TE OGH 1991/11/6 9ObA185/91

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Veröffentlicht am 06.11.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith und Dr.Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Wolfgang Neumeier in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** C*****, Hauseigentümer, ***** vertreten durch *****, Immobilienverwalter, ***** dieser vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei D***** G*****, Hausbesorgerin, ***** vertreten durch *****, dieser vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 1991, GZ 34 Ra 128/90-8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27.Juli 1990, GZ 5 Cga 618/90-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.175,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 362,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer eines Hauses, dessen Hausbesorgerin die Beklagte, eine Ausländerin, ist und die in diesem Haus eine Dienstwohnung bewohnt.

Die Beschäftigungsbewilligung für die Beklagte galt bis 25.4.1990. Der Kläger übermittelte der Beklagten einen mit 17.4.1990 datierten Antrag auf Verlängerung dieser Beschäftigungsbewilligung um ein Jahr. Als die Beklagte diesen Antrag am 24.4.1990 beim Arbeitsamt überreichen wollte, wurde sie darauf hingewiesen, daß sie berechtigt sei, einen Befreiungsschein zu beantragen. Dies hat sie getan und deshalb den Antrag auf Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung nicht eingereicht. Der Befreiungsschein wurde der Beklagten in der Folge am 9.5.1990 ausgestellt; er gilt bis 8.5.1993 und berechtigt sie, im gesamten Bundesgebiet eine Beschäftigung auszuüben.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Räumung der von ihr als Hausbesorgerin benützten Dienstwohnung mit der Begründung, das Hausbesorgerdienstverhältnis habe am 25.4.1990 mit Ablauf der dem Kläger für die Beklagte erteilten Beschäftigungsbewilligung "automatisch" geendet; seitdem benütze die Beklagte die Dienstwohnung titellos.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete ein, ihr sei am 9.5.1990 ein Befreiungsschein ausgestellt worden, den sie dem Kläger übermittelt habe. Zur Erlangung dieses Befreiungsscheines habe sie "ohne Schuldhaftigkeit alle Schritte gesetzt".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Hausbesorgerdienstverhältnis habe mit Ablauf der Beschäftigungsbewilligung gemäß § 29 Abs 3 AuslBG geendet, weil der Kläger als Dienstgeber keinen Verlängerungsantrag gestellt habe. Die weitere Benützung der Dienstwohnung erfolge somit ohne Rechtstitel. Die spätere Ausstellung eines Befreiungsscheines lasse das durch die Beendigung der Beschäftigungsbewilligung aufgelöste Dienstverhältnis nicht mehr aufleben. Die Gründe für die allenfalls verspätete Ausstellung des Befreiungsscheines seien im Verhältnis zum Kläger rechtlich unerheblich, weil dieser in jenem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei.

Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Die Berufungswerberin habe ebenso wie das Erstgericht übersehen, daß die AuslBGNov 1988 (BGBl 231/1988) eine einschneidende Änderung des bisherigen Rechtszustandes gebracht habe. Durch diese Gesetzesänderung sei die bisherige Judikatur, wonach das Erlöschen der Beschäftigungsbewilligung die zivilrechtliche Nichtigkeit des nunmehr unerlaubt gewordenen Arbeitsvertrages bewirke, was einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleichkomme, gegenstandslos geworden. Der Gesetzgeber habe nämlich den gegen diese Judikatur vorgetragenen Bedenken durch die Anfügung eines Abs 8 an den § 7 AuslBG und durch die Neufassung des § 29 AuslBG Rechnung getragen und die bisherige Judikatur korrigiert. Nach § 7 Abs 8 AuslBG idF Nov 1988 treten die Wirkungen der Nichtverlängerung der Beschäftigungsbewilligung erst mit jenem Zeitpunkt ein, der sich aus den die Rechte des Ausländers sichernden gesetzlichen Bestimmungen ergebe. Diese Bestimmung nehme im Zusammenhalt mit § 29 AuslBG entgegen der bisherigen Judikatur eine grundsätzliche Trennung zwischen der öffentlich-rechtlichen und der privatrechtlichen Beurteilung des Arbeitsverhältnisses eines Ausländers vor. Dies bedeute, daß das Erlöschen der Beschäftigungsbewilligung nicht mehr automatisch die privatrechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführe, sondern daß dessen Ende unabhängig vom Bestand der Beschäftigungsbewilligung mit Hilfe der einschlägigen arbeitsrechtlichen Rechtsbehelfe zu bewirken sei. Der § 7 Abs 8 AuslBG betreffe allerdings nur den Fall, daß der Arbeitgeber einen Verlängerungsantrag gestellt, dieser aber rechtskräftig zurück- oder abgewiesen worden sei (Schnorr, AuslBG2 70 ff, insb 76).

Für die vorliegende Fallkonstellation - ein Antrag auf Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung wird nicht gestellt, weil der Ausländer selbst vor Ablauf der Beschäftigungsbewilligung den Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines stellt - treffe das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Die Ausstellung eines Befreiungsscheines sei für den Ausländer wesentlich günstiger als die Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung, weil der Inhaber des Befreiungsscheines berechtigt sei, jede Beschäftigung auszuüben, sowie Beruf oder Arbeitgeber zu wechseln, ohne daß es einer Beschäftigungsbewilligung bedürfe. Das Gesetz sage zwar nichts über die Rechtswirkungen des Befreiungsscheines aus; sie umfaßten aber jedenfalls die Rechte, die mit der bloßen Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung verbunden wären. Eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung führe daher zum Ergebnis, daß die gleichen Wirkungen, die das Gesetz mit der Antragstellung des Arbeitgebers auf Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung (§ 7 Abs 7 AuslBG) verknüpft, auch dann eintreten, wenn stattdessen der ausländische Arbeitnehmer noch vor Ablauf der befristeten Beschäftigungsbewilligung die Ausstellung eines Befreiungsscheines beantrage.

Nach § 7 Abs 7 AuslBG in der hier anzuwendenden Fassung der AuslBGNov 1988 - die neuerliche Änderung dieser Bestimmung durch die AuslBGNov 1990, BGBl 450/1990, sei erst mit 1.10.1990 in Kraft getreten und daher auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden - gelte die Beschäftigungsbewilligung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag als verlängert, wenn der Antrag auf Verlängerung vier Wochen vor Ablauf der Beschäftigungsbewilligung eingebracht worden sei. Erfolge die Antragstellung innerhalb der letzten vier Wochen vor Ablauf der Beschäftigungsbewilligung, so gelte diese nur dann bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag als verlängert, wenn dieser ohne Verschulden oder lediglich auf Grund einer entschuldbaren Fehlleistung des Antragstellers verspätet eingebracht worden sei. Nach dem dritten Satz dieser Bestimmung gelte bei verschuldeter verspäteter Antragstellung die Beschäftigungsbewilligung nur bis zur Feststellung des zuständigen Arbeitsamtes, daß die verspätete Einbringung nicht entschuldbar sei, als verlängert. Eine solche Feststellung komme aber wohl nur in Betracht, wenn die beantragte Beschäftigungsbewilligung oder der Befreiungsschein in der Folge nicht ausgestellt werden. Werde die Beschäftigungsbewilligung trotz verspäteter Antragstellung verlängert oder ein Befreiungsschein ausgestellt, so ergebe sich aus § 7 Abs 7 AuslBG, daß jedenfalls eine durchgehende Beschäftigungsbewilligung vorgelegen sei (Schnorr, aaO 74).

Da die Beklagte den Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines vor dem Ablauf der Beschäftigungsbewilligung gestellt habe und ihr ein solcher in der Folge ausgestellt worden sei, ergäbe sich hieraus, daß es mit dem 25.4.1990 weder zu einer Beendigung der Beschäftigungsbewilligung noch des Hausbesorgerdienstverhältnisses gekommen sei und demnach die behauptete titellose Benützung der Hausbesorgerdienstwohnung nicht vorliege, sodaß das Räumungsbegehren abzuweisen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger bringt vor, daß die Ausstellung des Befreiungsscheines konstitutive Wirkung habe; dies bedeute, daß nur Ausländer, die im Besitz einer solches Befreiungsscheines seien, sich auf die durch ihn verbrieften gesetzlichen Rechte berufen könnten. Daraus ergebe sich aber auch, daß für die Zeit vom 26.4.1990 bis 8.5.1990 keine Beschäftigungsbewilligung vorgelegen sei. Daß sich die Beschäftigungsbewilligung dadurch verlängere, daß ein ausländischer Arbeitnehmer einen Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines einbringe, lasse sich dem AuslBG nicht entnehmen. Da eine Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung gar nicht beantragt worden sei, sei davon auszugehen, daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 25.4.1990 automatisch erloschen sei. In diesem Fall sei aber nicht § 7 Abs 8 AuslBG, sondern § 29 Abs 3 leg cit anzuwenden. In der letztgenannten Bestimmung sei aber lediglich eine Schadenersatzpflicht des Dienstgebers vorgesehen, sofern ihn am Wegfall der zunächst erteilten Beschäftigungsbewilligung ein Verschulden treffe; dies ändere aber nichts an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Die ausführliche rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 48 ASGG). Auf die Einwände des Klägers ist zu erwidern, daß - wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat - die vorliegende Fallkonstellation im AuslBG idF der Novelle 1988 nicht ausdrücklich geregelt war und insofern eine Gesetzeslücke vorlag. Das Gesetz traf nämlich keine ausdrückliche Regelung für den Fall, daß um eine Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung nicht angesucht wird, weil der Ausländer vor Ablauf der Beschäftigungsbewilligung einen Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines stellt. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Ausstellung eines Befreiungsscheines für den Ausländer wesentlich günstiger als die Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung ist; daraus folgt, daß auch ohne ausdrücklichen Hinweis in den jeweiligen Bestimmungen der Befreiungsschein alle jene Rechte, die mit der bloßen Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung verbunden sind, gewährt. Eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung führte daher bereits vor der AuslBGNov 1990 zum Ergebnis, daß die gleichen Wirkungen, die das Gesetz mit der Antragstellung des Arbeitgebers auf Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung verknüpft, auch dann eintreten, wenn stattdessen der ausländische Arbeitnehmer selbst noch vor Ablauf der befristeten Beschäftigungsbewilligung die Ausstellung eines Befreiungsscheines beantragt. Daß diese Überlegungen zutreffend sind, ergibt sich auch daraus, daß nunmehr § 7 Abs 7 AuslBG (BGBl 450/1990) nicht nur die bereits vom Berufungsgericht aufgezeigten Vereinfachungen vorsieht - die Beschäftigungsbewilligung gilt jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag als verlängert, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Beschäftigungsbewilligung eingebracht wurde -, sondern stellt den Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines ausdrücklich dem Antrag auf Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung gleich.

Da die Beklagte den Befreiungsschein noch vor Ablauf der Beschäftigungsbewilligung beantragt hat und er ihr in der Folge auch ausgestellt wurde, ist von einer durchgehenden Beschäftigungsbewilligung auszugehen. Das Hausbesorgerdienstverhältnis ist daher nicht mit 25.4.1990 automatisch erloschen, sondern besteht aufrecht fort; das Räumungsbegehren wegen titelloser Benützung ist infolgedessen unberechtigt.

Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO (Bemessungsgrundlage S 6.000 gemäß § 10 Z 2 c RATG).

Anmerkung

E27618

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00185.91.1106.000

Dokumentnummer

JJT_19911106_OGH0002_009OBA00185_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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