TE OGH 1991/11/19 12Os120/91

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Veröffentlicht am 19.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.November 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Aigner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Philipp W***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 13.August 1991, GZ 15 Vr 115/91-23, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Resch zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der ***** geborene österreichische Staatsbürger Philipp W***** wurde (A/) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG und (B/) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SuchtgiftG schuldig erkannt. Darnach hat er von Ende 1989 bis Februar 1991 in Amsterdam, Alzey, Nürnberg, Dortmund, Heidelberg, Wien, Krems an der Donau, Zöbing und an anderen Orten in den Niederlanden, der Bundesrepublik Deutschland und Österreich vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider

A/ Suchtgifte, deren Menge mehr als (richtig: zumindest) das Fünfundzwanzigfache einer großen Menge ausmacht, und zwar mindestens 9 kg Cannabisharz (mit einem Gehalt an Tetrahydrocannabinol von mehr als 450 Gramm), ca. 2.000 Portionen (Trips) LSD (etwa 0,2 Gramm Reinsubstanz), etwa 1,5 kg Amphetamin (Reingehalt rund 750 Gramm), mindestens 100 Gramm Heroin (Reingehalt an Diacetylmorphin mindestens 50 Gramm) und etwa 70 Gramm Kokain (mit zumindest 40 Gramm Reinsubstanz) aus den Niederlanden ausgeführt, in die Bundesrepublik Deutschland und in geringem Ausmaß auch nach Österreich eingeführt und in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gesetzt, und

B/ darüber hinaus Suchtgifte, nämlich 2 kg Cannabisharz, 200 Trips LSD, 400 Gramm Amphetamin, mindestens 100 Gramm Heroin und einige Gramm Kokain, erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch A/ und im Strafausspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies im Strafausspruch auch mit Berufung.

Zufolge seiner Mängelrüge (Z 5) erblickt der Beschwerdeführer in dem bloßen Hinweis auf das Gutachten des Beirates zur Bekämpfung des Mißbrauches von Alkohol und anderen Suchtmitteln vom 10. Mai 1985 eine unzureichende Begründung der Feststellung, daß seine - auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhenden (S 160, 161/III) - Tathandlungen zum Schuldspruch A/ mit Beziehung auf eine insgesamt "übergroße" Menge (§ 12 Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG) begangen worden seien. Dem Beschwerdestandpunkt zuwider betrifft diese Annahme jedoch nicht eine (nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO) entscheidende Tatsache, sondern stellt sich als Beantwortung einer Rechtsfrage dar, für deren Lösung das erwähnte Gutachten herangezogen werden konnte, ohne daß es dessen (vom Nichtigkeitswerber vermißter) Verlesung in der Hauptverhandlung bedurft hätte (EvBl. 1987/87). Daß der Beschwerdeintention einer Problematisierung der Tatsubsumtion (auch) unter § 12 Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG vorweg jede Grundlage entzogen ist, ergibt sich schon aus dem zu A/ tatverfangenen Reingehalt an Diacetylmorphin und Amphetamin, welcher das Fünfundzwanzigfache der jeweils entscheidenden Grenzmenge (1,5 Gramm Heroin - EvBl. 1988/3, 131, 147; 10 Gramm Amphetamin laut Empfehlung des oben erwähnten Gutachtens) deutlich übersteigt.

Der Einwand gleichfalls unzureichender Begründung der Feststellungen über den Wirkstoff-(Reinsubstanz-)Gehalt der im Schuldspruch A/ angeführten Suchtgiftmengen übergeht den Urteilshinweis auf die (im wesentlichen) geständige Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (S 147 ff/III). Abgesehen davon, daß der bereits im Anklagetenor (ausdrücklich) konkretisierte Reinheitsgrad der einzelnen Suchtgifte vom Angeklagten in keinem Punkt in Frage gestellt wurde, hat er durch seine Angaben über den Durchschnittsreingehalt des von ihm (wenn auch nach seiner Darstellung nur für den Eigenbedarf) erworbenen Heroins (von ungefähr 50 %) und Kokains (von mindestens 40 Gramm) sogar ausdrücklich bestätigt (S 152/III).

Die Beschwerde ist aber auch nicht im Recht, soweit sie eine Überschreitung der Strafbefugnis im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 11 erster Fall StPO darin erblickt, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe die mit vier Jahren limitierte Obergrenze des Strafsatzes nach § 29 Abs. 1 des deutschen Betäubungsmittelgesetzes übersteigt und insoweit nicht auf das Ersuchen des Bundesministeriums der Justiz von Rheinland-Pfalz um Übernahme der Verfolgung (ON 12, S 91/I) Bedacht genommen worden sei. Mit der teilweisen Begehung der - auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhenden - Urteilstat A/ im Inland ist jedoch (der auch in der Anklageschrift vertretenen Auffassung zuwider) ihre Beurteilung als Auslandsstraftat und damit der darauf beschränkte Beschwerdeeinwand vorweg obsolet. Nach § 67 Abs. 2 StGB ist nämlich eine mit Strafe bedrohte Handlung unter anderem an jenem Ort begangen, an welchem der Täter gehandelt hat. Liegt auch nur einer dieser Tatorte im Inland, dann gelten gemäß § 62 StGB für die Tat die österreichischen Strafgesetze (EvBl. 1979/144). Im übrigen wäre selbst im Fall einer auf das Ausland beschränkten Verübung des urteilsgegenständlichen Suchtgiftverbrechens die Bestrafung nach den österreichischen Strafgesetzen unabhängig von jenen des Tatortes vorzunehmen, weil eine nach § 12 des Suchtgiftgesetzes 1951 strafbare Handlung vorliegt, deretwegen der Täter als österreichischer Staatsbürger (§ 12 Abs. 1 ARHG) nicht ausgeliefert werden kann (§ 64 Abs. 1 Z 4 StGB idF des StRÄG 1987, BGBl. 605). Lediglich vollständigkeitshalber sei hinzugefügt, daß die behauptete generelle Begrenzung der Strafbefugnis österreichischer Gerichte im Falle der Übernahme der Strafverfolgung weder aus § 60 ARHG, noch aus Art. 21 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.April 1959, BGBl. 1969/41, noch aus den hierauf Bezug nehmenden Artikeln XIV und XV des Vertrages vom 31.Jänner 1972 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die Ergänzung des erwähnten Übereinkommens und die Erleichterung seiner Anwendung, BGBl. 1977/36, hervorgeht und lediglich die - aus den dargelegten Erwägungen hier nicht aktuelle - Bestimmung des § 65 Abs. 2 (iVm Abs. 1) StGB für die Ahndung der nicht in den §§ 63 und 64 StGB bezeichneten Auslandsstraftaten vorsieht, daß die Strafe zwar nach den österreichischen Strafgesetzen, jedoch so zu bestimmen ist, daß der Täter in der Gesamtauswirkung nicht ungünstiger gestellt ist, als nach dem Gesetz des Tatorts.

Schließlich wird eine nach § 281 Abs. 1 Z 11 zweiter Fall StPO offenbar unrichtige Beurteilung für die Strafbemessung maßgebender entscheidender Tatsachen nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht, wenn - wie hier mit dem Einwand mangelnder Berücksichtigung der Drogenabhängigkeit des Angeklagten, seines Entwöhnungswillens und seines Entschlusses, sich den Behörden zu stellen - die bloße Nichtberücksichtigung eines bestimmten Umstandes als Strafbemessungsgrund behauptet wird. Stellt sich doch ein derartiges Vorbringen der Sache nach ausschließlich als Berufungsargument dar (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 6 zu § 281 Z 11).

Die nur zum Teil gesetzmäßig ausgeführte, insgesamt nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28, 12 Abs. 3 SuchtgiftG fünf Jahre Freiheitsstrafe, wobei es die hohen Mengen bei den verschiedenen Suchtgiften, den längeren Tatzeitraum, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die zwei einschlägigen Vorstrafen und den Rückfall während der Probezeit als erschwerend, das Geständnis und die eigene Suchtgiftabhängigkeit des Angeklagten hingegen als mildernd wertete.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafreduktion im wesentlichen mit der Begründung an, die Tathandlungen seien aus der Sicht seiner Drogenabhängigkeit bei fehlenden Geldmitteln und im Hinblick auf seine Selbststellung weniger schwerwiegend als vom Erstgericht angenommen.

Der Berufung kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu.

Der Angeklagte hat trotz einschlägiger (teils auch mit Hafterfahrungen verbundener) Vorverurteilungen zuletzt seine gesamte Lebensführung auf Suchtgiftdelinquenz schwersten Grades ausgerichtet und diese nicht - wie behauptet - freiwillig durch Selbststellung, vielmehr (gezwungenermaßen) erst beendet, als er nach einer Anzeige wegen (entzugsbedingten) Randalierens auf Grund eines internationalen Haftbefehls festgenommen wurde (S 2 und 5/I). Bei dem unüberblickbaren Ausmaß der von den hier abgeurteilten Taten ausgegangenen gesundheitlichen Fremdschädigung fällt die eigene Suchtgiftabhängigkeit des Angeklagten als schuldmildernde Komponente nicht entscheidend ins Gewicht. Weder von einer Tatbegehung in heftiger Gemütsbewegung, noch einer solchen aus verlockender Gelegenheit oder in drückender Notlage kann hier ferner gesprochen werden oder gar davon, daß Umstände vorlagen, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahegekommen wären. Auch wäre es verfehlt, den Milderungsgrund des § 34 Z 14 StGB schon darin zu erblicken, daß der Angeklagte - ohne Bezugnahme auf eine konkrete Tat - in den illegalen Suchtgifthandel schlechthin hätte tiefer verstrickt sein können, als es tatsächlich der Fall war: Denn, wer könnte nicht von sich behaupten, er hätte über die inkriminierten Taten hinaus, hätte er nur gewollt, noch weitere begehen können ! Mag schließlich auch der Rückfall während der mit der letzten Vorverurteilung bestimmten Probezeit allein im Rahmen der Widerrufsproblematik, nicht aber als gesonderter Erschwerungsgrund zu berücksichtigen sein, so erweist sich die vom Erstgericht ohnedies im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren ausgesprochene Freiheitsstrafe nach Lage des Falles weder aus spezial- noch aus generalpräventiver Sicht der angestrebten Reduktion als zugänglich.

Anmerkung

E27856

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0120OS00120.91.1119.000

Dokumentnummer

JJT_19911119_OGH0002_0120OS00120_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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