TE OGH 1991/10/30 1Ob588/91

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Veröffentlicht am 30.10.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Anita F*****, infolge Rekurses der Minderjährigen, vertreten durch ihre Mutter Annemarie K*****, diese vertreten durch Mag. Peter Geldner, Wien 16, Maderspergerstraße 4/4, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 14. März 1991, GZ 47 Nc 6/91-11, womit der Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Donaustadt die Genehmigung versagt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache durch das Bezirksgericht Hietzing an das Bezirksgericht Donaustadt genehmigt wird.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Die Pflegschaftssache wurde mit einem Unterhaltsbemessungsantrag der Minderjährigen beim Bezirksgericht Donaustadt anhängig gemacht. Die Minderjährige lebte damals bei ihren Eltern in Wien-Leopoldstadt. Die Ehe ihrer Eltern wurde am 28. 6. 1988 geschieden. Die Obsorge für die Minderjährige wurde deren Mutter übertragen, der auch die Ehewohnung verblieb. Nach einer am 20. 12. 1989 beim Pflegschaftsgericht eingelangten Mitteilung des Magistrats der Stadt Wien befindet sich die Minderjährige seit 3. 10. 1988 im Förderpflegeheim des Psychiatrischen Krankenhauses Baumgartner Höhe in stationärer Behandlung.

Mit Beschluß vom 11. 1. 1990 übertrug das Bezirksgericht Donaustadt deshalb die Zuständigkeit zur Führung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Hietzing, das die Zuständigkeit mit Beschluß vom 15. 5. 1990 übernahm.

Mit rechtskräftigem Beschluß vom 24. 7. 1990 übertrug das Bezirksgericht Hietzing seine Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache wiederum an das Bezirksgericht Donaustadt. Die Minderjährige werde zwar im erwähnten Förderheim wochentags betreut, halte sich jedoch an den Wochenenden in der Wohnung ihrer Mutter auf, die als Behindertenwohnung auch deren Lebensmittelpunkt sei. Die Mutter nehme die Obsorge für die Minderjährige wahr, sodaß die Pflegschaftssache zweckmäßigerweise vom Bezirksgericht Donaustadt geführt werde.

Das Bezirksgericht Donaustadt lehnte die Übernahme mit der Begründung ab, die Führung durch das Bezirksgericht Hietzing sei zweckmäßiger, weil sich die Minderjährige größtenteils im Heim aufhalte.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien versagte der Übertragung der Zuständigkeit die Genehmigung. Schon bei der ersten Übertragung sei bekannt gewesen, daß der stationäre Aufenthalt der Minderjährigen in regelmäßigen Abständen durch Aufenthalte bei deren Mutter unterbrochen werde. Daran habe sich seither nichts geändert. Ob seinerzeit die Voraussetzungen für die Übertragung vorgelegen seien, könne dahingestellt bleiben.

Der von der Mutter namens der Minderjährigen erhobene Rekurs gegen diesen Beschluß ist unzulässig (RZ 1980/49; SZ 42/86 uva; Fasching, LB2 Rz 209) und berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die funktionelle Eigenschaft des Gerichtshofes bei Entscheidungen über die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung von Pflegschaftssachen gemäß § 111 Abs.2 JN nicht anders beurteilt werden kann als jene zur amtswegigen Delegierung nach § 30 JN. Solche Entscheidungen werden vom Gerichtshof getroffen, sodaß der Rechtszug stets an den Obersten Gerichtshof geht (NZ 1985, 228; 6 Ob 630/86).

Die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs.1 JN kann dann - ganz oder teilweise - verfügt werden, wenn damit die wirksame Handhabung des dem Minderjährigen (oder Pflegebefohlenen) zugedachten pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich befördert wird. Ausschlaggebendes Kriterium solcher Vorkehrungen ist demnach - bei Minderjährigen - immer das Kindeswohl; eine solche Verfügung ist daher stets dann zu treffen, wenn sich der Lebensmittelpunkt des Minderjährigen im Sprengel jenes Gerichtes befindet, an das die Zuständigkeit übertragen werden soll (7 Ob 582/87 ua).

Das trifft hier auf die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Donaustadt zu: Die Mutter, der die Obsorge für die Minderjährige übertragen ist, hat ihre als Behindertenwohnung beschaffene Wohnung im Sprengel dieses Gerichtes. Die Minderjährige verbringt jeden Tag, an dem die Mutter nicht ihrer Beschäftigung nachgehen muß, bzw. die Zeit deren Urlaubs bei dieser. Die Förderung der Minderjährigen ist auch eine bloß vorübergehende Maßnahme, deren Ende abzusehen ist. Daß es der Mutter leichter fällt, beim Bezirksgericht Donaustadt vorzusprechen oder zu intervenieren, bedarf angesichts der unterschiedlichen Entfernung der beiden Gerichte keiner weiteren Erörterung; die deshalb ersparte Zeit und Mühe kommt letztlich auch der Minderjährigen zugute.

Deshalb ist die vom Bezirksgericht Hietzing verfügte Übertragung seiner Zuständigkeit an das Bezirksgericht Donaustadt gemäß § 111 Abs.2 JN zu genehmigen.

Anmerkung

E27311

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00588.91.1030.000

Dokumentnummer

JJT_19911030_OGH0002_0010OB00588_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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