TE OGH 1991/9/18 1Ob576/91

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Veröffentlicht am 18.09.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1. Klaus W*****, und 2. Alfred W*****, beide vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in Köflach, wegen S 472.341,95 s.A. infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 24. April 1991, GZ 2 R 83/91-12a, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 25. Februar 1991, GZ 21 Cg 76/91-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wird, soweit er die erstbeklagte Partei betrifft, dahin abgeändert, daß der Rekurs der klagenden Partei gegen den erstinstanzlichen Beschluß in diesem Umfang zurückgewiesen wird; in Ansehung der zweitbeklagten Partei wird dem Revisionsrekurs hingegen nicht Folge gegeben. Die auf die erstbeklagte Partei entfallenden Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten; die zweitbeklagte Partei hat dagegen die auf sie entfallenden Revisionsrekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte zuletzt die Verurteilung beider Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 472.341,95 s.A. Sie brachte vor, sie habe dem Erstbeklagten Reifen verkauft; der Klagsbetrag sei der noch offene Kaufpreisrest. Der Zweitbeklagte sei dieser Kaufpreisschuld als Mitschuldner beigetreten. Lediglich der Zweitbeklagte erstattete die mit schriftlichem Beschluß aufgetragene Klagebeantwortung. Das Erstgericht beraumte darauf die Verhandlungstagsatzung für den 30. 11. 1990 an und verständigte hievon den Klage- und den Beklagtenvertreter. Mit Schriftsatz vom 23. 11. 1990 zeigte der Beklagtenvertreter dem Erstgericht an, er habe die ihm erteilte Vollmacht gekündigt. Bei der Verhandlungstagsatzung vom 30. 11. 1990 erschien bloß der Klagevertreter, der nach einer Klagseinschränkung die Erlassung eines Versäumungsurteiles beantragte.

Das Erstgericht erließ das begehrte Versäumungsurteil gegen beide Beklagte, stellte dessen Ausfertigung jedoch nur dem Beklagtenvertreter zu, obgleich dieser sich bis dahin bloß auf die Bevollmächtigung durch den Zweitbeklagten berufen hatte. Gegen das dem Beklagtenvertreter am 4. 12. 1990 zugestellte Urteil erhoben beide Beklagte durch den Beklagtenvertreter am 18. 12. 1990 Widerspruch, worauf das Erstgericht die Verhandlungstagsatzung für den 15. 2. 1991 anordnete und das "Versäumungsurteil" zufolge des Widerspruchs der beiden Beklagten zu Beginn dieser Tagsatzung aufhob. Auf Antrag des Klägers wurde dieser Beschluß vom Erstgericht ausgefertigt, mit 25. 2. 1991 datiert und dem Klagevertreter am 28. 2. 1991 zugestellt.

Infolge Rekurses des Klägers hob das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluß "in dessen Abänderung" auf, wies den Widerspruch beider Beklagten gegen das Versäumungsurteil zurück, erklärte das erstinstanzliche Verfahren von der Verhandlungstagsatzung vom 15. 2. 1991 an für nichtig und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, wohl müsse der Beschluß, mit dem das Versäumungsurteil infolge Widerspruchs aufgehoben wird, nicht ausgefertigt werden und es sei auch ein Rechtsmittel gegen einen solchen Beschluß unzulässig, doch gelte dies nur für Beschlüsse im Sinne des § 397 a Abs 3 ZPO, nicht aber auch für Beschlüsse, mit denen Urteile infolge eines solchen Widerspruchs in gesetzwidriger Weise aufgehoben werden. In solchen Fällen müsse dem Widerspruchsgegner das Rechtsmittelrecht zugestanden werden. Die Verfahrenslage ähnle dann der entgegen § 261 Abs 6 ZPO vorgenommenen Klagsüberweisung, die trotz grundsätzlichen Rechtsmittelausschlusses dann doch mit Rekurs bekämpft werden könne. Der Widerspruch könne gemäß den §§ 397 a und 398 ZPO nur gegen die auf § 396 bzw § 398 ZPO gestützten Versäumungsurteile erhoben werden; gegen das nach Erstattung der Klagebeantwortung gemäß § 399 ZPO ergangene Urteil könne hingegen nicht wirksam Widerspruch mit der Rechtsfolge, daß das Versäumungsurteil zu Beginn der nächsten Verhandlungstagsatzung aufzuheben sei, ergriffen werden. Das Erstgericht hätte bei der Verhandlungstagsatzung vom 30. 11. 1990 nur ein Urteil gemäß § 399 ZPO fällen dürfen; daß es gesetzwidrigerweise ein nach § 396 ZPO gegründetes Versäumungsurteil erlassen habe, eröffne den Beklagten dessenungeachtet nicht die Möglichkeit zum Widerspruch; diese hätten vielmehr Berufung gegen das Urteil erheben müssen. Da das Urteil demnach in Rechtskraft erwachsen sei, sei das vom Erstgericht danach fortgesetzte Verfahren nichtig.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von den Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist nur soweit berechtigt, als der Erstbeklagte von der Zurückweisung des Widerspruchs betroffen ist.

Die Vorinstanzen übersahen ebenso wie die Parteien, daß nur der Zweitbeklagte die mit schriftlichem Beschluß aufgetragene Klagebeantwortung erstattet hatte: Der Beklagtenvertreter hatte sich in diesem Schriftsatz nur auf die Bevollmächtigung durch den Zweitbeklagten berufen; überdies findet sich auch unter dem Vorbringen in der Klagebeantwortung bloß dessen Name. Da die Beklagten dem Klagsvorbringen zufolge aufgrund des darin behaupteten Schuldbeitritts des Zweitbeklagten lediglich als Solidarschuldner gemeinsam in Anspruch genommen wurden, besteht zwischen ihnen keine unzertrennliche Streitgenossenschaft gemäß § 14 ZPO (SpR 214 uva; Fasching, LB2 Rz 374), bei deren Vorhandensein nach § 402 Abs 2 ZPO trotz der Säumnis einzelner Streitgenossen auch gegen diese kein Urteil gemäß den §§ 396, 398 und 399 ZPO gefällt werden dürfe. Demnach kann die Säumnis der beiden Beklagten auch im vorliegenden Fall unterschiedliche Rechtsfolgen zeitigen. Da der Erstbeklagte keine Klagebeantwortung erstattet hat, ist das vom Erstgericht bei der Verhandlungstagsatzung vom 30. 11. 1990 auf Antrag der Klägerin erlassene Urteil, soweit es sich gegen ihn richtet, als Versäumungsurteil gemäß § 398 ZPO anzusehen, auf das § 397 a ZPO sinngemäß anzuwenden ist, weil keine erste Tagsatzung anberaumt war (RZ 1984/38; Fasching aaO Rz 589). Damit war der Erstbeklagte berechtigt, gegen das ihm bis dahin in Wahrheit gar nicht wirksam zugestellte Versäumungsurteil Widerspruch zu erheben, so daß es das Erstgericht auch, soweit es gegen ihn erlassen wurde, zu Beginn der Verhandlungstagsatzung vom 15. 2. 1991 zu Recht infolge dessen Widerspruches aufgehoben hat; in diesem Umfang war gegen den erstinstanzlichen Beschluß ein Rechtsmittel gemäß § 397 a Abs 3 ZPO aE nicht zulässig. Soweit das Gericht zweiter Instanz über den Rekurs auch soweit, als er sich gegen den Erstbeklagten wendete, in der Sache entschieden hat, setzte es sich damit über dessen schon mit der Verkündung eingetretene Rechtskraft hinweg, so daß dem Revisionsrekurs, soweit er vom Erstbeklagten erhoben wurde, Folge zu geben ist. Anders liegen die Dinge allerdings beim Zweitbeklagten. Wird das Urteil infolge eines nach den §§ 397 a bzw 398 ZPO unzulässigen Widerspruchs aufgehoben, ist dieser Beschluß schon deshalb anfechtbar, weil sich der in § 397 a Abs 3 letzter Satz ZPO angeordnete Rechtsmittelausschluß nur auf solche Beschlüsse erstreckt, denen ein danach zulässiger Widerspruch zugrunde liegt. Fehlt es indessen an einer gesetzlichen Regelung über die Anfechtbarkeit, kann der Beschluß stets selbständig bekämpft werden (§ 514 Abs 1 ZPO; Fasching aaO Rz 1972); andernfalls könnte sich der Kläger gegen einen unzulässigen Widerspruch selbst nicht zur Wehr setzen. Demgemäß hat der erkennende Senat bereits in RZ 1981/51 ausgesprochen, daß dem Widerspruchsgegner mangels abweichender gesetzlicher Regelung das Recht zugebilligt werden müsse, die Entscheidung, mit der die Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfs bejaht wird, zu bekämpfen; dem Gesetzgeber, der den Widerspruch gegen das Versäumungsurteil nicht als umfassenden Rechtsbehelf ausgestaltet habe, könne nicht unterstellt werden, er habe dem Widerspruchsgegner die Möglichkeit abschneiden wollen, der Unzulässigkeit dieses Rechtsbehelfs bei Anwendung in anderen als den in den §§ 397 a und 398 ZPO genannten Fällen entgegenzutreten. Wenngleich dort der Beschluß, mit dem das Erstgericht den Antrag des Widerspruchsgegners auf Zurückweisung des Widerspruchs abgewiesen hatte, Gegenstand der Anfechtung war, kann die Frage der Anfechtbarkeit nicht anders gelöst werden, wenn sich der Widerspruchsgegner darauf beschränkt, den einem unzulässigen Widerspruch stattgebenden Beschluß des Erstgerichtes, mit dem das "Versäumungsurteil" aufgehoben wird, zu bekämpfen.

War der Rekurs der Klägerin an die zweite Instanz, soweit er sich gegen den Zweitbeklagten wandte, zulässig, war er auch nicht verspätet erhoben, weil ihr dann eben ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluß zustand, ihr das Erstgericht eine Beschlußausfertigung zustellen mußte und die Rekursfrist daher ungeachtet der Verkündung des Beschlusses erst mit dessen Zustellung zu laufen begann (§ 426 Abs 1 und 3 ZPO; Fasching aaO Rz 1593 f).

Zutreffend hat das Gericht zweiter Instanz das bei der Verhandlungstagsatzung vom 30. 11. 1990 erlassene "Versäumungsurteil", soweit es gegen den Zweitbeklagten gerichtet war, als Urteil gemäß § 399 ZPO beurteilt, weil nach (rechtzeitiger) Erstattung der Klagebeantwortung "echte" Versäumungsurteile (also gemäß den §§ 396 oder 398 ZPO) nicht mehr möglich sind (vgl Fasching aaO Rz 589). Der Zweitbeklagte hätte gegen das Urteil daher keinen Widerspruch erheben dürfen, sondern es mit Berufung bekämpfen müssen. Der Widerspruch kann auch nicht als Berufung umgedeutet werden, weil die Beklagten damit ganz eindeutig nur die Säumnisfolgen beseitigen wollten, ohne jedoch das Vorliegen der dem Urteil zugrundegelegten Säumnis zu bestreiten.

Dem Revisionsrekurs ist deshalb nur soweit Folge zu geben, als er vom Erstbeklagten ergriffen wurde.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO (soweit das Rechtsmittel vom Erstbeklagten erhoben wurde) und auf den §§ 40 und 50 ZPO (soweit es der Zweitbeklagte ergriffen hat).

Anmerkung

E27314

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00576.91.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19910918_OGH0002_0010OB00576_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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