TE OGH 1991/11/12 10ObS275/91

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Veröffentlicht am 12.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Reinhard Horner (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Roman T*****, vertreten durch Dr.Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.April 1991, GZ 5 Rs 44/91-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 8.Jänner 1991, GZ 42 Cgs 151/89-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat das Unterbleiben der Beweisaufnahme, in dem er einen Mangel des Berufungsverfahrens erblickt, nicht schon in der Berufung gerügt. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß Mängel des Verfahrens erster Instanz, die in der Berufung nicht geltend gemacht wurden, auch in Sozialrechtssachen nicht den Gegenstand der Revision bilden können (SSV-NF 1/68; 10 Ob S 139/91; 10 Ob S 190/91 uva). Das Argument des Klägers, dies sei unzutreffend, weil in Sozialrechtssachen gemäß § 87 Abs 1 ASGG im allgemeinen Beweise von Amts wegen aufzunehmen seien, überzeugt nicht. Der Oberste Gerichtshof hat schon in seiner Entscheidung SSV-NF 1/32 ausführlich begründet, daß dieser Umstand und auch die erweiterte Anleitungspflicht nach § 39 Abs 2 Z 1 ASGG das Verfahren in Sozialrechtssachen noch nicht zu einem Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz macht. Die Ausnahme, die in der Rechtsprechung für solche Verfahren gemacht wurde (vgl MGA ZPO14 § 503/30), gelten daher für Sozialrechtssachen nicht ohne weiteres. Wegen der angeführten und anderer Besonderheiten vertritt der Oberste Gerichtshof ferner in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht nicht als gegeben ansah, auch in Sozialrechtssachen mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (SSV-NF 1/32, 3/115 uva). Auch in dieser Verfahrensart entscheidet daher über das Vorliegen von Mängeln, die schon dem Verfahren erster Instanz anhaften, das Berufungsgericht endgültig. Es wäre aber nicht zu rechtfertigen, daß die Partei, die einen solchen Verfahrensmangel in der Berufung nicht geltend gemacht hat, die Entscheidung des Berufungsgerichtes dadurch umgehen könnte, daß sie den Mangel erst mit Revision geltend macht. Auch in Sozialrechtssachen hat es daher dabei zu verbleiben, daß Mängel des Verfahrens erster Instanz schon in der Berufung geltend gemacht werden müssen und nicht erstmals in der Revision geltend gemacht werden dürfen. Daß für Nichtigkeiten, die dem Verfahren erster Instanz anhaften und auf das Urteil oder das Verfahren des Berufungsgerichtes wirken, etwas anderes gilt, ändert daran nichts, weil sich diese Besonderheit aus einer ausdrücklichen Regelung des Gesetzes (§ 510 Abs 2 ZPO) ergibt (vgl Fasching, ZPR2 Rz 1905 und 10 Ob S 74/91 = SSV-NF 5/41 - in Druck) und Nichtigkeiten überdies besonders schwerwiegende, auch von Amts wegen wahrzunehmende Verfahrensverstöße sind (Fasching aaO Rz 1753).

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist richtig (§ 48 ASGG). Soweit der Kläger Feststellungen zur Frage wünscht, ob er bei den von ihm während der letzten 15 Jahre ausgeübten Berufstätigkeiten regelmäßig auch Waren habe ausliefern müssen, trägt er der schon vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl zuletzt SSV-NF 3/130 mwN) nicht Rechnung, wonach es hierauf nicht ankommt. Daß das Ausliefern von Waren mit den Berufstätigkeiten des Klägers in den Branchen, in denen er tätig war, nicht typischerweise so verbunden ist, daß sie nur in dieser Form auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind, haben die Vorinstanzen - für den Obersten Gerichtshof bindend - festgestellt. Soweit sich der Kläger dagegen und gegen die Annahme der Vorinstanzen wendet, daß er seine bisherige Berufstätigkeit in der auf dem Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Form weiterhin ausüben kann, geht er nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus bzw bekämpft diese; dies ist aber im Revisionsverfahren nicht zulässig. Zu Recht haben die Vorinstanzen Feststellungen zur Frage unterlassen, ob er noch Auto fahren könne, weil das Verfahren keinerlei Anhaltspunkte dafür gebracht hat, daß ihm dies nicht mehr möglich sei.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/19 uva).

Anmerkung

E27820

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00275.91.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19911112_OGH0002_010OBS00275_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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