                           5,603.696,90 S

abzüglich Aconti ........................  4.788.320,-- S

womit ein Betrag von ....................    815.376,90 S

verbleibe; da vertragsgemäß von der Ge-

samtwerklohnsumme das Unternehmen R*****

***** 6 % zu erhalten habe, werde

der dementsprechende Betrag von ......... -    48.922,60 S

abgezogen, sodaß sich der Klagsbetrag von     766.454,30 S

                                          ===============

ergebe.

Bereits im Schlußbrief sei vereinbart worden, daß Zahlungen an die ARGE jeweils an den Kläger zu leisten seien; das Unternehmen R***** sei mit der Geltendmachung der Klagsforderung durch den Kläger (allein) einverstanden.

Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, die vom Kläger vorgenommene Abrechnung sei unrichtig. Tatsächlich seien nicht 19.600,6 m3 schwerer Fels, sondern weniger (zunächst:

13.720,42 m3 Fels der Bodenklasse 7 und 5.880,18 m3 Fels der Bodenklasse 6; in ON 23: 16.314 m3 Sprengfels und 4.205,62 m3 Material der Bodenklassen 1 bis 3; in ON 30: 202 m3 der Bodenklasse 1, 2.125 m3 der Bodenklassen 3 bis 4, 546 m3 der Bodenklasse 6 und 14.211 m3 der Bodenklasse 7) abgebaut worden. Zweifel in bezug auf das Ausmaß des abgetragenen Materials gingen zu Lasten des Klägers. Dieser habe entgegen den vereinbarten Allgemeinen Vorbemerkungen zur Ausschreibung keine Massenermittlung nach Fertigstellung der Arbeiten durch das Architekturbüro vorgenommen. Allenfalls habe daher nach den Bestimmungen der Allgemeinen Vorbemerkungen die Vergütung nach den Plänen zu erfolgen, die der Ausschreibung zugrunde lagen, womit eine Vergütung für Sprengfelsabtragung nur im Ausmaß von 15.000 m3 zu erfolgen habe. Die Arbeiten, die mündlich vom Bürgermeister der beklagten Partei (und ohne Genehmigung des Gemeinderats, daher rechtsunwirksam) zur Vertiefung der Baugrube vorgenommen worden seien (3.435,7 m3), seien nicht zu vergüten, weil nach den Allgemeinen Vorbemerkungen eine Vergütung nur bei Stellung eines Nachtragsofferts und der Erteilung eines schriftlichen Auftrags zustehe. Abgesehen davon habe die ARGE - absichtlich - irreführend angeboten; in Wirklichkeit sei daher nicht sie, sondern C. B***** Bestbieter gewesen und hätte den Zuschlag erhalten. Als der Irrtum entdeckt worden sei, sei es zu einer Vereinbarung zwischen Albrecht T***** von dem für die ARGE federführenden Unternehmen R***** und der beklagten Partei gekommen, daß nur die vom Anbieter C. B***** angebotenen Preise bezahlt würden; jedenfalls aber werde Vertragsanpassung in diesem Sinne begehrt. Der Kläger sei aktiv nicht legitimiert; die Werklohnforderung der ARGE sei eine Gesamthandforderung, sodaß sie nicht allein vom Kläger geltend gemacht werden könne; allenfalls könne der Kläger nur 94 % der gesamten Werklohnforderung geltend machen, doch habe die beklagte Partei bereits mehr bezahlt. Einer allfälligen Restforderung stünden (im Revisionsverfahren nicht relevante) Gegenforderungen der beklagten Partei gegenüber, die compensando eingewendet würden.

Der Kläger replizierte, die beklagte Partei könne eine Irreführung bei Anbotstellung und einen Irrtum bei Vergabe nicht einwenden, weil ihr die Art der Berechnung der angebotenen Preise im Anbot der ARGE (ebenso wie bei M*****) und damit die Unvergleichbarkeit der bloßen Endsummen der verschiedenen Anbote offenbar auffallen habe müssen. Die Unterlassung einer Prüfung durch das Architekturbüro sei von der beklagten Partei zu vertreten, weil dieses in deren Auftrag die Ausschreibung vorgenommen habe. Eine Zustimmung der ARGE zur Abrechnung laut dem Anbot B***** sei nie erfolgt. Die Gegenforderungen bestünden nicht zu Recht.

Das Erstgericht erachtete die Klagsforderung als berechtigt, die Gegenforderungen hingegen als nicht berechtigt und verhielt demgemäß die beklagte Partei zur Zahlung des Klagsbetrages. Es stellte noch fest: Eine Zuordnung der ausgehobenen Gesamtkubatur zu den jeweiligen Bodenklassen sei mit den wissenschaftlichen Methoden der Geologie und Bodendynamik nicht möglich, sodaß auch nicht feststellbar sei, daß die Schätzung des Gutachters Dipl.Ing. Bernhard W***** über die Zusammensetzung des abgetragenen Felsmaterials zutreffe. In der Natur stelle sich der Fels so dar, daß der kompakte Fels (Sprengfels) knapp unter der Grasoberfläche anzutreffen gewesen sei, in einigen Bereichen jedoch Blockwerk (Reißfels) und Lockermaterial (Bodenklasse 3) unter der Oberfläche vorhanden gewesen sei, wobei der Lockermaterialbereich teilweise auch in Klüftungen des Gesteins eingedrungen sei. Dadurch seien Tiefen der Lockermaterialschicht von 10 bis 20 cm, aber auch bis zu 2 m im Kluftbereich gegeben.

Wegen dieser geologischen Gegebenheit sei ein wirtschaftliches

Abtragen des Felsens nach Abtragung der Humusschicht nur durch

Sprengung möglich gewesen. Das Vermessungsbüro habe nicht nur vor

Beginn, sondern auch nach Abschluß der Arbeiten eine

Massenermittlung durchgeführt. Aufgrund des Ergebnisses dieser

Berechnungen habe der Kläger in Teilabrechnungen Rechnung gelegt,

die vom Architekturbüro geprüft worden sei. Nach Fertigstellung

der Arbeiten im Juni 1985 habe der Kläger zum Jahresende 1985 die

Endabrechnung gelegt, die sich auf das Vermessungsergebnis des

Vermessungsbüros gestützt habe, das die Richtigkeit seiner

ursprünglichen Vermessung nach Abschluß der Arbeiten überprüft

habe. Dieses Ergebnis sei vom Architekturbüro für die beklagte

Partei geprüft und als richtig befunden worden. Der Kläger habe

19.600,6 m3 schweren Fels (abgerechnet laut Pos. 2a) und

1.009,2 m3 der Bodenklasse 3 (abgerechnet laut Pos. 3)

abgetragen, sodaß sich ein Rechnungsbetrag von

........................................   5,603.696,90 S

ergebe. Nach Abzug der bereits während

der Arbeiten geleisteten Akonti der

beklagten Partei von ...................  -4,788.320,-- S

bleibe ein Betrag von ...................    815.376,90 S.

Daß der Vertreter des Untnehmens R***** dem Vorschlag des damaligen Bürgermeisters der beklagten Partei, die Abrechnung nach dem Anbot C. B***** vorzunehmen, zugestimmt habe, sei nicht feststellbar.

In rechtlicher Hinsicht - soweit es die Klagsforderung betrifft - bejahte die Erstrichterin die Aktivlegitimation des Klägers. Beweismittel, die der in Ansehung der anspruchsbegründenden Tatsachen beweispflichtige Kläger zur Höhe seines Anspruches angeboten haben, sei ein Schlußbrief, einvernehmliche Schätzungen der einzelnen Bodenklassen und die nach diesen Schätzungen erstellte Rechnung. Es wäre nun Aufgabe der beklagten Partei gewesen, als anspruchsvernichtende Tatsache den Nachweis zu erbringen, daß die vom Kläger erstellte Rechnung nicht dem entspreche, was an Leistung erbracht worden sei. Dieser Beweis sei der beklagten Partei mißlungen. Der Kläger sei an die Summe des Anbots nicht gebunden; der beklagten Partei bzw dem von ihr beauftragten Architekturbüro hätte bei Prüfung des Anbots auffallen müssen, daß diese in den Pos. 1b und 2b derart niedrige Beträge enthalte. Ihr Irrtum sei tatsächlich auch aufgefallen, was sich auch aus der Äußerung des damaligen Bürgermeisters der beklagten Partei schließen lasse. Die Aufklärungspflicht zu diesem Irrtum hätte daher die beklagte Partei getroffen; da sie dieser Pflicht nicht nachgekommen sei, könne sie den Einwand des Irrtums nicht geltend machen. Der Vergütungsanspruch bestehe ungeachtet des fehlenden Nachtragsofferts und eines schriftlichen Zusatzauftrages, weil die Ausschreibung als Vorgabe der beklagten Partei für den Kläger angesehen werden müsse, sodaß ein Abgehen von den in der Ausschreibung vorgegebenen Richtlinien durch die ausschreibende Partei nicht zu Lasten des Anbieters gehen könne. Es müsse hier von einem neuerlichen Auftrag ausgegangen werden, bei dem stillschweigend auch die Einheitspreise des ursprünglichen Auftrages zugrundegelegt worden seien.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil wegen Feststellungsmängeln zu den Gegenforderungen auf; den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zu. Die zweite Instanz übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen in Ansehung der Klagsforderung und stellte nach Beweiswiederholung noch fest:

Das Unternehmen R***** stimmte der klagsweisen Geltendmachung der restlichen Werklohnforderung durch den Kläger ausdrücklich zu. Der damalige Bürgermeister der beklagten Partei befaßte mit dem gesamten Auftrag an die ARGE den Gemeinderat der beklagten Partei nicht. Im Gemeinderat wurde das Anbot der ARGE nicht erörtert, weil für die Arbeit ein bestimmtes Budget vorhanden war und der damalige Bürgermeister festgestellt hatte, daß die Anbotssumme in diesem Budget leicht Platz fand. Der damalige Bürgermeister hatte den Auftrag selbst, ohne Befassung des Gemeinderates erteilt. Die von der ARGE angebotenen Preise zu Pos. 1a und 2a waren durchschnittliche Marktpreise.

In rechtlicher Hinsicht bejahte die zweite Instanz die Aktivlegitimation des Klägers. Der Hinweis in den Allgemeinen Vorbemerkungen von Ausschreibung und Anbot, daß Arbeiten außerhalb des Leistungsverzeichnisses nur dann vergütet würden, wenn hiefür Nachtragsofferte abgegeben und die Arbeiten ausdrücklich schriftlich bestellt würden, sei ein Formvorbehalt iS des § 884 ABGB, von dem die Parteien jederzeit einvernehmlich abgehen konnten. Der damalige Bürgermeister habe für die beklagte Partei an die ARGE mündlich den Zusatzauftrag erteilt, die Baugrube entsprechend tiefer auszuschürfen, wobei beide Vertragsteile davon ausgegangen seien, daß für diesen Zusatzauftrag die Einheitspreise des ursprünglichen Auftrags zugrundezulegen seien. Dem beweispflichtigen Kläger sei der Beweis gelungen, daß trotz des Formvorbehalts ohne Einhaltung der vorgesehenen Form ein solcher Auftrag mit Bindungswillen und entsprechender Preisvereinbarung erteilt worden sei. Allein deshalb, weil dem Formvorbehalt nicht Genüge getan worden sei, könne der Werklohn für diesen Zusatzauftrag nicht verweigert werden.

Die beklagte Partei mache, obwohl der Gemeinderat (auch) mit der Auftragsvergabe nicht befaßt gewesen sei, nicht die Ungültigkeit des gesamten Auftrags, sondern nur des Zusatzauftrages geltend. Daraus müsse der Schluß gezogen werden, daß die beklagte Partei die Auftragsvergabe an die ARGE zumindest iS des § 1016 ABGB im nachhinein genehmigt habe. Der vom damaligen Bürgermeister der beklagten Partei mündlich erteilte Zusatzauftrag stehe zweifellos in einem Zusammenhang mit einem ursprünglichen, schriftlich erteilten Auftrag; er erweitere das Ausmaß der zu erbringenden Leistungen. Folgend der E EvBl 1988/128 könne auch vorliegend davon ausgegangen werden, daß mit der grundsätzlichen Genehmigung der Durchführung des Projekts (im Wege der Genehmigung des dafür erforderlichen Budgets durch den Gemeinderat) der Bürgermeister als ein zur Abgabe kleinerer bautechnisch notwendig werdender Zusatzaufträge ermächtigtes Organ der Gemeinde zu gelten habe. Darüberhinaus habe sich die beklagte Partei aus diesem Geschäft schon einen Vorteil iS des § 1016 ABGB zugewendet. Auf eine Beweislastverteilung sei deshalb nicht einzugehen, weil das Ausmaß von Lockermaterial und von Sprengfels präzise festgestellt worden sei.

Von einem beiderseitigen Irrtum in Ansehung der angebotenen Einheitspreise könne keine Rede sein. Wenn ein gemeinsamer Irrtum über irgendeinen, für die Auftragsvergabe wesentlichen Punkt angenommen werden könne, so höchstens der, daß sowohl die ARGE als auch die beklagte Partei der Meinung gewesen seien, die ARGE sei Billigstbieter. Im Sinn der Vertrauenstheorie sei aber ohnehin davon auszugehen, daß in Ansehung der angebotenen Einheitspreise eine Vereinbarung in dem Sinn zustandegekommen sei, wie sie im Angebot von der ARGE unterlegt worden sei. Der bei unterschiedlichem Parteiwillen entscheidende, objektive, am Empfängerhorizont zu messende Erklärungswert sei jedenfalls für Baufachleute eindeutig in diesem Sinne anzunehmen. Die Angebote seien hier zunächst Baufachleuten, nämlich dem von der beklagten Partei mit der Ausschreibung betrauten Architekturbüro zugegangen. Die Fachkunde dieses ihres Erfüllungsgehilfen habe sich die beklagte Partei zurechnen zu lassen. Für die Fachfirma habe klar sein müssen, daß unmöglich dieselbe Leistung, die unter Pos. 1a und 2a mit 127,20 S bzw 235,30 S bei 1 km Transportstrecke angeboten worden sei, bei der Verlängerung des Transportweges um 1 km mit 10,60 S angeboten werde. Gerade aus der Übereinstimmung der zu Pos. 1b und 2b genannten Beträge habe für einen Fachmann kein Zweifel bestehen können, daß es sich hiebei nur um einen Differenzbetrag für einen längeren Transport handeln habe können. Es sei daher eine bindende Vereinbarung in diesem Sinne zustandegekommen; der Kläger rechne die Klagsforderung ohnehin so ab, daß jeweils nur nach Pos. 1a und 2a Werklohn verlangt werde. Eine Vertragsergänzung unter Zugrundelegung eines hypothetischen Parteiwillens in dem Sinne, wie sie die Berufung wünsche, könne nicht erfolgen: Zumindest der Parteiwille auf Seiten der ARGE, die ja tatsächlich bestanden habe, lasse sich mit einer Anpassung der Pos. 1a und 2a an das Anbot C. B***** nicht vereinbaren. Werde eine ergänzende Vertragsauslegung unter Zugrundelegung der Übung des redlichen Verkehrs vorgenommen, könne ebensowenig die vertragliche Regelung zwischen der beklagten Partei und der ARGE iS der Anbotspreise der C. B***** zu Pos. 1a und 2a erfolgen, weil auf diese Weise bei der entscheidenden Pos. 2a gerade der für den Standpunkt der beklagten Partei günstigste Teilpreis, der zudem ein offenkundiger Dumping-Preis sei, zum Vertragsinhalt gemacht würde. Dies entspreche nicht der Übung des redlichen Verkehrs. Redlicher Verkehrsübung entspreche nur ein Abstellen auf den durchschnittlichen Marktpreis, wenn schon am Vertrag festgehalten werde, obwohl sich für beide Vertragsteile überraschend herausgestellt haben sollte, daß die ARGE nicht Billigstbieter gewesen sei. Auch bei einer Neubestimmung der Anbotspreise der ARGE im Wege ergänzender Vertragsauslegung ändere sich am Ergebnis nichts.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Aufhebungsbeschluß gerichtete Rekurs der beklagten Partei ist nicht gerechtfertigt.

a) Zutreffend ist die Rechtsauffassung im Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz in Ansehung der Qualifizierung der zur gemeinsamen Herstellung eines Bauprojektes gegründeten Arbeitsgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts iS der §§ 1175 ABGB (SZ 55/117, SZ 53/152, SZ 52/109 ua; Strasser in Rummel2, Rz 27 zu § 1175 ABGB; Gamerith in Rummel2, Rz 6 zu § 890 ABGB; Jabornegg in Schwimann, Rz 3 zu § 1203 ABGB; Krejci,

Das Recht der Arbeitsgemeinschaft der Bauwirtschaft 1). Deren Forderungen sind regelmäßig Gesamthandforderungen, die nur durch alle Gesellschafter gemeinsam geltend gemacht werden können. Dies bedeutet aber nicht, daß ein Gesellschafter nicht allein zur Klage legitimiert sein könnte. Der einzelne Gesellschafter muß nur die Zustimmung (Übereinkunft) aller Mitgläubiger iS des § 890 zweiter Satz ABGB nachweisen (GesRZ 1987, 152 = NZ 1988, 22 mwN; SZ 53/2, SZ 50/151 ua; Strasser in Rummel, Rz 4 und 9 zu § 1203 ABGB; Jabornegg aaO, Rz 4 zu § 1203 ABGB; Gamerith aaO, Rz 3 und 8, alle mwN). Hier bestand die ARGE aus zwei Gesellschaftern, dem Kläger und einem zweiten Unternehmen. Das Berufungsgericht stellte aufgrund Beweiswiederholung ergänzend fest, daß diese zweite Gesellschafterin der klagsweisen Geltendmachung durch den Kläger (allein) ausdrücklich zustimmte. Diese Feststellung ist entgegen dem Rekursvortrag durch das Tatsachenvorbringen des Klägers, "die Firma R***** hat sich jedoch ausdrücklich damit einverstanden erklärt, daß die klagende Partei alleine und im eigenen Namen die auf sie entfallende anteilige Forderung von 94 % der erbrachten Leistungen gegenüber der beklagten Partei geltend macht" (ON 9 AS 21), gedeckt. Damit ist die Aktivlegitimation des Klägers gegeben. Auf die Frage, ob bereits in der Bestimmung im Schlußbrief, die Rechnungsbeträge aus der Tätigkeit der ARGE seien an den Kläger zu überweisen (und nicht an die ARGE), bereits eine Zustimmung des zweiten Gesellschafters der ARGE liegt oder damit nur eine Zahlstelle bestimmt wurde, kommt es dann nicht mehr an.

b) Der damalige Bürgermeister der beklagten Partei hatte weder mit dem Hauptauftrag an die ARGE noch mit dem mündlichen Zusatzauftrag (zur tieferen Ausschürfung der Baugrube aus statischen Notwendigkeiten) den Gemeinderat der beklagten Partei befaßt, weil "für die Arbeit ein bestimmtes Budget vorhanden war und die Arbeiten in diesem Budget leicht Platz hatten".

Nach § 26 Tiroler Gemeindeordnung 1966 idgF (TirGemO) ist der Gemeinderat zur Beschlußfassung und zur Überwachung der Vollziehung in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde berufen, soweit die Beschlußfassung nicht durch Gesetz ausdrücklich einem anderen Organ zugewiesen ist. Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches sind insbesondere die Übernahme privatrechtlicher Verpflichtungen, die nicht zur laufenden Geschäftsführung gehören (SZ 54/111 = JBl 1982, 197 mit Anm von Wilhelm; JBl 1976, 96; 1 Ob 48/82 ua). Dem Bürgermeister obliegt nach § 41 Abs 2 TirGemO nur die verantwortungsvolle Vollziehung der Beschlüsse der Gemeindeorgane. Ein dringender oder ein Notstandsfall iS der §§ 43, 44 leg.cit., in welchen Fällen dem Bürgermeister weitergehende Befugnisse zustehen, liegt unbestritten nicht vor. Der Oberste Gerichtshof erkennt in nunmehr ständiger Rechtsprechung, daß in der Gemeindeordnung enthaltenen Vorschriften über die Vertretung der Gemeinde nicht bloße Organisationsvorschriften über die interne Willensbildung öffentlichrechtlicher Körperschaften darstellen, sondern Einschränkungen der Vertretungsmacht des Bürgermeisters nach außen beinhalten. Ein durch einen erforderlichen Gemeinderatsbeschluß nicht gedeckte Willenserklärung des Bürgermeisters bindet daher mangels der hiefür erforderlichen Vertretungsbefugnis grundsätzlich die Gemeinde nicht (RZ 1989/33 = JBl 1989, 444 mit Anm von Wilhelm; SZ 54/111; 8 Ob 573/90 ua; Apathy in Schwimann, Rz 4 zu § 867 ABGB). Der mündliche Zusatzauftrag war somit ebenso wie der Hauptauftrag - wie erstmals in der Berufung vorgetragen wurde - bis zur Sanierung wegen der fehlenden Zustimmung des Gemeinderats der beklagten Partei schwebend unwirksam (SZ 52/50; Strasser in Rummel2, Rz 15 zu §§ 1016, 1017 ABGB mwN; Apathy aaO, Rz 4 zu § 867 ABGB, Rz 2 zu § 1016 ABGB). Die bloße budgetmäßige Vorsorge beinhaltet keine (schlüssige) Bevollmächtigung des Bürgermeisters zum Vertragsabschluß.

Gemäß § 1016 ABGB ist der Gewaltgeber bei Überschreitung der

Vollmachtsgrenzen des Gewalthabers nur insofern verbunden, als er

das Geschäft - ausdrücklich oder konkludent (vgl dazu JBl 1990,

534 mwN) - genehmigt, oder den aus dem Geschäft entstandenen

Vorteil sich zuwendet (vgl dazu Strasser in Rummel2, Rz 12 ff zu

§§ 1016, 1017 ABGB; Apathy aaO, Rz 4 f zu § 1016 ABGB). Die

zweite Instanz nahm die schlüssige nachträgliche Genehmigung des

vom damaligen Bürgermeister erteilten Zusatzauftrages durch den

Gemeinderat, jedenfalls eine Vorteilszuwendung an. Dieser

Auffassung kann nicht beigetreten werden, weil nicht feststeht,

daß der Gemeinderat der beklagten Partei irgendein als

Genehmigung zu wertendes Verhalten, insbesondere im Sinne einer

Vorteilszuwendung gesetzt hat.

Eine bereicherungsrechtliche Beurteilung (RZ 1989/33 = JBl 1989,

444, gebilligt von Wilhelm in JBl 1989, 445 und Rummel aaO, Rz 13

zu § 867 ABGB) kommt nicht in Betracht, weil der geltend gemachte

Anspruch ausschließlich auf den mit der beklagten Partei

abgeschlossenen Vertrag gegründet wurde.

c) Die ARGE hat bei Angabe der Einheitspreise in ihrem Anbot in

den Pos. 1b und 2b (Ausbruch von Material und dessen Abtransport

über eine Wegstrecke von 2 km) nur die Differenz zum Ausbruch und

Abtransport desselben Materials über eine Wegstrecke von 1 km

(Pos. 1a und 2a) angegeben und nicht den vollen Einheitspreis.

Die beklagte Partei hält an ihrer Rechtsmeinung fest, daß sie dadurch über die Tatsache, die ARGE wäre Billigstbieter, in Irrtum geführt worden sei. Dem steht aber entgegen, daß der fachkundige Gehilfe der beklagten Partei bei Prüfung des Anbots den der klagenden Partei unterlaufenen Irrtum erkannte (ON 33 AS 249 = S 26 der Urteilsausfertigung erster Instanz). Damit befand sich die beklagte Partei über die Bestbietereigenschaft der ARGE in keinem Irrtum, weil sie davon ausgehen mußte, daß für die Positionen 1b und 2b mindestens auch jene Preise auszusetzen sind, wie sie für die Positionen 1a und 2a verrechnet wurden (vgl Gschnitzer in Klang2, IV/1, 132). Im übrigen wurden nach den Feststellungen ohnedies nur Leistungen nach Pos. 2a (und 3) erbracht und verrechnet.

d) Letztlich macht der Rekurs noch geltend, die beklagte Partei habe die erstgerichtliche Feststellung, daß die ARGE 19.600,60 m3 schweren Fels der Bodenklasse 7 abgetragen habe, in der Berufung bekämpft, weil sich dieses Ausmaß weder aus dem Gutachten des vom Erstgericht bestellten Sachverständigen Dipl.Ing. Bernhard W***** noch aus sonstigen Beweisergebnissen ableiten lasse. Das Berufungsgericht habe zwar zugegeben, daß die bekämpfte Feststellung mit einer Einschätzung der Sachverständigen Dipl.Ing. Gerhard N***** und Dr. Peter N***** - die im Auftrag der beklagten Partei Privatgutachten erstatteten - gewiß nicht in Einklang zu bringen sei, und auch vom Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing. Bernhard W***** abweiche, aber dennoch diese Feststellung im Ergebnis gebilligt. Daher hätten die Vorinstanzen in Wahrheit die der ARGE gebührende Forderung für den Felsabtrag nach § 273 Abs 1 ZPO festgesetzt; dies sei zwar zulässig, könne aber im Rahmen der rechtlichen Überprüfung vom Obersten Gerichtshof überprüft werden.

Die zweite Instanz hat sich mit der Beweisrüge der beklagten Partei über die Menge des abgetragenen Materials und den Anteil von Material Bodenklasse 7 (Sprengfels) daran eingehend auseinandergesetzt (ON 38 AS 304 bis 309 = S 20 bis 25 der Berufungsentscheidung) und letztlich die bekämpfte Konstatierung gebilligt (ON 38 AS 309). Tatsächlich liegt somit eine in dritter Instanz unüberprüfbare Tatsachenfeststellung vor. Selbst wenn man aber von einem Anwendungsfall des § 273 Abs 1 ZPO ausgehen wollte, fällt zwar die Frage, ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist, in den Bereich der rechtlichen Beurteilung (MietSlg 40.781; EFSlg 55.860 ua). Es wird aber vom Rechtsmittel nicht dargestellt, inwieweit die rechtlichen Grundsätze des § 273 Abs 1 ZPO durch die zweite Instanz verletzt worden wären.

Daß von einer Formvorschrift in der Ausschreibung (Erfordernis eines schriftlichen Auftrages bei Zusatzarbeiten) einvernehmlich abgegangen werden kann, wird im Rekurs nicht mehr in Frage gestellt. Dem Rekurs ist demnach nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E27331

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00669.9.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19910918_OGH0002_0010OB00669_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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