TE OGH 1991/11/14 7Ob611/91

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Veröffentlicht am 14.11.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Emanuel R*****, geboren am 4.Juni 1978, und der mj. Sophie R*****, geboren am 27.April 1983, beide vertreten durch Dr. Thomas Mondl, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems/D. als Rekursgerichtes vom 26.August 1991, GZ 2 R 142/91-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems/D. vom 29.April 1991, GZ P 35/90-18, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird in seinem aufhebenden Teil dahin abgeändert, daß insoweit der Beschluß des Erstgerichtes bestätigt wird.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bestimmte den vom Vater ab 1.5.1990 monatlich zu leistenden Unterhalt für den mj. Emanuel mit S 6.500 und für die mj. Sophie mit S 5.500 und wies das Mehrbegehren von je S 2.500 (rechtskräftig) ab.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes bezieht der Vater ein monatliches Nettoeinkommen von S 40.034. Er ist für seine Ehefrau, die Mutter der Minderjährigen, und für ein uneheliches Kind sorgepflichtig. Für letzteres hat er einen monatlichen Unterhalt von S 3.000 zu zahlen.

Rechtlich war das Erstgericht der Auffassung, daß sich die beiden Minderjährigen nicht mit dem Regelbedarf begnügen müßten, da der Vater ein überdurchschnittliches Einkommen beziehe. Unter Berücksichtigung der sonstigen Sorgepflichten des Vaters sei der zugesprochene Betrag nach den Bemessungskriterien des § 140 ABGB angemessen. Die vom Vater monatlich zu zahlende Leibrente von S 29.000 könne den Unterhalt der Kinder nicht schmälern. Die Leibrentenverpflichtung habe der Vater nach seinem eigenen Vorbringen im Erbübereinkommen nach seiner im Jahre 1983 verstorbenen Mutter übernommen und dafür das Alleineigentum an der zum Nachlaß gehörenden Liegenschaft mit Haus in Linz erhalten. Diese Liegenschaft habe er im Jahre 1988 um S 6 Mill. veräußert und einen Teil des Verkaufserlöses der GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer er ist, gegen eine Verzinsung von 7 % als Darlehen zur Verfügung gestellt. Die Veräußerung der Liegenschaft und die Verwendung eines Teiles des Verkaufserlöses zur Darlehensgewährung ändere nichts daran, daß die Leibrentenverpflichtung zur Vermögensbildung eingegangen worden sei. Schulden zur Vermögensbildung seien aber keine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Vaters im Umfang der Anfechtung einer Unterhaltsbemessung von S 3.500 monatlich je Kind zurück, hob im übrigen jedoch den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht im Umfang der Aufhebung eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu treffende Entscheidung auf. Es sprach aus, daß im Umfang der Aufhebung der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Nach der Auffassung des Rekursgerichtes seien Leibrentenzahlungen dann und insoweit eine Abzugspost, als ihnen ein ertragsbringender Erwerb gegenüberstehe. Dies sei vornehmlich dann der Fall, wenn jemand ein Unternehmen gegen Leibrente als Erwerbsquelle und Grundlage der Unterhaltsleistungen erwerbe. Ein solcher Fall liege zwar hier nicht vor, der Vater habe jedoch vorgebracht, einen Teil des Verkaufserlöses der gegen Leibrente erworbenen Liegenschaft der GmbH als Darlehen zur Verfügung gestellt zu haben. Damit habe sich aber der Unterhaltsschuldner eine weitere Einkommensquelle eröffnet. Die Leibrentenzahlungen seien insoweit abzugsfähig, als die Darlehensgewährung aus dem Verkaufserlös des gegen Leibrente erworbenen Vermögens infolge des Zinsengewinnes auch den Kindern im Rahmen der Unterhaltsbemessungsgrundlage zugutekomme. Solange der Unterhaltsschuldner aus der Darlehensgewährung an die Gesellschaft einen höheren Zinsenertrag als die Leibrente erziele, profitierten die Kinder, weil bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage dann nicht nur das Geschäftsführergehalt, sondern auch die Differenz zwischen Leibrentenzahlung und Zinsenertrag zur Verfügung stehe. In diesem Fall erscheine es gerechtfertigt, die Leibrente in voller Höhe als Abzugspost anzuerkennen; desgleichen in jenem Fall, in dem der Zinsenertrag gerade die Höhe der Leibrente erreiche und damit gleichsam "neutral" sei. Sei der Zinsenertrag geringer als die Leibrente, könne die Leibrente nicht in voller Höhe als Abzugspost dienen, vielmehr scheide in diesem Fall nur der Zinsenertrag aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage aus.

Der gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Minderjährigen ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die auch vom Obersten Gerichtshof gebilligte Rechtsansicht der Gerichte zweiter Instanz, daß Leibrentenzahlungen, soweit sie der Vermögensbildung dienen, keine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage sind (EFSlg. 56.378, 50.725), wird auch vom Rekursgericht nicht in Frage gestellt. Seine Auffassung, daß hier ein Abzug bei einem die Leibrente übersteigenden oder diese zumindest erreichenden Zinsenertrag geboten sei, weil der Unterhaltsschuldner das (zum Teil) gegen Leibrente erworbene Vermögen veräußert und den Erlös jedenfalls zum Teil fruchtbringend angelegt habe, kann nicht geteilt werden. Die Leibrentenverpflichtung des Unterhaltsschuldners wurde durch Erbübereinkommen nach seiner im Jahre 1983 verstorbenen Mutter begründet, zu deren Nachlaß auch eine Liegenschaft mit Haus von nicht unbeträchtlichem Wert gehörte. Soweit der Unterhaltsschuldner im Erbweg Vermögen erwarb, unterlagen jedenfalls die Erträgnisse dieses Vermögens schon bisher der Einbeziehung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (Pichler in Rummel2 Rz 4 zu § 140 mwN). Wenn der Unterhaltsschuldner anläßlich der Erbteilung die Gelegenheit wahrnahm, Alleineigentum an der zum Nachlaß gehörenden Liegenschaft gegen Bezahlung einer Leibrente zu erwerben, ändert dies nichts daran, daß es sich bei der Leibrente um eine zur Vermögensbildung eingegangene Schuld handelte und daß die Erträgnisse der Liegenschaft als in die Bemessungsgrundlage einzubeziehendes Einkommen zu behandeln waren. Eine Ertragslosigkeit der Liegenschaft wurde nicht behauptet und ist auch nach dem eigenen Vorbringen des Unterhaltsschuldners (insbesondere ON 21) nicht anzunehmen. Die nachträgliche Veräußerung der Liegenschaft stellt nur eine Umschichtung im Vermögen dar und ändert nichts daran, daß die Leibrentenverpflichtung der Vermögensbildung und nicht der Schaffung einer Existenzgrundlage diente. Ob und inwieweit durch diese Umschichtung eine Erhöhung oder Verminderung des Vermögensertrages eingetreten ist, ist für die Frage der Abzugsfähigkeit der Leibrentenschuld bedeutungslos. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes bedarf es daher keiner Verfahrensergänzung in erster Instanz.

Die Höhe des vom Erstgericht ermittelten monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltsschuldners wurde von diesem nicht bekämpft und die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan. Auf der Basis des ermittelten Einkommens entspricht aber die Unterhaltsbemessung des Erstgerichtes der auch vom Obersten Gerichtshof gebilligten Praxis der Gerichte zweiter Instanz (RZ 1991/26; Schwimann-Schlemmer, ABGB, Bd. I § 140 Rz 13 f).

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

Anmerkung

E26872

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00611.91.1114.000

Dokumentnummer

JJT_19911114_OGH0002_0070OB00611_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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