TE OGH 1991/11/12 10ObS289/91

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Veröffentlicht am 12.11.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Reinhard Horner (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef G*****, vertreten durch Dr.Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter (Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Weitergewährung einer Invaliditätspension infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juni 1991, GZ 31 Rs 114/91-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15.März 1991, GZ 7 Cgs 70/90-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die einschließlich 603,84 S Umsatzsteuer mit 3.623,04 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 7.2.1990 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 26.11.1989 auf Weitergewährung der mit Bescheid vom 20.2.1989 bis 31.12.1989 gewährten Invaliditätspension mangels weiterer Invalidität ab.

Die auf Weitergewährung der Invaliditätspension gerichtete Klage stützt sich darauf, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen weiterhin weder seinem erlernten Beruf als Spengler (Ablegung der Lehrabschlußprüfung am 1.7.1977), den er überwiegend ausgeübt habe, noch einer anderen geregelten Arbeit nachgehen könne.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, der während der letzten 15 Jahre vor dem Antrag nicht überwiegend als Spengler tätig gewesene Kläger könne alle leichten und mittelschweren Arbeiten, die vorwiegend im Sitzen ausgeübt werden können und bei denen er nicht Staub und Schmutz ausgesetzt sei, leisten und daher zB noch als Falzer, Kleber, Kontrollarbeiter, Portier und Maschinenarbeiter tätig sein.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger die Invaliditätspension über den 31.12.1989 hinaus im gesetzlichen Ausmaß weiter zu gewähren und bis zur bescheidmäßigen Feststellung der Pensionshöhe eine vorläufige monatliche Zahlung von 4.000 S zu leisten.

Nach den Feststellungen erlernte der am 14.4.1959 geborene Kläger vom 3.7.1974 bis 29.7.1977 den Spenglerberuf, in dem er am 1.7.1977 die Lehrabschlußprüfung bestand. Von August 1977 bis Oktober 1983 arbeitete er als Spengler. Während dieser Zeit erwarb er 64 Pflichtversicherungsmonate. Danach arbeitete er bei den ÖBB zunächst als Schaffner, dann als Telefonist, wodurch er 53 Pflichtversicherungsmonate erwarb. Seit 1.8.1977 erwarb er insgesamt 117 Pflichtversicherungsmonate. Wegen des zumindest seit 31.12.1989 bestehenden Gesundheitszustandes nach entsprechend operativ versorgter subtotaler Amputation des linken Unterschenkels im Dezember 1987 mit Beinverkürzung und Versteifung der Sprunggelenke kann der Kläger (während der normalen Arbeitszeit bei Einhalten der üblichen Pausen) leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen ausüben. Bis zu 1/4 des Arbeitstages kann er jeweils bis 1/4 Stunde leichte Arbbeiten im Gehen und Stehen leisten, muß dann aber mindestens 1/2 bis 3/4 Stunde sitzen. Der Spenglerberuf und seine verwandten Berufe sind jedoch ausschließlich im von kurzem Gehen unterbrochenen Stehen zu verrichten.

In der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht unter Bezugnahme auf die E des erkennenden Senates SSV-NF 4/27 aus, daß die Lehrzeit bei der Prüfung iS des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG, ob in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach diesem Bundesgesetz während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag überwiegend erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten ausgeübt wurden, außer Betracht zu bleiben habe. Da der Kläger nach der Lehrzeit überwiegend (64 von 117 Pflichtversicherungsmonaten) als Spengler tätig gewesen sei, sei er nach § 255 Abs 1 ASVG weiterhin invalid.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge, weil es sich der der zit E des erkennenden Senates folgenden Rechtsansicht des Erstgerichtes anschloß.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist richtig (§ 48 ASGG). Die Revisionausführungen bieten dem erkennenden Senat keinen Anlaß, von seiner in der wiederholt genannten E SSV-NF 4/27, die Teschner in MGA ASVG 52.ErgLfg 1314 FN 8 zitiert, dargelegten und ausführlich begründeten Rechtsansicht abzugehen. Daß die im § 227 Abs 1 Z 1 ASVG angeführten (Schul- und sonstigen Ausbildungs)Zeiten nach dem durch die

44. ASVG-Nov BGBl 1987/609 eingefügten Abs 2 der zit Gesetzesstelle für die Bemessung der Leistungen, ausgenommen bei der Anwendung der §§ 253b Abs 1 lit b bzw 276 b Abs 1 lit b, nicht (mehr) zu berücksichtigen sind, jedoch nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen durch Beitragsentrichtung ganz oder teilweise leistungswirksam werden, hat - wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - mit der hier entscheidenden Frage nichts zu tun. Die im § 227 Abs 1 Z 1 ASVG genannten Zeiten bleiben auch nach der 44.ASVGNov im Falle der Entrichtung von Beiträgen iS des Abs 3 leg cit leistungswirksame Ersatzzeiten, werden aber nicht zu Beitragszeiten und damit auch nicht zu Betragsmonaten iS des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG.

Daß Lehrlinge noch keine Berufstätigkeit iS der letztzit Gesetzestelle ausüben, Versicherte, die durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind, jedoch schon, so daß nur eine Lehrzeit, nicht aber auch eine Anlernzeit bei der Prüfung iS der letztzit Gesetzesstelle außer Betracht zu bleiben hat, ist dadurch begründet, daß der Ausbildungszweck so zum Wesen des Lehrverhältnisses gehört, daß es bei der erwähnten Prüfung wie eine schulmäßige Berufsausbildung zu behandeln ist, während ein Versicherter, der durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten erwirbt, in keinem Lehr- oder Ausbildungsverhältnis, sondern in einem Beschäftigungsverhältnis steht, in dem er bereits eine Berufstätigkeit ausübt. Wegen dieses wesentlichen Unterschiedes ist eine verschiedene Behandlung von Lehr- und Beschäftigungs(Anlern)zeiten nicht gleichheitswidrig.

Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG (Bemessungsgrundlage 50.000 S).

Anmerkung

E26930

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00289.91.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19911112_OGH0002_010OBS00289_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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