TE OGH 1991/10/23 9ObA206/91

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Veröffentlicht am 23.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Ing. Robert Eheim in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** B*****, Pensionist, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei A***** Ges.m.b.H, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung (Streitwert S 268.524,--), in eventu Leistung von S 359.121,09 sA, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Juli 1991, GZ 8 Ra 51/91-26, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. Jänner 1991, GZ 35 Cga 91/90-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 11.565,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.927,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht ist - mit den noch zu erwähnenden, für das Ergebnis jedoch nicht relevanten Ausnahmen - zutreffend; insoweit reicht es aus, darauf zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers folgendes zu entgegnen:

Der Kläger hat das Hauptbegehren nur darauf gestützt, daß ihm die Beklagte für die Zeit nach Ablauf des Bezuges der Sonderunterstützung vertraglich einen Pensionsanspruch zugesichert habe; daß sich sein Pensionsanspruch aus einer allfälligen Betriebsvereinbarung infolge seines Übertritts in den Ruhestand in einen vertraglichen Anspruch verwandelt habe; daß die Beklagte vom Widerrufsrecht wegen der wirtschaftlichen Verbesserung der Lage des Unternehmens nicht hätte Gebrauch machen dürfen; und schließlich, daß der Kläger bei der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses von der Beklagten darüber getäuscht worden sei, daß er dadurch nicht schlechtergestellt werde.

Eine Vertragspension wurde jedoch nicht zugesagt. Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 3. Jänner 1984 mitgeteilt, daß er bei Eintritt des Versicherungsfalles der Alterspension einen "freiwilligen, jederzeit widerruflichen Pensionszuschuß nach den einschlägigen Richtlinien" erhalten werde. Sie hat damit nur auf die Pensionsrichtlinien verwiesen, die mit Betriebsvereinbarung vom 15. September 1978 zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und dem Angestellten- und Arbeiterbetriebsrat der Beklagten vereinbart worden waren, in denen ebenfalls festgelegt war, daß der Pensionszuschuß "freiwillig, gegen jederzeitigen Widerruf" zuerkannt wird und auch aus der wiederholten Auszahlung des Pensionszuschusses kein Rechtsanspruch erwächst.

Daß diese Betriebsvereinbarung (durch bloßes Auflegen im Personalbüro ohne sonstige Hinweise auf die Einsichtsmöglichkeit) nicht gehörig im Sinne des § 30 Abs 1 ArbVG kundgemacht wurde, schließt nicht aus, daß sie Grundlage für die Ergänzung der einzelnen Arbeitsverträge der betroffenen Arbeitnehmer werden konnte, wenn nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch die Gesamtheit der Arbeitnehmer durch ihr Verhalten eindeutig zu erkennen gab, daß sie sich an die Bestimmung dieser unwirksamen Betriebsvereinbarung halten wollen (DRdA 1988/5, 124 [Strasser] mwN). Damit wurde aber auch die jederzeitige Widerruflichkeit des Pensionszuschusses im Sinne der vereinbarten Richtlinien Inhalt jeden einzelnen Arbeitsvertrages. Dazu hat sich der Kläger zwar auf die Entscheidung 9 Ob A 9/87 (= JBl 1988, 333) berufen, wonach eine vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern regelmäßig gewährte Leistung, mit welcher die Arbeitnehmer rechnen konnten, den Charakter der Freiwilligkeit verliert und einen Anspruch auf Zuwendung begründet, wenn sie mangels ausdrücklicher Betonung des freiwilligen, unverbindlichen und jederzeit widerruflichen Charakters der Leistung den Willen des Arbeitgebers, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten unzweideutig zum Ausdruck bringe und durch die gleichfalls schlüssige Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge werde (Arb 9.786, 9.812 = ZAS 1980/21 = DRdA 1981/3; ZAS 1987/2; Arb 10.493 ua). Auch wenn sich der Kläger mit diesem Hinweis auf diese Entscheidung auf den Rechtsgrund der Betriebsführung berufen hat, hat er dazu keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich ergibt, daß die Beklagte die Pensionszuschüsse in der Vergangenheit an eine Vielzahl von Arbeitnehmern ausgezahlt hätte, ohne, wie auch im Schreiben an den Kläger vom 3. Jänner 1984, auf die Freiwilligkeit und jederzeitige Widerruflichkeit des Pensionszuschusses nach den einschlägigen Richtlinien hinzuweisen. Der Hinweis des Klägers auf das an einen anderen Arbeitnehmer gerichtete Schreiben Beilage J vom 14. Juni 1985 ist schon deshalb verfehlt, weil es dort um die Gewährung eines Sonderunterstützungszuschusses ging und die Beklagte außerdem mehrmals auf die Freiwilligkeit dieses Zuschusses hingewiesen hat. Das gegenteilige Vorbringen ist aktenwidrig.

Die Ausführungen des Revisionswerbers, daß die Pensionszusage aus Rundschreiben der Beklagten hervorgegangen sei, in welchen wohl Richtlinien über die Anspruchsvoraussetzungen bekanntgegeben wurden, aber nachweislich niemals auf die Freiwilligkeit und jederzeitige Widerruflichkeit hingewiesen wurde, widerspricht ebenfalls der Aktenlage, weil es sich bei den erwähnten Schreiben um Mitteilungen des Betriebsrates in den Betriebsratszeitungen gehandelt hat. Diese Erklärungen des Betriebsrates sind dem Arbeitgeber ebensowenig zuzurechnen wie "ungefähre" Berechnungen der zu erwartenden Pensionszuschüsse, die einzelne Betriebsratsmitglieder auf Ersuchen von Arbeitnehmern angestellt haben. Berechnungen der Höhe von Pensionszuschüssen sagen im übrigen über den Charakter der Widerruflichkeit des Anspruches als solchen nichts aus. Von der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes durch die beklagte Arbeitgeberin kann somit keine Rede sein.

War aber der Pensionsanspruch des Klägers seit jeher widerruflich, so trat auch durch spätere, nach seinem Übertritt in den Ruhestand abgeschlossene Betriebsvereinbarungen, die ordnungsgemäß kundgemacht wurden und in denen wiederum festgehalten wurde, daß die Pensionsleistungen freiwillig und jederzeit widerruflich zuerkannt werden, keine Änderung seiner Rechtsstellung ein. Die Frage, inwieweit Betriebsvereinbarungen gegenüber ehemaligen Arbeitnehmern normative Wirkungen besitzen (JBl 1989, 183 = ZAS 1989, 94 (Tomandl) = DRdA 1990, 111 (Grillberger); siehe dazu Marhold, Zur Regelungsbefugnis der Betriebspartner ZAS 1991, 95 ff; siehe auch die neue Fassung des § 97 Abs 1 Z 18 ArbVG) kann daher diesmal auf sich beruhen.

Eine Täuschung des Klägers durch seine Arbeitgeberin bei der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde nicht festgestellt.

Die Ausführungen des Revisionswerbers, das Unternehmen erziele schon seit 1986 beachtliche Gewinne, so daß die Beklagte von ihrem Widerrufsrecht mißbräuchlich Gebrauch mache, sind aktenwidrig. Der Verlust der Beklagten aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit betrug im Jahre 1986 immer noch - wie in den Jahren 1983 bis 1985 - ca 100 Mio. S; auch im Jahr 1987 betrugen die Verluste ca 67 Mio. S. Erst im Jahr 1988 konnte ein ausgeglichenes leicht positives Ergebnis erzielt werden; im Jahr 1990 gestaltete sich aber die Lage des Unternehmens durch Lieferausfälle und Zahlungsschwierigkeiten im Ostgeschäft neuerlich schwierig. Abgesehen davon, daß die Beklagte im vorliegenden Fall - anders als in der Entscheidung JBl 1989, 193 - das Widerrufsrecht nicht an eine nachhaltige Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens gebunden, sondern ihrem freien Ermessen vorbehalten hat, kann bei der festgestellten Wirtschaftslage von einem allfälligen Mißbrauch des Widerrufsrechtes keine Rede sein.

Auch das Eventualbegehren ist nicht berechtigt.

Aus der Vereinbarung zwischen der Muttergesellschaft der Beklagten (ÖIAG-Konzern) und deren Pensionisten vom 10. Oktober 1989 (diese Vereinbarung dürfte sich allerdings laut Beilage Y auf alle Tochterfirmen und nicht nur auf die in der Präambel genannten erstrecken) kann der Kläger schon deshalb keine Rechte ableiten, weil mit dieser (Rahmen-)vereinbarung nur Abfindungsangebote vereinbart wurden, der Kläger aber bisher das Angebot der Beklagten auf Abfindung seiner Pensionsansprüche nicht angenommen und die ihm übermittelte Verzichtserklärung, die bezüglich der Höhe des Abfindungsanspruches durchaus einer Korrektur zugänglich war, nicht unterfertigt hat. Eine Anweisung durch die Muttergesellschaft im Sinne des § 1400 zweiter Satz ABGB liegt nicht vor.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E27615

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00206.91.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19911023_OGH0002_009OBA00206_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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