TE OGH 1991/12/5 15Os125/91-22 (15Os126/91-22, 15Os127/91-22)

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Veröffentlicht am 05.12.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Dezember 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Prokisch als Schriftführer über den Antrag des Dr. Friedrich Wilhelm K*****, im Gerichtstag über die vom Generalprokurator im Verfahren AZ 6 b Vr 10.471/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes die stenographische Aufzeichnung der Aussagen und Vorträge gemäß § 271 Abs. 4 iVm § 291 letzter Satz StPO anzuordnen, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Mit einem beim Obersten Gerichtshof am 21.November 1991 eingelangten Antrag begehrte der Angeklagte, bei dem aufgrund einer vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes für den 5.Dezember 1991 anberaumten Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung die stenographische Aufzeichnung der Aussagen und Vorträge gemäß § 271 Abs. 4 StPO anzuordnen; zugleich erklärte er sich zum vorläufigen Erlag der ihm bekanntzugebenden Kosten bereit.

Im Hinblick darauf, daß bereits im Verfahren AZ 6 b Vr 10.471/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien der Leiter des parlamentarischen Stenographendienstes auf Anfrage des Vorsitzenden des Schöffensenates erklärt hatte, daß aus dienstlichen Erwägungen, nämlich wegen Arbeitsüberlastung und wegen allfälliger Beispielsfolgen keine "Parlamentstenographen" für gerichtliche Verwendung abgestellt werden können (AV vom 26. März 1991), und der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 3. April 1991 daraufhin vorgebracht hatte, stenographische Aufzeichnungen könnten auch von Personen durchgeführt werden, die der österreichische Stenographenverband dem Gericht namhaft macht und die die entsprechende Staatsprüfung für Stenographen abgelegt haben (S 6 des Protokolls über die Hauptverhandlung vom 3. April 1991), wurde beim österreichischen Stenographenverband, der einzigen Fachverbindung dieser Art in Österreich, angefragt. Dieser vermochte jedoch auch nach eingehenden Bemühungen keinen zur Tätigkeit bei Gericht bereiten Stenographen namhaft zu machen; eine als Stenographin ausgebildete Kraft in Klagenfurt, deren Namen beim österreichischen Stenographenverband bekannt war, lehnte auf Anfrage des Obersten Gerichtshofes ab.

Die über diese Vorgänge aufgenommenen Aktenvermerke wurden dem Verteidiger des Angeklagten bekanntgemacht und ihm anheim gestellt, sich dazu zu äußern (der Angeklagte bezeichnet dies in seiner Äußerung vom 2.Dezember 1991 unzutreffend als "Aufforderung").

In dieser Äußerung bezeichnet er die - seinen eigenen, im Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien zum Ausdruck gebrachten Intentionen entsprechende - Vorgangsweise des Obersten Gerichtshofes als unzweckmäßig, begehrt, unter Berufung auf § 22 B-VG an die Parlamentsdirektion mit dem Ersuchen um Abordnung eines Stenographen heranzutreten, zumal dies im Hinblick auf die relativ kurze Dauer des Gerichtstages von rund einer Stunde kaum abgelehnt werden könnte, und strebt letztlich die Betrauung eines besonders befähigten Gerichtsbediensteten mit den stenographischen Aufzeichnungen an.

Der Leiter des parlamentarischen Stenographendienstes wiederholte am 3.Dezember 1991 auf Anfrage seine am 26.März 1991 gegenüber dem Landesgericht für Strafsachen Wien abgegebene (und dem Angeklagten bereits seinerzeit bekannt gemachte) Erklärung, wonach eine Abordnung eines Parlamentsstenographen zur Tätigkeit bei Gericht aus prinzipiellen Gründen und wegen der Beispielsfolgen abgelehnt werde; überdies bestehe, so führte er ergänzend aus, auf derzeit nicht absehbare Zeit ein Personalengpaß und demgemäß eine Arbeitsüberlastung, die gleichfalls die Abordnung eines Stenographen nicht erlaube, und zwar auch nicht zu einem Gerichtstag von möglicherweise bloß einer Stunde, weil zur Verhandlungszeit der Zeitaufwand für die Übertragung des Stenogramms komme, der nach Erfahrungswerten rund das Zwölffache der Zeiteinheit der Stenogrammaufnahme betrage.

Der Antrag des Angeklagten war abzuweisen.

Beim Versuch, einen privaten Stenographen heranzuziehen, wurden durch die Anfrage beim österreichischen Stenographenverband, dem einzigen bestehenden Fachverband dieser Art, alle realistischerweise auszulotenden Möglichkeiten ausgeschöpft. Ein Amtshilfeersuchen an die Parlamentsdirektion gemäß Art 22 B-VG ist schon deshalb nicht zielführend, weil nach dieser Gesetzesstelle die Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden (nur) im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet sind. Der Stenographendienst ist ein parlamentarischer Hilfsdienst (Art 30 Abs. 3 B-VG) der Organe der Gesetzgebung des Bundes. In den gesetzmäßigen Wirkungsbereich der Gesetzgebung des Bundes, die im zweiten Hauptstück des B-VG umschrieben ist, fällt - mit den in den Art 50 bis 55 B-VG bezeichneten Ausnahmen - nicht die Mitwirkung an der Vollziehung des Bundes und somit an der Gerichtsbarkeit. Schon aus diesen Erwägungen ist die "prinzipielle" Ablehnung des Leiters des Stenographendienstes zutreffend.

Demnach ist nur noch am Rande darauf hinzuweisen, daß auch die gegebene Arbeitsüberlastung im parlamentarischen Stenographendienst eine Abordnung eines Stenographen für eine - unter der Annahme einer Dauer des Gerichtstages von bloß einer Stunde - insgesamt rund 13-stündige Tätigkeit nicht zuließe.

Geeignete Gerichtsbedienstete zur Aufnahme eines wörtlichen Stenogramms stehen beim Obersten Gerichtshof, bei dem seit Jahrzehnten keinerlei derartiger Bedarf aufgetreten ist, nicht zur Verfügung.

In Ermangelung der Möglichkeit der Beiziehung eines geeigneten Stenographen in absehbarer Zeit und demnach auch unter dem Blickwinkel des Gebotes auf Durchführung des Verfahrens in angemessener Frist (Art 6 Abs. 1 MRK) war daher der Antrag des Angeklagten abzuweisen.

Anmerkung

E28506

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0150OS00125.9100022.1205.000

Dokumentnummer

JJT_19911205_OGH0002_0150OS00125_9100022_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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