TE OGH 1991/11/12 10ObS272/91

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Veröffentlicht am 12.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely (Arbeitgeber) und Reinhard Horner (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl Z*****, vertreten durch Dr.Stefan Stingl, Rechtsanwalt in Amstetten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter (Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. April 1991, GZ 31 Rs 52/91-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 5.Oktober 1990, GZ 33 Cgs 26/89-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 23.11.1988 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 3.6.1988 auf Invaliditätspension mangels Invalidität ab.

Die auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß ab Anfallstag gerichtete rechtzeitige Klage stützt sich darauf, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen weder seiner bisherigen, angeblich angelernten Tätigkeit als Fleischer, noch einer anderen geregelten Tätigkeit nachgehen könne.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage, weil der während der letzten 15 Jahre vor dem Antrag als Maschinist und Chauffeur tätig gewesene Kläger diese, aber auch andere Beschäftigungen ausüben könne.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Nach seinen Feststellungen kann der (am 17.11.1943 geborene) Kläger alle leichten Arbeiten im Stehen, Sitzen und Gehen verrichten, wobei er die Position selbst bestimmen können soll. Zu vermeiden sind unergonomische Belastungen der Wirbelsäule, wie Knien, Hocken, Treppen- und Leiternsteigen, Arbeiten an rasch laufenden Maschinen und exponierten Stellen, unter Lärmbelastung und Arbeiten, die gutes Hörvermögen oder einwandfreies Stereosehen erfordern. Die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes ist nicht eingeschränkt.

Der Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er hat in einem Betrieb, der sich mit der industriellen Fertigung von Wurstwaren beschäftigt, sämtliche Arbeitsplätze durchlaufen. Weil das Fleisch vom Schlachthof bereits zerteilt geliefert wird, muß es im Betrieb lediglich für die Weiterverarbeitung, nicht aber für einen Weiterverkauf weiterzerlegt werden. Im Betrieb gibt es Arbeitsplätze für die Anlieferung des Fleisches, dessen Zerteilung, die Arbeit am Cutter, das Füllen der Därme, das Selchen und das Verpacken. Beim Beschicken des Cutters sind auch die Zusammenstellung der Fleischsorten und die Beachtung der vorgegebenen Rezepturen notwendig. Für jeden dieser Arbeitsplätze ist eine Anlernzeit von drei bis sechs Monaten anzunehmen. Auch gelernte Fleischhauer müssen auf dem speziellen Arbeitsplatz angelernt werden, weil sich der Maschinenpark von dem eines Gewerbebetriebes unterscheidet.

Zum Berufsbild des Fleischhauers gehören neben der Wursterzeugung auch das Schlachten bzw Stechen und das verkaufsfertige Zerteilen und Aufbereiten des Fleisches, welche Arbeiten vom Kläger nicht durchgeführt wurden.

Mit der festgestellten Arbeitsfähigkeit kann der Kläger zB als Werkzeugausgeber arbeiten.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes war der Kläger nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Berufen tätig, weshalb seine Invalidität nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen und zu verneinen sei.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Die - in der Revision allein strittige - Frage, ob der Kläger überwiegend in einem angelernten Beruf tätig war, verneinte das Berufungsgericht mit der Begründung, daß der Kläger lediglich mit der Herstellung von Wurstwaren befaßt gewesen sei. Dabei handle es sich nur um einen Teilbereich des viel umfangreicheren Berufsbildes eines Fleischers. Ein angelernter Beruf iS des § 255 Abs 2 ASVG liege jedoch nicht vor, wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten des Versicherten nur ein Teilgebiet eines Tätigkeitsbereiches umfaßten, der von gelernten Arbeitern ganz allgemein in einem viel weiteren Umfang beherrscht werde. Die Invalidität des Klägers sei daher nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen und zu verneinen, weil er noch auf die Tätigkeit eines Werkzeugausgebers verwiesen werden könne.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen "wesentlicher Verfahrensmängel" und unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, die Urteile der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben.

Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Als "wesentlicher Verfahrensmangel" wird zu Unrecht das Fehlen näherer Feststellungen über Art und Weise der Fleischzerteilung beim letzten Dienstgeber gerügt. Es sei davon auszugehen, daß auch in diesem Betrieb, bei dem es sich um einen Industriebetrieb zur Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren handle, die für den Einzelverkauf durch Zwischenhändler (ohne weitere Bearbeitung) bestimmt seien, das Zerteilen des Fleisches nach dem in Fleischerbetrieben üblichen Modus stattfinde. Deshalb habe der Kläger auch die für das Zerteilen und Zubereiten verkaufsfertigen Fleisches erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben.

Bei diesen inhaltlich dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache zuzuordnenden Ausführungen geht der Revisionswerber unzulässsigerweise nicht von den zu beurteilenden Feststellungen aus, nach denen er in einen nur mit der industriellen Fertigung von Wurstwaren befaßten Betrieb beschäftigt war, dem das (nur zur Wursterzeugung bestimmte) Fleisch vom Schlachthof bereits zerteilt geliefert wurde, so daß es im Betrieb lediglich in grobe Stücke für den Cutter, in dem das Brät hergestellt wird, also lediglich für die Wursterzeugung, nicht aber für den Weiterverkauf in verkaufsfertigen Fleischportionen weiterzerlegt werden mußte. Deshalb wurde nach den ausdrücklichen Feststellungen vom Kläger weder das Schlachten und Stechen, noch das verkaufsfertige Zubereiten und die Zerlegung von Fleisch vorgenommen, was im heutigen Geschäftsleben neben der Erzeugung von Wurstwaren als wesentlicher Bestandteil des Fleischerberufes angesehen wird.

Mit seinen diesbezüglichen Ausführungen versucht der Revisionswerber auch einen wegen der abschließenden Aufzählung der Revisionsgründe im § 503 ZPO unzulässigen Angriff auf die Entscheidungsgrundlagen des Berufungsgerichtes.

Die mit der stRsp des erkennenden Senates zum angelernten Beruf (zB SSV-NF 1/48, 2/66, 3/35, 55, 70, 122, 4/80, 111, 158) übereinstimmende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist richtig (§ 48 ASGG).

Der Revisionswerber verkennt, daß sich die qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten eines gelernten Fleischers auf den Einkauf von Schlachtvieh, das Schlachten und Zerlegen, die Zubereitung von verkaufsfertigem Fleisch, die Herstellung von Wurst- und Pöckelwaren und den Verkauf von Fleisch- und Wurstwaren beziehen (so zB auch Berufslexikon 1 Lehrberufe, Fleischer/Fleischerin 100), daß seine Tätigkeit in der Wurstfabrik aber nur Kenntnisse oder Fähigkeiten in der (industriellen) Herstellung von Wurstwaren erforderte, also nur auf einem von mehreren wesentlichen Teilgebieten des Fleischerberufes. Deshalb kann keine Rede davon sein, daß die von ihm auf dem erwähnten Teilgebiet erworbenen Kenntnisse oder Fähigkeiten jenen gleichzuhalten wären, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des genannten Lehrberufes in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppen) unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen Einschulungszeit verlangt werden. Daß auch gelernte oder angelernte Fleischer auf dem konkreten Arbeitsplatz nicht immer auf allen Teilgebieten ihres Berufes eingesetzt werden, sondern - insbesondere in der fleischverarbeitenden Industrie - oft nur auf einem Teilgebiet, zB beim Schlachten und Zerlegen oder nur in der Wursterzeugung, hat mit dem Erwerb des Berufsschutzes nichts zu tun, sondern könnte nur einen bereits erworbenen Berufsschutz erhalten.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/19, 2/26, 27 uva).

Anmerkung

E26919

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00272.91.1112.000

Dokumentnummer

JJT_19911112_OGH0002_010OBS00272_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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