TE OGH 1991/10/23 2Ob560/91

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Veröffentlicht am 23.10.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Zehetner, Dr. Schalich und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Versicherung Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Peter Zumtobel und Dr. Harald Kornberger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei ÖSTERREICHISCHE BUNDESBAHNEN, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen S 1,332.098,-- s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. April 1991, GZ 1 R 58/91-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 6. Dezember 1990, GZ 18 Cg 68/89-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Versicherer der P***** & T***** Export von Bahnbaumaschinen Gesellschaft m.b.H. Im Auftrag des zuletzt genannten Unternehmens beauftragte die Spedition P***** Gesellschaft m.b.H. die Beklagte mit der Durchführung eines Bahntransportes auf eigener Achse einer kompletten Gleisstopfmaschine Duomatik 09-32 CSM Nr.2398 nebst Zubehör von Linz nach Irun in Spanien zur V***** y C***** S.A., Madrid. Sie stellte darüber die Frachtbriefe Nr.6324 und 6321 aus, welche mit Tagesstempel des Versandbahnhofes am 8.7.1988 von der Beklagten angenommen wurden. Als Absender weisen die Frachtbriefe die P***** Gesellschaft m.b.H., als Empfänger die spanische V***** y C***** S.A. Madrid aus. Unter der Rubrik "Vermerke für den Empfänger" war angeführt "i.A. Fa. P***** & T***** GmbH". Die Bezeichnung der Bahnwege lautete "via Buchs-Geneve,Hendaye-Irun", welch letzterer Ort als Bestimmungsbahnhof und Ablieferungsstelle benannt war. Die Beförderung sollte franko Fracht, bahnamtl. Nebenspesen bis Irun erfolgen.

Am 18.7.1988 wurde die gegenständliche Maschine bei Rangiermanövern im Bahnhof Irun erheblich beschädigt. Sie wurde in Irun von Fachleuten der Herstellerfirma besichtigt, welche die Rücksendung der Maschine zur Reparatur im Herstellerwerk beschlossen, da die Durchführung der Reparatur an Ort und Stelle wegen Fehlens der erforderlichen Mittel und Materialien nicht möglich war. Am Tag des Schadenseintrittes wurde durch die spanische Eisenbahngesellschaft das Untersuchungsprotokoll Nr.149/88 (Beilage ./A), enthaltend auch zahlreiche Lichtbilder, aufgenommen. Die Rücksendung des Ladegutes erfolgte per Bahnfracht mit neuen Frachtbriefen (Beilagen ./1 und ./2), welche als Absender aufwiesen "Spain T***** Irun Guipuzcoa/Espana" und als Empfänger "P***** & T***** Werk: A 4020 Linz". Die Sendung langte am 29.8.1988 im Stadthafen Linz ein.

Mit Schreiben vom 9.6.1989 trat die V***** y C***** S.A. Madrid sämtliche aus den Frachtpapieren für das Gerät Duomatic 09-32 CSMA Nr.2398 entstehenden Rechtsansprüche an die P***** & T***** Gesellschaft m.b.H. ab (Beilage ./E). Diese trat die an sie übergegangenen Rechte und Ansprüche mit Schreiben vom 4.7.1989 (Beilage ./F) an die Klägerin ab, nachdem sie dies hinsichtlich aller Rechte und Ansprüche aus den Frachtbriefen für die Maschine bereits mit Schreiben vom 21.3.1989 (Beilage ./G) getan hatte. Auch die P***** Gesellschaft m.b.H. übertrug mit Schreiben vom 16.3.1989 (Beilage ./D) sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Frachtvertrag an die Klägerin.

Mit ihrer am 17.7.1989 bei Gericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung der Schadensbehebungskosten sowie der Nebenspesen im Gesamtbetrag von S 1,332.098,-- schuldig zu erkennen. Sie mache diese Schadenersatzansprüche aus übergegangenem und abgetretenem Recht der Absenderin, der frachtbriefmäßigen Empfängerin sowie ihrer Versicherungsnehmerin geltend. Konstrukteure der Empfängerin und der Absenderin hätten die Maschine nach dem Unfall in Irun besichtigt und die Annahme der Partie auf Grund der Beschädigungen abgelehnt. Das Ladegut sei daraufhin zur Versicherungsnehmerin der Klägerin zurücktransportiert worden. Die Beklagte hafte für den Schaden gemäß Artikel 35 ff CIM 1980, da sie das Gut mit den Frachtbriefen zur Beförderung übernommen habe. Die Reklamation sei am 15.4.1989 erfolgt, sodaß ab diesem Tag die Verzinsung des Artikel 47 CIM 1980 laufe. In weiterer Folge brachte die Klägerin vor, daß sie den Klagsanspruch auf die Forderung des Absenders stütze, welche an die Klägerin abgetreten worden sei. Die Beklagte hafte nach Artikel 54 iVm Artikel 55 CIM 1980 und es sei Sache der Beklagten, die von ihr behauptete Ablieferung an die Empfängerin nachzuweisen. Der ursprüngliche Frachtbrief sei offenkundig mit der Sendung zurückgereist. Der Klägerin sei nicht bekannt, in wessen Händen er sich derzeit befinde. Sollte die Beklagte die Ablieferung beweisen, werde der Klagsanspruch hilfsweise auch auf die Rechte der Empfängerin gestützt.

Die Beklagte wendete - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - ein, die Klägerin sei aktiv nicht legitimiert, da die Sendung laut Frachtbrief nach dem Unfall von der Empfängerin übernommen worden sei, weshalb nur diese Ansprüche erheben könne. Forderungen Dritter könnten nur aus den Ansprüchen der Empfängerin abgeleitet werden. Gemäß Artikel 54 § 4 CIM 1980 habe der Empfänger oder derjenige, der dessen Ansprüche geltend mache, den Frachtbrief im Original vorzulegen. Die Klägerin habe jedoch lediglich das Frachtbriefdoppel vorgelegt, sodaß der streng zu handhabenden, der Geltendmachung mehrerer Ansprüche gegen verschiedene Eisenbahngesellschaften vorbeugenden Formvorschrift nicht entsprochen worden sei. Wäre die Sendung in Irun nicht angenommen worden, hätte die Rücksendung auf Grund eines entsprechenden Vermerks mit dem ursprünglichen Frachtbrief erfolgen müssen. Die Rücksendung mit eigenen Frachtpapieren setze die vorherige Einlösung durch den Empfänger voraus.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen, nicht mehr strittigen Sachverhalt hinaus fest, daß das Frachtgut vor dessen Rücktransport durch die Empfängerin in Irun übernommen worden sei. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß in Anbetracht der Annahme des Ladegutes durch die Empfängerin nur mehr diese gemäß Artikel 54 § 3 lit.b CIM 1980 zur gerichtlichen Geltendmachung der klagsgegenständlichen Ansprüche legitimiert sei. Der Empfänger habe aber gemäß Artikel 54 § 4 Abs.2 CIM 1980 bei der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche den Frachtbrief vorzulegen, wenn er ihm übergeben worden ist. Diese Pflicht zur Vorlage des Frachtbriefes sei grundsätzlich streng aufzufassen und treffe auch den Zessionar solcher Ansprüche. Die Klägerin habe keine konkreten Behauptungen darüber aufgestellt, daß und warum trotz Annahme des Gutes die Empfängerin nicht in den Besitz der Originalfrachtbriefe gelangt sei bzw. wo sich diese befinden. Mangels Vorlage des Original-Frachtbriefes - die Klägerin habe nur die Frachtbriefdoppel vorgelegt - sei ein zwingendes Formerfordernis für die Geltendmachung der Ansprüche nicht gegeben.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es als Zwischenurteil zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 1,332.098,-- samt 5 % Zinsen seit 15.4.1989 zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Kostenentscheidung wird dem Endurteil vorbehalten."

Das Gericht zweiter Instanz erklärte die ordentliche Revision für zulässig und führte aus, das Erstgericht habe die entscheidungswesentliche Feststellung, daß die Empfängerin das Ladegut in Irun vor dessen Rücksendung übernommen habe, mangels weiteren Beweisanbietens ausschließlich auf die Tatsache gestützt, daß für den Rücktransport des Ladegutes neue Frachtbriefe ausgestellt wurden sowie, daß die in den ersten Frachtbriefen ausgewiesene Empfängerin ihre Ansprüche an die P***** & T***** Gesellschaft m.b.H. abgetreten hat. Gegen diese Beweiswürdigung bestünden schon deshalb erhebliche Bedenken, da sich aus dem Untersuchungsprotokoll der spanischen Eisenbahngesellschaft Beilage ./A unzweideutig ergebe, daß noch im Bereich der Eisenbahngesellschaft im Sinne des Artikel 52 CIM 1980 die Schadensfeststellung durchgeführt wurde, welche die Notwendigkeit des Rücktransports ins Herstellerwerk ergab. Es wäre zumindest ungewöhnlich, wenn die Empfängerin in Kenntnis der für jedermann sofort erkennbaren Schäden die Sendung ausschließlich zum Zwecke des Rücktransportes übernommen hätte, um so sich oder ihren Bevollmächtigten einer möglichen Haftung aus dem neu abzuschließenden Frachtvertrag auszusetzen. Das Berufungsgericht habe daher Beweis wiederholt durch Verlesung der Urkunden Beilagen ./A - C, ./E, ./F, ./J sowie ./1 und ./2. Auf Grund dieser Beweisaufnahme treffe das Berufungsgericht folgende Feststellung:

Es kann nicht festgestellt werden, daß das Frachtgut vor dem Rücktransport durch die in den Frachtbriefen ./B und ./C genannte Empfängerin übernommen worden ist.

Das Berufungsgericht führte aus, es sei zu dieser Feststellung neben der eingangs dargestellten Überlegung auf Grund der Bestimmungen der hier anzuwendenden CIM 1980 gelangt, welchen entgegen der von der Beklagten und vom Erstgericht vertretenen Ansicht nicht entnommen werden könne, daß bei Nichtannahme durch den Empfänger die Ware zwingend mit demselben Frachtbrief zurückzusenden wäre.

Eine Annahme des Gutes liege vor, wenn der Empfänger die Sendung in seine Verfügungsgewalt übernimmt und gleichzeitig die Eisenbahn Besitz und Gewahrsame aufgibt (Finger, Schadensfälle im Eisenbahngüterverkehr, transpR 1982, 29). Daß eine Neuaufgabe des Gutes nicht zwingend die Annahme durch den Empfänger und damit die Aufgabe von Besitz und Gewahrsame durch die Eisenbahn voraussetze, ergäbe sich aus Artikel 38 § 1 CIM 1980, wonach bei Feststellung von Verlust oder Beschädigung nach Neuaufgabe vermutet werde, daß diese während des letzten Frachtvertrages eingetreten seien, sofern die Sendung im Gewahrsam der Eisenbahn verblieben und unverändert in dem Zustand neu aufgegeben worden sei, in dem sie im Bahnhof der Neuaufgabe angekommen sei. Folgerichtig normiere Artikel 57 § 3 CIM 1980, daß in einem derartigen Fall der Neuaufgabe die Ansprüche bei teilweisem Verlust oder bei Beschädigung aus einem der vorangehenden Frachtverträge so erlöschen als würde es sich um einen einzigen Frachtvertrag handeln, woraus zu erschließen sei, daß die Konvention in einem derartigen Fall nicht zwingend von einer Annahme durch den Empfänger des ersten Frachtvertrages ausgehe.

Den Bestimmungen der CIM 1980 könne keine spezielle Regelung über die Frage der Rücksendung im Falle der Annahmeverweigerung entnommen werden, insbesondere nicht jene, daß der ursprüngliche Frachtbrief weiter verwendet werden müßte. Gegen diese Annahme scheine schon die Bestimmung des Artikel 12 § 1 CIM 1980 zu sprechen, wonach für jede Sendung ein Frachtbrief zu verwenden sei. Das Wort "Sendung" sei zwar einerseits als Begriff für die Summe nach den maßgeblichen Kriterien, wie Absender und Empfänger, zusammengefaßten Frachtgutes zu sehen, habe wohl aber auch eine räumliche Bedeutung in dem Sinne, daß eine bestimmte Menge Frachtgutes über eine bestimmte Strecke gemeint sei. Abgesehen von dieser Überlegung, welche im Falle der Rücksendung die Ausstellung eines neuen Frachtbriefes jedenfalls erforderlich machen würde, sei zur Klärung dieser Frage die Bestimmung des Artikel 34 § 1 CIM 1980 heranzuziehen, weil die Nichtannahme des Gutes durch den Empfänger als Ablieferungshindernis zu sehen sei (Spera, CIM-Kommentar, 54.8). Gemäß dieser Bestimmung habe bei einem Ablieferungshindernis der Bestimmungsbahnhof den Absender davon durch Vermittlung des Versandbahnhofes unverzüglich in Kenntnis zu setzen, um seine Anweisungen einzuholen. Verweigere der Empfänger die Annahme des Gutes, stehe dem Absender das Anweisungsrecht auch dann zu, wenn er das Frachtbriefdoppel nicht vorlegen könne. Entgegen der Ansicht der Beklagten, welcher das Erstgericht gefolgt sei, müsse die Rücksendung nicht zwingend mit demselben Frachtbrief erfolgen, falls dies, wie bereits dargestellt, auf Grund der Bestimmung des Art.12 § 1 CIM 1980 überhaupt möglich wäre, sondern liege die Bestimmung der Art der Rücksendung eindeutig beim Absender. Dieser könne daher auch die Ausfertigung eines neuen Frachtbriefes durch einen Bevollmächtigten und die Rücksendung an eine andere Person oder Handelsgesellschaft verfügen (vgl. hiezu Artikel 30 § 1 CIM 1980). Die Tatsache, daß auf den Frachtbriefen Beilagen ./1 und ./2 ein Absender aufscheine, dessen Identität bislang nicht habe geklärt werden können, indiziere daher keinesfalls zwingend die Annahme des Ladegutes durch den Empfänger, sondern spreche nach der Sachlage sogar dagegen. Es sei nämlich wesentlich wahrscheinlicher, daß der österreichische Absender sich in Spanien eines Bevollmächtigten, etwa einer anderen Spedition, bedient, als der in Spanien ansässige Empfänger. Hiezu komme, daß die Empfängerin laut Frachtbriefen Beilage ./B und ./C das Frachtgut wohl an den Absender, die P***** Gesellschaft m.b.H., gesandt hätte, während in den Frachtbriefen Beilage ./1 und ./2 P***** & T***** als neuer Empfänger aufscheine. Da nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes Leute dieses Unternehmens die Rücksendung der Ware "beschlossen", sei naheliegend, daß der ursprüngliche Absender nunmehr die direkte Verfrachtung zu seinem Auftraggeber verfügt habe.

Schließlich sei auch noch zu bedenken, daß die Eisenbahn gemäß Artikel 28 § 1 CIM 1980 dem Empfänger das Gut am Bestimmungsbahnhof gegen Empfangsbescheinigung auszufolgen habe. Die Beklagte habe sich aber auf eine derartige Empfangsbescheinigung im Verfahren nicht berufen und auch nicht vorgetragen, wieso trotz ordnungsgemäßer Ablieferung diese nicht in ihren Händen sein könnte.

Gemäß Artikel 54 § 3 Z 2 CIM 1980 sei zur gerichtlichen Geltendmachung sonstiger Ansprüche aus dem Frachtvertrag der Absender bis zu dem Zeitpunkt berechtigt, indem der Empfänger das Gut angenommen habe. Gemäß § 4 der genannten Bestimmung habe der Absender bei gerichtlicher Geltendmachung der Ansprüche das Frachtbriefdoppel vorzulegen. Anderenfalls müsse er die Zustimmung des Empfängers beibringen oder nachweisen, daß dieser die Annahme der Sendung verweigert habe. Der Umkehrschluß aus dieser Beweislastregel führe zu dem Ergebnis, daß der Absender, der das Frachtbriefdoppel vorzulegen vermöge, nicht weiter beweispflichtig sei. Vielmehr sei es Sache des Beklagten, wie auch sonst im Zivilverfahren, den den Anspruch des Klägers vernichtenden Beweis, nämlich, daß der Empfänger die Ware angenommen habe, zu führen. Hiefür spräche auch die bereits zitierte Bestimmung des Artikel 28 § 1 CIM 1980, daß es Sache der Eisenbahn sei, welche bis zur Annahme durch den Empfänger den Frachtbrief in Händen habe, das Beweismittel für dessen Übergabe an den Empfänger durch Entgegennahme einer Empfangsbescheinigung zu schaffen. Nur die beklagte Eisenbahn könne sich somit im Besitz des Frachtbriefes oder der Empfangsbescheinigung befinden. Nur sie könne daher die Nichtannahme durch Vorlage des Frachtbriefes oder die Annahme durch Vorlage der Empfangsbescheinigung unter Beweis stellen. Der Absender hingegen werde sich im Normalfall nur unter erheblichen Schwierigkeiten Unterlagen über die Vorgänge am Bestimmungsbahnhof beschaffen können und habe weder auf den Frachtbrief noch die Empfangsbescheinigung irgendeinen Zugriff. Es wäre daher nicht sachgerecht, ihm die Beweislast für die Nichtannahme der Sendung durch den Empfänger aufzubürden.

Da schließlich auch die Zession der Ansprüche durch die Empfängerin der Frachtbriefe Beilagen ./B und ./C als prozessuale Vorsichtsmaßnahme keine Aussagekraft zur Frage der Annahme des Ladegutes habe und somit die Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht habe erbringen können, sei die Aktivlegitimation der Klägerin zu bejahen.

Die Beklagte, die das Zustandekommen des Schadenfalls am Rangierbahnhof in Irun im Berufungsverfahren nicht mehr bestreite, habe somit für den Schaden, welcher in der Zeit zwischen Annahme zur Beförderung bis zur Ablieferung entstanden sei, gemäß Artikel 36 § 1 CIM 1980 zu haften.

Haftungsbefreiungsgründe, welche sie zu behaupten und zu beweisen hätte (Artikel 37 CIM 1980), im Sinne des Artikel 36 §§ 2 und 3 CIM 1980 habe sie im Verfahren nicht vorgebracht.

Gemäß § 393 Abs.1 ZPO sei daher, da die Verhandlung somit in Ansehung des Grundes zur Entscheidung reif sei, mit Zwischenurteil der Schadenersatzanspruch als zu Recht bestehend zu erkennen, wenngleich noch strittig sei, ob der Anspruch der Höhe nach überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht bestehe.

Die Beklagte bekämpft das Zwischenurteil des Berufungsgerichtes mt Revision, macht die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Klägerin stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin leitet ihre Berechtigung, Schadenersatz wegen der beim Transport erfolgten Beschädigung der Maschine zu fordern, primär vom Anspruch der Absenderin der Maschine ab, dieser Anspruch sei auf die Klägerin übergegangen und sei ihr auch abgetreten worden. Die Beklagte vertritt hingegen die Ansicht, der Absenderin sei kein Anspruch zugestanden, weil die Empfängerin die Maschine bereits übernommen habe.

Gemäß Art 54 § 3 lit a CIM 1980 ist der Absender zur gerichtlichen Geltendmachung sonstiger Ansprüche aus dem Frachtvertrag bis zu dem Zeitpunkt berechtigt, in dem der Empfänger 1.) den Frachtbrief eingelöst, 2.) das Gut angenommen oder 3.) die ihm gemäß Art 28 § 4 oder Art 31 zustehenden Rechte geltend gemacht hat. Entscheidend ist somit, ob die Empfängerin derartige Handlungen vornahm, die zur Folge hatten, daß gemäß Art 54 § 3 lit b CIM 1980 nicht die Absenderin, sondern die Empfängerin zur gerichtlichen Geltendmahung der Ansprüche berechtigt wäre. Die Beklagte behauptete Annahme der Sendung durch die Empfängerin, die Klägerin bestritt dies. Beide Parteien legten zum Beweis für ihr Vorbringen Urkunden vor und gaben an, es sei ihnen nicht möglich gewesen, Zeugen ausfindig zu machen. Das Erstgericht gründete seine Feststellung, daß vor dem Rücktransport eine Übernahme des Frachtgutes durch die Empfängerin erfolgte, darauf, daß in dem für den Rücktransport ausgestellten Frachtbrief Beilage 2 als Absender nicht die ursprüngliche Absenderin, die mangels Annahme des Gutes durch die Empfängerin allein über die Sendung verfügungsberechtigt gewesen wäre, sondern eine andere spanische Firma angeführt sei, von welcher die Klägerin selbst nicht behaupte, daß diese etwa im Auftrag der ursprünglichen Absenderin tätig gewesen sei. Die Annahme des Gutes durch die Empfängerin werde auch dadurch bestätigt, daß diese ihre Ansprüche an die P***** & T***** Gesellschaft mbH abgetreten habe, ohne vorherige Annahme der Sendung wären solche Ansprüche der Empfängerin gar nicht existent geworden. Das Berufungsgericht hatte Bedenken an der Richtigkeit dieser Argumentation und gelangte nach Verlesung der Urkunden zu dem Ergebnis, es könne nicht festgestellt werden, daß das Frachtgut vor dem Rücktransport durch die Empfängerin übernommen worden sei. Die Ansicht der Revisionswerberin, bei den Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Frage, ob eine Übernahme des Frachtgutes erfolgt sei, handle es sich nicht um eine Feststellung, sondern um das Ergebnis einer rechtlichen Beurteilung, kann nicht geteilt werden. Die Frage, ob der Empfänger bestimmte Handlungen vornahm, gehört dem Tatsachenbereich an, obwohl als Beweismittel nur Urkunden zur Verfügung standen. Es handelt sich nicht um Fragen der Urkundenauslegung, sondern darum, ob aus der Tatsache, daß eine Urkunde bestimmten Inhaltes (zweiter Frachtbrief mit anderem Absender) ausgestellt wurde, abgeleitet werden kann, daß sich vorher eine bestimmte Tatsache - nämlich die Übernahme des Frachtgutes durch den Empfänger - ereignet hatte. Derartige Schlußfolgerungen sind Akte der Beweiswürdigung (JBl 1974, 528, JBl 1981, 210), eine unrichtige rechtliche Beurteilung würde nur vorliegen, wenn das Gericht gegen die Gesetze der Logik und Erfahrung verstoßen hätte (RZ 1967, 105; SZ 60/269; 2 Ob 134/88 ua). Dies ist hier aber nicht der Fall. Allerdings hat das Berufungsgericht seine Ansicht, eine Übernahme des Frachtgutes durch die Empfängerin sei nicht feststellbar, teilweise insofern mit Rechtsausführungen begründet, als es die Meinung vertrat, den Bestimmungen der CIM 1980 sei nicht zu entnehmen, daß im Fall der Annahmeverweigerung der ursprüngliche Frachtbrief weiter verwendet werden müßte. Dies könnte zur Zulässigkeit einer Bekämpfung der "negativen Feststellung" des Berufungsgerichtes mit Revision nur dann führen, wenn diese Rechtsausführungen unrichtig wären. Dies ist aber nicht der Fall, die CIM 1980 enthalten tatsächlich keine Bestimmungen über die Weiterverwendung des ursprünglichen Frachtbriefes. Auch die Beklagte vermag zur Stützung ihrer Ansicht, bei einer Rücksendung ohne vorangegangene Übernahme hätte derselbe Frachtbrief verwendet werden müssen, keine Bestimmungen der CIM anzuführen. Sie versucht lediglich darzutun, daß sich aus den vom Berufungsgericht angeführten Bestimmungen die Zulässigkeit der Ausstellung eines neuen Frachtbriefes nicht ergibt. Die Frage, ob in den CIM 1980 Vorschriften enthalten sind, aus denen sich die Zulässigkeit oder sogar die Notwendigkeit der Ausstellung eines neuen Frachtbriefes ergibt, braucht jedoch nicht weiter erörtert zu werden, denn es genügt, daß - wie bereits ausgeführt - aus den CIM nicht abgeleitet werden kann, für die Rücksendung müsse derselbe Frachtbrief verwendet werden. Ob sich - wie das Erstgericht meinte - aus der Verschiedenheit der Absender in den beiden Frachtbriefen und der Tatsache der von der Empfängerin vorgenommenen Zession eine Übernahme durch die ursprüngliche Empfängerin ergibt oder ob dies - im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes - nicht der Fall ist, weil der Absender des zweiten Frachtbriefes ein Bevollmächtigter des Absenders des ersten Frachtbriefes sein könnte, und die Zession als prozessuale Vorsichtsmaßnahme keine Aussagekraft zur Frage der Annahme des Ladegutes habe, kann vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden, es handelt sich um Fragen der irrevisiblen Beweiswürdigung. Dies gilt auch für die Ausführungen des Berufungsgerichtes, es wäre zumindest ungewöhnlich, wenn die Empfängerin in Kenntnis der für jedermann sofort erkennbaren Schäden die Sendung ausschließlich zum Zweck des Rücktransportes übernommen hätte.

Der Oberste Gerichtshof hat daher davon auszugehen, es könne nicht festgestellt werden, daß das Frachtgut vor dem Rücktransport durch die in den Frachtbriefen (Beilage B und C) genannte Empfängerin übernommen wurde. Entscheidend ist daher, wen die Beweislast hinsichtlich der Annahme des Frachtgutes oder der (von der Beklagten gar nicht behaupteten) Einlösung des Frachtbriefes trifft.

Voraussetzung für einen Ersatzanspruch ist eine Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme zur Beförderung bis zur Ablieferung (Art 36 § 1 CIM 1980), die derjenige, der den Ersatzanspruch stellt, zu beweisen hat. Der Eintritt eines derartigen Schadens ist im vorliegenden Fall nicht mehr bestritten. Macht der Absender den Anspruch gerichtlich geltend, hat er gemäß Art 54 § 4 CIM 1980 das Frachtbriefdoppel vorzulegen. Andernfalls muß er zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche gemäß § 3 Buchstabe a) die Zustimmung des Empfängers beibringen oder nachweisen, daß dieser die Annahme der Sendung verweigert hat. Das Gesetz enthält also Vorschriften darüber, was der Absender, der einen Schaden gegen die Bahn geltend macht, vorzulegen und zu beweisen hat. Die Notwendigkeit eines Beweises, daß der Empfänger keine der im Art 54 § 3 lit a angeführten Handlungen gesetzt hat, ist in den CIM 1980 nicht angeführt. Dies rechtfertigt den Schluß, daß dem Absender der unter Umständen für ihn schwierige negative Beweis nicht obliegt, sondern der Bahn, in deren Händen sich die Empfangsbestätigung befinden muß, gegen die sie dem Empfänger den Frachtbrief zu übergeben und das Gut abzuliefern hat (Art 28 § 1 CIM 1980). Die Bahn hat die bessere Zugangsmöglichkeit zum Beweis, der Absender ist nicht gehalten, das Nichtbestehen von Tatsachen zu beweisen (vgl Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 883). Den Revisionsausführungen, es stimme mit den allgemeinen Beweislastregeln im Schadenersatzrecht überein, daß der Anspruchsteller die im Art 54 § 3 CIM 1980 angeführten Umstände, aus denen sich seine Anspruchsberechtigung ergibt, zu beweisen habe, ist entgegenzuhalten, daß die in Art 54 § 3 lit a Z 1 bis 3 angeführten Umstände die Legitimation des Absenders zur Geltendmachung der Ansprüche beseitigen (vgl Spera, CIM-Kommentar 54.5, wo ausgeführt wird, daß die Berechtigung des Absenders erlischt, sobald der Frachtbrief dem Empfänger übergeben ist), rechtsvernichtende Tatsachen aber ganz allgemein von demjenigen zu beweisen sind, der sich darauf beruft (Fasching aaO, Rz 882).

Mangels Beweises der übernahme des Frachtgutes durch die Empfängerin wäre diese nicht legitimiert, den Anspruch geltend zu machen, vielmehr ist die Klägerin berechtigt, die von der Absenderin abgeleitete Forderung zu erheben. Aus diesem Grund braucht nicht erörtert zu werden, ob das Begehren der Klägerin auch auf einen ihr abgetretenen Anspruch der Empfängerin gegründet werden könnte oder ob dem entgegenstünde, daß der Frachtbrief nicht vorgelegt wurde.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 393 Abs 4 und 50 ZPO.

Anmerkung

E27360

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00560.91.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19911023_OGH0002_0020OB00560_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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