TE OGH 1991/11/14 7Ob24/91

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Veröffentlicht am 14.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stanislav D*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Löhnert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*****, VersicherungsAG, ***** vertreten durch Dr. Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 243.156,-- s.A. (Revisionsinteresse S 241.762,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. April 1991, GZ 3 R 2/91-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 21. September 1990, GZ 31 Cg 402/90-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.882,80 (darin S 1.813,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 4.7.1987 bei einem Unfall verstorbene Vater des Klägers Zivko D***** hatte bei der beklagten Partei eine Unfallversicherung abgeschlossen. Danach sollte dem Kläger im Ablebensfall die Versicherungssumme von S 221.900,-- zukommen. Der Kläger bevollmächtigte am 30.9.1987 Aleksa D***** zur Realisierung aller Geldbeträge, die der Kläger aufgrund des Todes seines Vaters zu erhalten habe. Aleksa D***** erhob im Mai oder Juni 1988 namens des Klägers gegenüber der beklagten Partei Ansprüche aus dem zitierten Versicherungsvertrag. Mit Schreiben vom 23.6.1988 teilte ihm die beklagte Partei mit, daß zufolge Prämienverzuges kein Anspruch auf Versicherungsleistung bestehe.

Wörtlich wurde in diesem Schreiben festgehalten: "Abschließend verweisen wir auf Artikel 18 der AUVB, der besagt: Wenn der Anspruch auf Leistung nicht innerhalb einer Frist von 6 Monaten gerichtlich geltend gemacht wird, nachdem der Versicherer ihn unter Angabe der mit Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge dem Versicherungsnehmer oder Bezugsberechtigten gegenüber schriftlich abgelehnt hat, ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei". Dieser von Aleksa D***** empfangene Brief ging dem Kläger vor dem 17.10.1988 zu. Der Kläger machte sein Begehren auf Zahlung der Versicherungssumme von S 221.900,-- und S 19.862,-- an Überführungskosten frühestens am 27.7.1989 beim unzuständigen Arbeits- und Sozialgericht Wien geltend.

Mit seiner am 17.4.1990 beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Bezahlung der Versicherungssumme von S 221.900,--, der Überführungskosten des Leichnams seines Vaters von Österreich nach Jugoslawien von S 19.862,-- sowie die Refundierung von S 1.394,-- an zu Unrecht bezahlten Stornoprämien.

Die beklagte Versicherung beantragte die Klagsabweisung. Der Versicherungsnehmer Zivko D***** habe die Folgeprämien für die Zeit vom 1.7.1987 bis 1.8.1988 trotz qualifizierter Mahnung nicht bezahlt. Der Kläger habe die ihm im Schreiben vom 23.6.1988 nach § 12 Abs. 3 VersVG gesetzte Halbjahresfrist versäumt.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil den Betrag von S 241.762,-- s. A. mit der Begründung ab, daß der Kläger die ihm mit Schreiben vom 23.6.1988 gesetzte Halbjahresfrist nach § 12 Abs. 3 VersVG versäumt habe. Die von der beklagten Partei gewählte Formulierung des Ablehnungsschreibens entspreche dem Gesetz.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Es übernahm die eingangs wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichtes. Die wörtliche Wiedergabe der allgemein verbindlichen Ausschlußklausel der AUVB im Ablehnungsschreiben mache ausreichend deutlich klar, daß nur eine Klagserhebung innerhalb der Halbjahresfrist den Anspruch des Berechtigten wahre. Es schade nicht, daß die Ablehnung an den bevollmächtigten Vertreter des Klägers und dies nur in deutscher Sprache gerichtet gewesen sei, weil der Versicherer damit rechnen könne, daß sich der Anspruchsberechtigte auf geeignete Art Kenntnis vom Inhalt des Schreibens verschaffe. Schon die am 27.7.1989 beim Arbeits- und Sozialgerichtshof Wien erhobene Klage sei daher verspätet gewesen.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Erstmals in der Revision behauptet der Kläger, entgegen dem Inhalt des Protokolls über die Verhandlung vom 29.8.1990 nicht zugestanden zu haben, daß ihm das Ablehnungsschreiben der beklagten Partei vom 23.6.1988 vor dem 17.10.1988 zugegangen sei. Zur Stützung seiner Behauptung legt er die ihm zugegangene Protokollabschrift vor, die gegenüber dem Original an der strittigen Stelle unverbessert ist. Der Widerspruch zwischen der ihm zugegangenen Protokollabschrift und dem Originalprotokoll sei ihm erst nach der Berufungsverhandlung aufgefallen. Der Kläger habe in der Verhandlung vom 29.8.1990 lediglich zugestanden, daß das Ablehnungsschreiben der beklagten Partei seinem dazu allerdings nicht bevollmächtigten Vertreter Aleksa D***** vor dem 17.10.1988 zugekommen ist.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 215 Abs. 1 ZPO liefert das den Prozeßvorschriften entsprechend verfaßte Protokoll, soferne kein Widerspruch vorliegt, vollen Beweis über den Verlauf und den Inhalt der Verhandlung. Ein Gegenbeweis gegen die Richtigkeit des Verhandlungsprotokolles kann aber trotz Unterlassung des Widerspruches geführt werden, doch trifft die Beweislast jene Partei, die die Unrichtigkeit behauptet (MGA ZPO14 § 215/1). Die klagende Partei hat weder einen Widerspruch nach § 212 Abs. 5 iVm § 212 a Abs. 2 ZPO innerhalb von 3 Tagen ab Zustellung der Protokollabschrift erhoben, noch im erstinstanzlichen Verfahren die Unrichtigkeit des Verhandlungsprotokolles behauptet. Eine angebliche Unrichtigkeit eines Protokolles kann im Revisionsverfahren nicht mehr aufgeworfen werden, da diese Frage zur irrevisiblen Tatfrage zählt (vgl. MGA ZPO14 § 212/7). Das vom Kläger in der Verhandlung vom 29.8.1990 abgegebene Zugeständnis stand in Übereinstimmung mit den Verhandlungs- und Beweisergebnissen (MGA ZPO14 § 266/3 f) und hätte vom Kläger nur bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung widerrufen werden können (MGA ZPO14 § 266/41). Ein Verstoß gegen § 266 ZPO könnte ebenfalls im Revisionsverfahren nicht mehr gerügt werden (VersRSch 1991, 204).

Nach Lehre und Rechtsprechung muß der Empfänger eines Ablehnungsschreibens in klarer und unmißverständlicher Weise darauf hingewiesen werden, daß der Versicherer durch bloßen Zeitablauf von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch nicht vorher gerichtlich geltend gemacht wird, ansonsten die Ablehnung und Fristsetzung ohne die Wirkung des § 12 Abs. 3 VersVG ist. Dabei braucht der Wortlaut der zitierten Bestimmung nicht verwendet zu werden. Eine selbständige Formulierung reicht aus, wenn mit ihr zum Ausdruck kommt, daß der Versicherungsnehmer seinen Anspruch kraft Gesetzes verliert. Die Wiedergabe von allgemeinen Versicherungsbedingungen, die den Anforderungen von § 12 Abs. 3 VersVG entsprechen, genügt (vgl. Prölss-Martin24, 140 f mwN). Es bedarf keiner Belehrung über den Beginn der Frist, über das für eine Klagsführung zuständige Gericht und keine Angabe der für die Abwendung der Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 VersVG notwendigen Schritte. Nach herrschender Rechtsprechung genügt auch bei Ausländern die Abfassung des Ablehnungsschreibens in deutscher Sprache (VersR 1981, 95). Es ist auch nicht zu untersuchen, ob der Adressat des Schreibens die Rechtslage gekannt hat, weil es sich bei der Vorschrift des § 12 Abs. 3 VersVG um eine Formvorschrift handelt und, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, der Versicherer damit rechnen kann, daß sich der Anspruchsberechtigte auf geeignete Art Kenntnis vom Schreiben verschaffen wird. Die von der beklagten Partei im vorliegenden Fall verwendete Formulierung läßt klar und unzweideutig erkennen, daß der vom Kläger geltend gemachte Versicherungsanspruch untergeht, wenn er diesen nicht innerhalb der Halbjahresfrist gerichtlich geltend macht. Zufolge Fristversäumnis haben daher die Vorinstanzen zu Recht das Teilbegehren des Klägers abgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs. 1 und § 50 ZPO.

Anmerkung

E26869

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00024.91.1114.000

Dokumentnummer

JJT_19911114_OGH0002_0070OB00024_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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