TE OGH 1991/11/20 1Ob580/91

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Veröffentlicht am 20.11.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann W*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Johanna P*****, 2.) Maria R*****, beide vertreten durch Dr. Heinrich Egger-Peitler, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Entfernung (Streitwert S 35.000,--) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 22. April 1991, GZ 3 R 248/90-51, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28. Mai 1990, GZ 29 Cg 22/90-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.985,34 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 664,22 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes 128, die Beklagten sind Miteigentümer des benachbarten Grundstückes 129 je KG S*****. Zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstückes 129 ist die Dienstbarkeit des Fahrens und Gehens entlang der gesamten westlichen Grenze des Grundstückes 128 einverleibt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde S***** vom 26.6.1987, Zl. 6-1310/1987-61, wurde den Beklagten die Bewilligung für eine mit Eingabe vom 11.6.1987 beantragte geänderte Ausführung des Zubaues zum Wohn- und Geschäftshaus auf dem Grundstück 129 KG S***** unter Auflagen erteilt. Bei diesem Bauvorhaben handelt es sich im wesentlichen um die Aufstockung einer auf Grund eines Baubewilligungsbescheides aus dem Jahre 1966 errichteten erdgeschoßigen Baulichkeit um zwei Obergeschoße. Die Beklagten ließen den Bau errichten. Die Dachtraufe der Baulichkeit samt Querrinne ragt aber ca. 60 cm in den Luftraum des mit der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens belasteten Grundstücksteiles des Grundstückes 128.

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Entfernung des in den Luftraum des Grundstückes 128 hineinragenden Daches des Neubaues samt Querrinne. Den Wert des Streitgegenstandes gab er mit S 35.000 an. Der Kläger, der nach Ausschöpfung des Instanzenzuges den Baubescheid beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft habe - eine Entscheidung sei noch nicht ergangen - habe schon während des Baues die Beklagte darauf aufmerksam gemacht, daß das Dach in den Luftraum seines Grundstückes rage und er die Verletzung eines Eigentumsrechtes nicht dulden werde. Durch die Bauführung würden auch legitime Sicherheitsinteressen des Klägers und der Bewohner des Hauses verletzt. Aus dem Baubescheid ergebe sich kein Recht der Beklagten, Eigentumsrechtes des Klägers zu beeinträchtigen.

Die Beklagten wendeten ein, sie seien auf Grund der rechtskräftigen Baubewilligung zur Ausführung des Baues berechtigt. Der Kläger werde durch das Hineinragen der Dachtraufe in keiner Weise beeinträchtigt, es handle sich um den Luftraum im Bereich der Trasse des Dienstbarkeitsweges.

Das Erstgericht entschied gemäß dem Klagebegehren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige, die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Es werde in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, daß die Verteidigung der Freiheit des Eigentums schon prinzipiell keine Schikane bedeute, insbesondere auch dann nicht, wenn es um die Abwehr der unberechtigten Inanspruchnahme fremden Luftraumes gehe. Ohne Rücksicht auf die dazu vom Kläger behaupteten Nachteile sei nicht von der Hand zu weisen, daß er zu einem späteren Zeitpunkt gezwungen sein könnte, den eigenen Luftraum etwa im Falle der Sanierungsbedürftigkeit seines Hauses zu nutzen und dabei durch das in den Luftraum ragende Dach des Nachbarhauses gehindert wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zwar entgegen den Ausführungen des Klägers in der Revisionsbeantwortung nicht schon deshalb unzulässig, weil der Kläger den Streitwert in der Klage mit S 35.000 angegeben hat und der Oberste Gerichtshof an die Bewertung des Entscheidungsgegentandes durch das Berufungsgericht nicht gebunden wäre. Es entspricht vielmehr ständiger Rechtsprechung, daß das Berufungsgericht grundsätzlich frei den Wert des Entscheidungsgegenstandes auch abweichend von der Bewertung durch den Kläger selbständig zu bestimmen hat und daß dieser Ausspruch, sofern nicht gegen gesetzliche Bewertungsgrundsätze verstoßend, auch für den Obersten Gerichtshof bindend ist (MietSlg. 39.777/53; SZ 59/198 je mwN ua, zuletzt 5 Ob 2/91; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1830). Die Revision ist aber deshalb unzulässig, weil keine Rechtsfrage vorliegt, der im Sinn des § 502 Abs. 1 ZPO erhebliche Bedeutung zukäme.

Soweit die Revisionswerber vermeinen, ihr Vorgehen sei durch den Baubewilligungsbescheid gedeckt und deshalb nicht rechtswidrig, genügt es, auf die Vorschrift des § 18 Abs. 4 Kärntner Bauordnung zu verweisen. Wenn selbst das Erheben von Einwendungen, deren Austragung dem Rechtsweg vorbehalten ist, auf die Entscheidung der Baubehörde keinen Einfluß hat, kann eine erteilte Baubewilligung als eine öffentlich-rechtliche Zulässigerklärung niemals privatrechtliche Einwendungen präjudizieren. Die Baubehörde ist nicht berufen, über Privatrechte zu entscheiden (Krzizek, System des österreichischen Baurechts II 125 ff; Mell-Schwimann, Grundriß des Baurechts 254; Hauer, Kärntner Baurecht 63).

Im übrigen entspricht es ständiger, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung des Höchstgerichtes (MietSlg. 30.060, SZ 49/132, SZ 34/49; 6 Ob 603/82, 3 Ob 7/90, 3 Ob 74/90; Petrasch in Rummel2, Rz 10 zu § 523 ABGB), daß die Wahrung des Eigentumsrechtes bei Inanspruchnahme von fremdem Grund und Boden, insbesondere auch bei der des Luftraumes, grundsätzlich schon deshalb nicht rechtsmißbräuchlich erfolgt, weil bei Gewährenlassen des Nachbarn eine Dienstbarkeit ersessen werden könnte (hier § 475 Abs. 1 Z 4 ABGB). In der Abwehr eines sonst eintretenden Rechtswerbes kann dann aber kein krasses Mißverhältnis bei Abwägung der Interessen (vgl. SZ 62/169 mwN) erblickt werden. Die Revision enthält keine Ausführungen, mit denen die Richtigkeit dieser Rechtsprechung in Zweifel gezogen würde.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E27982

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00580.91.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19911120_OGH0002_0010OB00580_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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