TE OGH 1991/12/3 4Ob117/91

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Veröffentlicht am 03.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Ulrich Polley und Dr.Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei G*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Hans Lehofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 19.September 1991, GZ 1 R 192/91-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 25.Juli 1991, GZ 10 Cg 205/91-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin (Verlegerin) der in K***** periodisch erscheinenden Inseratenzeitschrift "P*****". Die Beklagte ist Medieninhaberin (Verlegerin) der Inseratenzeitschrift "F*****", welche ua in einer speziellen Ausgabe für Kärnten und die Steiermark erscheint. In beiden Zeitschriften werden Privatanzeigen unentgeltlich veröffentlicht; beide Zeitschriften enthalten auch einen Teil, in dem der Kauf, der Tausch oder der Verkauf von Kraftfahrzeugen angeboten werden.

In den Ausgaben der Zeitschrift "F*****" vom 29.5.1991 (S 26), vom 5.6.1991 (S 27) und vom 8.6.1991 (S 35) veröffentlichte die Beklagte ein Eigeninserat folgenden Inhalts:

"Das umfassende Angebot für alle, die ein Fahrzeug kaufen oder verkaufen wollen! Heute mit sage und schreibe 2251 Kfz-Angeboten! Wo gibt's das noch?"

Tatsächlich enthielten diese Zeitungsausgaben (in der angegebenen Reihenfolge) nur 1764, 2016 sowie 2044 Kfz-Angebote.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, in der Zeitschrift "F*****", Ausgabe Kärnten und Steiermark, die Behauptung aufzustellen, daß eine bestimmte Anzahl von Kfz-Inseraten veröffentlicht werde, wenn tatsächlich nur eine geringere Anzahl solcher Inserate veröffentlicht wird. Mit dieser unrichtigen Zahlenangabe verstoße die Beklagte gegen das UWG.

Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. Die Anzahl tatsächlich veröffentlichter Kfz-Inserate sei nur geringfügig niedriger als die angekündigte Menge von Inseraten, so daß die Leser diesen Unterschied gar nicht bemerken würden. Im übrigen habe die beanstandete Werbeangabe auf den Wettbewerb der Streitteile keinerlei Einfluß.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die unrichtige Angabe über die in der Zeitschrift der Beklagten enthaltenen Kfz-Angebote könne auf den allfälligen Kaufentschluß eines Interessenten keinen wesentlichen Einfluß ausüben.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Beklagte nehme mit der Behauptung, ihre Zeitschrift enthalte 2251 Kfz-Angebote, und mit der im Anschluß daran gemachten Behauptung "wo gibt's das noch?" eine Spitzenstellung unter Inseratenzeitschriften auf dem Gebiet der Kfz-Angebote in Anspruch; sie mache dabei über den Umfang solcher Anzeigen unrichtige Angaben. Daß ihr die behauptete Spitzenstellung tatsächlich zukomme, habe die Beklagte nicht einmal behauptet. Diese unrichtigen Angaben seien geeignet, die Wertschätzung der Zeitschrift beim Käuferpublikum zu beeinflussen, so daß die Beklagte damit gegen § 2 UWG verstoße. Die Käufer von Anzeigenzeitschriften machten ihr Kaufinteresse auch vom Umfang des Anzeigenangebots abhängig.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig, weil die Entscheidung von den vom Rekursgericht behandelten Fragen der Alleinstellungswerbung gar nicht abhängt; er ist jedoch nicht berechtigt.

Es trifft zwar zu, daß die Beklagte mit den an die behauptete Anzahl der von ihr veröffentlichten Kfz-Angebote angefügten Worten "Wo gibt's das noch?" eine Spitzenstellung unter ihren Mitbewerbern in Ansehung des Umfanges solcher Anzeigen behauptet hat. Alleinstellungswerbung ist - im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten - nicht nur dann anzunehmen, wenn der Werbende behauptet, überhaupt keine Mitbewerber zu haben, sondern auch dann - und das ist der Hauptanwendungsfall -, wenn zum Ausdruck gebracht wird, daß sein Unternehmen, seine Waren oder seine Leistungen die der Mitbewerber beträchtlich überträfen, also eine Spitzenstellung behauptet wird (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 782 Rz 68 zu § 3 dUWG). Um die - in den Fällen solcher Alleinstellungen primär nach § 2 UWG zu beurteilende - Frage, ob die Werbung der Beklagten deshalb gegen § 2 UWG vestößt, weil die ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht (vgl dazu etwa ÖBl 1980, 7; ÖBl 1987, 47; ÖBl 1989, 45; ÖBl 1990, 113 und 158; MR 1991, 118 uva), geht es aber hier nicht, hat doch die Klägerin gar nicht behauptet, daß die Beklagte unter Inseratenzeitschriften auf dem Gebiet der Kfz-Angebote keine Spitzenstellung einnehme. Zu Unrecht hat daher das Rekursgericht der Beklagten zur Last gelegt, ihre tatsächliche Spitzenstellung weder behauptet noch bescheinigt zu haben. Im übrigen trifft auch bei Inanspruchnahme einer Spitzenstellung grundsätzlich den Kläger die Beweislast für die Unrichtigkeit der Werbeangaben des Beklagten. Eine Verschiebung dieser Beweislast ist nur dann zu rechtfertigen, wenn dem Kläger die Überprüfung der vom Beklagten behaupteten Tatsachen auf ihre Richtigkeit kaum möglich ist, für ihn also ganz besondere Beweisschwierigkeiten bestehen; in diesem Fall kann es - nach den Umständen des konkreten

Falles - gerechtfertigt sein, die Beweis- bzw Bescheinigungslast auf den Beklagten zu überwälzen (SZ 49/109; SZ 50/20 uva). Hat aber der Kläger die Unrichtigkeit der vom Beklagten in Anspruch genommenen Alleinstellung gar nicht behauptet, dann muß auch nicht bewiesen werden, ob der Beklagte tatsächlich eine Spitzenstellung innehat.

Im vorliegenden Fall ist nur zu prüfen, ob die Angaben der Beklagten in ihren Inseraten vom 29.5., 5.6. und 8.6.1991 objektiv unrichtig sind; das war aber hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Fall. Entgegen der Meinung der Beklagten kommt es nicht darauf an, daß zwischen der Anzahl der tatsächlich veröffentlichten Inserate und der behaupteten Menge solche Inserate nur eine - in Wahrheit gar nicht vorliegende - geringfügige Differenz besteht; auch der von der Beklagten ins Treffen geführte Umstand, daß die Zeitungsleser die Zahlenangaben über die in einer Zeitschrift enthaltenen Anzeigen regelmäßig nicht überprüfen würden, befreit die Beklagte nicht von der sie treffenden Wahrheitspflicht (s dazu Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 65; Baumbach-Hefermehl aaO 744 Rz 5 vor §§ 3 bis 8 dUWG). Die unrichtigen Angaben über die in einer Inseratenzeitung enthaltenen Kfz-Angebote betreffen aber auch eine - bei Inseratenzeitschriften sehr

wichtige - Eigenschaft ihrer Ware. Ob die Beklagte einen Verstoß gegen § 2 UWG zu veranworten hat, hängt daher nur noch davon ab, ob der durch die unrichtige Werbeangabe verursachte Irrtum wesentlich ist. Nach ständiger Rechtsprechung (ÖBl 1977, 92; ÖBl 1987, 18; ÖBl 1989, 141; ÖBl 1990, 162; RdW 1989, 192; WBl 1990, 310; MR 1990, 235 uva) muß der durch die Ankündigung hervorgerufene unrichtige Eindruck geeignet sein, den Entschluß der angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen; zwischen dem Umstand, daß die durch die Wettbewerbshandlung hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot zu befassen, muß also ein Zusammenhang bestehen. Gerade der unrichtige Eindruck muß die Kauflust eines nicht ganz unbeträchtlichen Teiles des angesprochenen Publikums irgendwie beeinflussen. Ein solcher Zusammenhang ist hier trotz des Umstandes, daß die unrichtige Werbeangabe über die Anzahl der in einer Zeitungsnummer enthaltenen Kfz-Angebote im Inseratenteil derselben Nummer der Zeitschrift gemacht wurde, zu bejahen, weil sie durchaus geeignet war, Leser, die in dem fraglichen Heft kein für sie geeignetes Angebot gefunden haben, gerade wegen der behaupteten Anzahl solcher Inserate zum Kauf weiterer Nummern dieser Inseratenzeitschrift zu bewegen.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich, soweit sie die Kosten der Klägerin betrifft, auf § 393 Abs 1 EO, soweit sie die Kosten der Beklagten betrifft, auf §§ 78, 402 EO, §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E26837

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00117.91.1203.000

Dokumentnummer

JJT_19911203_OGH0002_0040OB00117_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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