TE OGH 1991/10/18 8Ob604/91

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Veröffentlicht am 18.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes

Hon-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** AG, ***** vertreten durch Dr. Günther Steiner, Dr. Hanspeter Herle und Dr. Anton Krautschneider, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ilse W*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen S 56.540,90 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16. April 1991, GZ 1 R 91/91-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 11. Jänner 1991, GZ 3 Cg 178/90-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit S 4.077,- (einschließlich S 679,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war Gesellschafterin der H***** ***** Gesellschaft mbH; auf die von ihr übernommene Stammeinlage von 495.000 S hatte sie 247.500 S bar eingezahlt. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 14.5.1990, AZ E 3619/90, wurde der Klägerin zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 47.875,40 samt 12 % Zinsen seit 28.6.1989, 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen zuzüglich 5 % Zinseszinsen seit 3.2.1990 sowie Kosten von insgesamt S 8.655,50 die Exekution durch Pfändung und Überweisung der der verpflichteten Partei H***** Gesellschaft mbH gegen die Beklagte zustehenden Forderung auf Einzahlung der ausstehenden Stammeinlage bewilligt. Die Exekutionsbewilligung wurde der verpflichteten Partei am 18.5.1990 und der Beklagten am 22.5.1990 zugestellt.

Mit Notariatsakt vom 11.6.1990 trat die Beklagte ihren Geschäftsanteil an der H***** Gesellschaft mbH um den Abtretungspreis von S 247.500 an Karl B***** ab.

Mit Schreiben vom 11.6.1990 forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf die Pfändung der nicht voll eingezahlten Stammeinlage auf, den Betrag von S 63.779,65 bis 28.6.1990 zu überweisen. Dieses Schreiben langte bei der Beklagten erst nach dem 11.6.1990 ein. In der am 6.8.1990 beim Exekutionsgericht eingelangten Drittschuldneräußerung bestritt die Beklagte eine Zahlungsbereitschaft mit der Begründung, nicht mehr Gesellschafterin der Verpflichteten zu sein.

Mit der vorliegenden Drittschuldnerklage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von S 56.540,90 s.A. Sie führte aus, die Veräußerung des Geschäftsanteiles durch die Beklagte nach Pfändung und Überweisung der Forderung auf Bezahlung der Stammeinlage habe auf die Zahlungsverpflichtung keinen Einfluß.

Die Beklagte wendete ein, die Forderung auf Bezahlung der restlichen Stammeinlage sei bis zur Abtretung des Geschäftsanteiles weder von der Gesellschaft noch von der Klägerin fälliggestellt worden. Die Bewilligung der Pfändung der Forderung habe die freie Verfügung über den Geschäftsanteil nicht verhindert. Nach Abtretung des Geschäftsanteiles sei der Gesellschaft und daher auch der Klägerin als Überweisungsgläubigerin keine Forderung mehr gegen sie zugestanden. Als ausgeschiedene Gesellschafterin sei ihre Haftung auf für die Zeit bis zur Anmeldung fällige Leistungen beschränkt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt vertrat es die Rechtsansicht, die Forderung auf Einzahlung der restlichen Stammeinlage sei erst nach Abtretung des Geschäftsanteils mit Zustellung der Klage fälliggestellt worden. Zum Zeitpunkte der Anteilsübertragung sei eine rückständige und fällige Leistung der Beklagten, für die gemäß § 78 Abs.2 GmbHG eine solidarische Haftung mit dem Rechtsnachfolger bestehe, nicht vorgelegen. Zur Erbringung der im Gesellschaftsvertrag festgelegten Leistung sei lediglich der Erwerber des Geschäftsanteiles verpflichtet. Das vom Exekutionsgericht ausgesprochene Verfügungsverbot richte sich gegen den Drittschuldner und habe die Beklagte nicht in ihrer Verfügungsbefugnis über den Geschäftsanteil beschränkt.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht hat diese Entscheidung abgeändert und dem Klagebegehren stattgegeben. Es äußerte die Rechtsansicht, die Abtretung des Geschäftsanteiles bewirke den Übergang der Mitgliedschaft mit allen Rechten und Pflichten. Gemäß § 78 Abs.2 GmbHG hafte der Veräußerer neben dem Erwerber des Geschäftsanteiles für die zur Zeit der Anmeldung rückständigen Leistungen zur ungeteilten Hand. Rückständig seien nur fällige Leistungen. Unter der Anmeldung sei eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft zu verstehen. Im vorliegenden Fall sei die Anmeldung jedenfalls vor Einforderung und Fälligstellung der restlichen Stammeinlage durch die Klägerin erfolgt, auch die Verpflichtete habe gegenüber der Beklagten diese Forderung nicht fälliggestellt. Da somit zur Zeit der Anmeldung die Forderung auf Einzahlung der restlichen Stammeinlage noch nicht als rückständig im Sinne des § 78 Abs.2 GmbHG anzusehen war, bestehe keine Solidarhaftung der Beklagten gemäß § 78 Abs.2 GmbHG.

Der Pfändungsbeschluß der Exekutionsbewilligung enthalte aber ein an den Drittschuldner gerichtetes Zahlungsverbot und das an den Verpflichteten gerichtete Verbot, über die gepfändete Forderung zu verfügen. Durch die Überweisung zur Einziehung werde der betreibende Gläubiger berechtigt, die Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten zur Zeit der vollzogenen Pfändung zustand, und vom Drittschuldner Zahlung zu verlangen, notfalls ihn zu klagen. Der Drittschuldner könne dem betreibenden Gläubiger grundsätzlich Einwendungen nur so weit entgegensetzen, als sie ihm gegenüber dem Verpflichteten vor der Pfändung zustanden. Der Drittschuldner könne sich aber nicht auf Einwendungstatsachen berufen, deren Herbeiführung dem Zahlungsverbot widersprach. Aufgrund des Zahlungsverbotes dürfe der Drittschuldner nach Zustellung des Verbots weder dem Verpflichteten leisten noch Verfügungen über die Forderung treffen, durch die in die Rechte des betreibenden Gläubigers eingegriffen werde. Im vorliegenden Fall komme die Abtretung des Geschäftsanteils durch die Beklagte nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einer unzulässigen Verfügung über die gepfändete Forderung gleich. Dies bedeute zwar nicht, daß die Beklagte in ihrer Verfügungsfähigkeit beschränkt gewesen sei, es sei ihr aber verwehrt, sich durch die Abtretung der Zahlungspflicht zu entziehen und dadurch das bereits erworbene Recht der Klägerin auf Einziehung der Forderung auf Zahlung der restlichen Stammeinlage zu vereiteln.

Die ordentliche Revision wurde mit der Begründung für zulässig erklärt, daß zur Frage, wie weit das an den Drittschuldner gerichtete Zahlungsverbot bei der Abtretung eines Geschäftsanteiles an einer GmbH wirke, eine Rechtsprechung nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, daß der betreibende Gläubiger gemäß § 308 Abs.1 EO durch die Überweisung der Forderung zur Einziehung berechtigt werde, die Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zustehe. Der Klägerin stehe daher nur das Recht zu, anstelle der H***** Gesellschaft mbH wie diese die Forderung auf Einzahlung der Stammeinlage geltend zu machen. Gemäß Punkt 4 des Gesellschaftsvertrages seien die restlichen auf die Stammeinlage noch zu entrichtenden Bareinzahlungen von den Gesellschaftern oder deren Rechtsnachfolgern zu den jeweils von der Generalversammlung festzusetzenden Einzahlungsterminen einzuzahlen. Vor Fassung eines derartigen Gesellschafterbeschlusses könne mangels Fälligkeit Zahlung der restlichen Stammeinlage nicht begehrt werden. Werde der Geschäftsanteil vor Fälligstellung der Forderung auf Zahlung der restlichen Stammeinlage veräußert, so hafte der Veräußerer nicht mehr primär und solidarisch mit dem Erwerber. Die Gesellschaft könne unter diesen Umständen - abgesehen von den Ansprüchen aus einem Kaduzierungsverfahren - gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter keine Ansprüche auf Zahlung der offenen Stammeinlage stellen. Die gleiche Rechtslage gelte aber auch für den Überweisungsgläubiger.

Daran könne auch die Pfändung der Forderung auf Zahlung der restlichen Stammeinlage nichts ändern. Gemäß § 294 Abs.1 EO erfolge die Pfändung von Geldforderungen durch Erlassung des Verbotes an den Drittschuldner, dem Verpflichteten Zahlung zu leisten und durch Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner. Nach Zustellung des Verbotes dürfe der Drittschuldner weder zahlen noch in die Rechte des betreibenden Gläubigers eingreifende Verfügungen bezüglich der Forderung befolgen. Gegen dieses Verbot sei durch die Beklagte nicht verstoßen worden, sie habe weder bezahlt noch sonst über die Forderung verfügt. Sie habe lediglich den in ihrem Eigentum stehenden Geschäftsanteil veräußert, dies sei ihr aber nicht verboten worden. Die Veräußerung des Geschäftsanteiles vor Fälligkeit der Forderung verstoße nicht gegen das Zahlungsverbot. So wie die Gesellschaft das Risiko trage, daß ein Gesellschafter vor Fälligstellung der restlichen Stammeinlagenforderung aus der Gesellschaft ausscheide und daher mit dem Erwerber nicht mehr primär bzw. solidarisch hafte, trage der Überweisungsgläubiger, der die Forderung anstelle der Gesellschaft geltend mache, das Risiko, daß vor Fälligkeit der Forderung ein Gesellschafter den Geschäftsanteil veräußere und daher als Haftender nicht mehr zur Verfügung stehe.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 294 Abs.1 EO erfolgt die Exekution auf Geldforderungen des Verpflichteten "mittels Pfändung derselben". Die Pfändung geschieht dadurch, daß das Gericht, das die Exekution bewilligt, dem Drittschuldner verbietet, an den Verpflichteten zu bezahlen. Zugleich ist dem Verpflichteten selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner ist die Pfändung der Forderung "als bewirkt anzusehen" (§ 294 Abs 3 EO). Der Drittschuldner kann sich ab nun nicht auf Ereignisse berufen, deren Herbeiführung dem Zahlungsverbot widerspricht, wie Leistung an den Verpflichteten (Heller-Berger-Stix, 2231). Es ist ihm verwehrt, dem Überweisungsgläubiger gegenüber einzuwenden, er hätte nach Zustellung des Zahlungsverbotes eine Befriedigung des Verpflichteten bewirkt.

Die für den Gesetzgeber der EO (aus 1896) - die sich diesbezüglich eng an die entsprechenden Vorschriften der dZPO (§ 829) hält, welche damals (1877) noch nicht die (erst 1892 eingeführte) GmbH vorfand - , vor dem GmbHG 1906 einzig denkbare Form des Verfügungsverbots gegen den Drittschuldner war das Zahlungsverbot. In Wahrheit ist aber über den engen Wortlaut des § 294 Abs 1 Satz 2 EO hinaus dem Drittschuldner jede dem Pfandgläubiger nachteilige Verfügung untersagt. Die Absicht des Gesetzgebers, dem Gläubiger das gepfändete Gut in dem Zustand zu erhalten, wie es sich zum Zeitpunkt der Pfändung befindet, findet auch im Tatbestand des Verstrickungsbruches nach § 271 StGB eine klare Bestätigung. Sie ist bei einer Forderung wie hier aber nur dann zu verwirklichen, wenn auch dem Drittschuldner jede dem Pfandgläubiger nachteilige Verfügung verboten wird. Das Forderungspfandrecht belastet demnach den Drittschuldner auch derart, daß er dem betreibenden Gläubiger das Pfändungsobjekt nicht wirksam entziehen darf. Alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, durch die er gegen dieses Verbot verstößt, sind dem Pfandgläubiger gegenüber unwirksam. Die hier beklagte Drittschuldnerin konnte daher zwar den Geschäftsanteil übertragen, sich aber dadurch nicht von ihrer Pfandschuld befreien.

Durch diese Haftung wird der Drittschuldner in seiner Möglichkeit, über den Geschäftsanteil zu verfügen, keinesfalls unbillig beschwert, weil die ihn als Pfandschuldner treffende Belastung im Abtretungspreis Berücksichtigung finden kann. Anderseits wird durch die Haftung des Drittschuldners verhindert, daß sich dieser nach der Pfändung dem Zugriff des Gläubigers entziehen kann und für den Gläubiger die Gefahr besteht, mit der Eintreibung der Forderung auf Zahlung der restlichen Stammeinlage zu spät zu kommen.

Auf den in § 35 Abs 1 Z 2 GmbHG (entsprechend § 46 Nr 2 dGmbHG) geforderten Einforderungsbeschluß der Generalversammlung, den diesfalls auch die Satzung der GmbH unter IV, letzter Absatz vorsieht, kommt es zur Fälligstellung der noch offenen Stammeinlage nicht an; sie kann auch durch den Überweisungsgläubiger selbst bewirkt werden (vgl. Reich-Rohrwig in ecolex 1991,248 ff, bes. 249 rSp und 250 oben in Übereinstimmung mit Ulmer in Hachenburg 7. und 8.Aufl. GmbHG, Anm 17 bzw. Anm 7 und 24 zu § 19, sowie Hueck in Baumbach/Hueck, GmbHG15 Anm 33 iVm Anm 32 zu § 19 dGmbHG); dies ist hier auch geschehen.

Die Beklagte ist demnach verpflichtet, die von der betreibenden Gläubigerin fällig gestellte restliche Zahlung auf die Stammeinlage ungeachtet der zwischenzeitigen Abtretung ihres Geschäftsanteiles zu leisten; ihrer Revision muß ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E27570

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00604.91.1018.000

Dokumentnummer

JJT_19911018_OGH0002_0080OB00604_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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